Wittelsbacher Ausgleichsfonds: Privilegien für frühere Adelige
Auch 100 Jahre nach dem letzten König zahlt der Freistaat Bayern noch für seine ehemalige Königsfamilie. Der „Wittelsbacher Ausgleichsfonds“ wurde 1923 als Kompromiss zwischen dem Freistaat und der früheren Herrscherfamilie Wittelsbach gegründet. Er hat ein Vermögen von etwa 350 Millionen Euro, bis heute gehören der Stiftung Ländereien, Immobilien, Kunstschätze und Schlösser in Bayern. Die Erträge des Fonds fließen den Wittelsbachern zu, in den vergangenen Jahren waren das im Schnitt 13,7 Millionen Euro pro Jahr. Der Wittelsbacher Ausgleichsfonds ist keine Familienstiftung, sondern eine Stiftung öffentlichen Rechts, basierend auf einem eigenen Gesetz von 1923 (mehr Hintergrundinformationen: Süddeutsche Zeitung, 28. Juni 2016).
Prüfung des Wittelsbachers Ausgleichsfonds
Als selbstständige Stiftung ist der Wittelsbacher Ausgleichsfonds nicht Teil des Staatshaushalts und entzieht sich damit der Budgethoheit des Bayerischen Landtags. Doch als Stiftung des öffentlichen Rechts unterliegt sie dennoch staatlicher Aufsicht. Dem Verwaltungsrat der Stiftung gehören neben Mitgliedern, die vom Hause Wittelsbach ernannt werden, auch zwei von der Staatsregierung entsandte Mitglieder an. Seit 1978 kontrolliert der Oberste Rechnungshof die Stiftung nicht mehr – weil die vorherigen Prüfungen immer ohne Probleme waren. Der Landtag kann den Wittelsbacher Ausgleichsfonds nicht kontrollieren, weil die Gelder der Stiftung formal vom Budget des Parlaments getrennt sind.
Der öffentliche Zweck des Wittelsbacher Ausgleichsfonds war die Entflechtung der nach der Verfassung von 1818 als unauflöslich gedachten Vereinigung des Wittelsbacher Hausgutes mit dem verfassungsgemäßen Staatsgut. Die Vermögensmasse, die im Wittelsbacher Ausgleichsfonds verwaltet wird, ist aufgrund ihres monetären Werts und ihrer kulturellen Bedeutung von hohem öffentlichem Interesse. Tatsächlich lässt sich die Dimension dieses Interesses insofern kaum einschätzen, als zu wenig über die tatsächlichen Bilanzsummen des Wittelsbacher Ausgleichsfonds bekannt ist.
Privilegien für frühere Adelige sind nicht mehr zeitgemäß
Die von der Familie Wittelsbach 1923 beanspruchten Entschädigungen für Zahlungen stammten ursprünglich aus der Zivilliste (Kronrente für das Herrscherhaus), welche aus öffentlichen Geldern finanziert wurde und einzig in der damaligen Funktion der Herrscherfamilie begründet war. Sie werden noch heute in Form von Ausschüttungen aus dem Wittelsbacher Ausgleichsfond weitergeführt, obwohl die Erben der ehemaligen königlichen Familie keinerlei öffentliche Funktion mehr innehaben.
Neben dem Ausgleichsfonds haben die Nachfahren der Wittelsbacher bis heute weitere Rechte, wie z.B. die Gruft in der Theatinerkirche, eine Blockhaus auf St. Bartholomä, Fischereirecht oder das Wohnrecht in Nymphenburg, inne. Mittlerweile wurde die als Entschädigung erlangten jährlichen Ausschüttungen an die Familie Wittelsbach nunmehr beinah so lange ausbezahlt, wie das Königreich Bayern selbst existierte.
„Privilegien für frühere Adelige sind nicht mehr zeitgemäß. Ich bin für einen klaren Schnitt bei den Ausgleichszahlungen für die Nachfahren der bayerischen Monarchie, auch wenn dabei Sondervermögenswerte abgelöst werden müssen.“
– Ludwig Hartmann
Grüne Anfragen und Anträge zum Wittelsbacher Ausgleichsfonds:
Anfragen zum Plenum vom 11. April 2016 mit den dazu eingegangenen Antworten der Staatsregierung (oder s. Beitrag „Wittelsbacher Ausgleichsfonds“ vom 12. April 2016)
Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Ludwig Hartmann vom 29.04.2016 „Prüfung des Wittelsbacher Ausgleichsfonds“ (oder s. Beitrag „Prüfung des Wittelsbacher Ausgleichsfonds“ vom 24. Juni 2016)
Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Susanne Kurz, Ludwig Hartmann und Dr. Sabine Weigand vom 13. August 2019 betreffend Privilegien der Familie Wittelsbach und der Wittelsbacher Ausgleichsfonds – Teil 1
Anlage „Verwaltungsordnung für den Wittelsbacher Ausgleichsfonds“
Anlage: Verwaltungsordnung für den Wittelsbacher Ausgleichsfonds