Energiewende jetzt!
Handlungsfelder für Bayern
Vorbemerkung: Die dringend erforderliche Energiewende in unserem Land verlangt Handeln auf vielen Ebenen. Bayern hat hier enormen Nachholbedarf. Ein seit 30 Jahren unverändert hoher 60%-Anteil der Atomkraft an der Stromversorgung dokumentiert die Untätigkeit und Einfallslosigkeit bayerischer Energiepolitik. Zweifellos sind aber auch die bundespolitischen Rahmenbedingungen dringend zu verändern.
1. Den Atomausstieg rasant beschleunigen
Die Bedeutung des Atomausstiegs liegt primär darin, den Einsatz einer Technologie zu beenden, die Mensch und Umwelt vom Betrieb bis zur Entsorgung mit einem unverantwortlichen Sicherheitsrisiko bedroht. Darüber hinaus hat der Atomausstieg aber auch energiewirtschaftlich und energietechnisch für die Energiewende zentrale Bedeutung. Technisch, weil die Überkapazitäten im Kraftwerksbereichs die Stromleitungen „verstopfen“ und zunehmend die Einspeisung von erneuerbaren Energien ganz konkret verhindern. Wirtschaftlich, weil längst abgeschriebene Anlagen in beständiger wirtschaftlicher Konkurrenz zu neuen Technologien stehen. Gerade die Laufzeitverlängerung hat viele Investoren verunsichert und bereits geplante Projekte auf Eis gelegt.
Ziel muss ein möglichst rascher Atomausstieg sein. Auf den dienstältesten bayerischen Reaktor Isar 1 könnte und müsste schon seit langer Zeit verzichtet werden. Der Reaktor im unterfränkischen Grafenrheinfeld sollte dann möglichst schnell folgen. Spätestens im nächsten Jahr ist auch dieses AKW überflüssig. Für die restlichen Reaktoren sind dringend Überprüfungen, ggf. Nachrüstungen nötig.
Konkret verlangen wir u.a. von der Bayerischen Staatsregierung:
- Widerruf der Genehmigung von Isar 1 in den kommenden drei Monaten nach § 17 AtG
- Überprüfung aller Reaktoren durch unabhängige Gutachten: d.h. in dem Gutachterteam sind nur MitarbeiterInnen von Sachverständigenorganisationen, die nicht die bisherigen Hauptgutachter in den Reaktoren waren,
- Schnellstmögliche Nachrüstung auf den Stand von Wissenschaft und Technik für die restlichen Reaktoren.
2. Endlich Energie effizient einsetzen
Ein rascher Atomausstieg macht es nötig, die vorhandene Energie wesentlich effizienter zu nutzen. Weder ist der Anteil der erneuerbaren Energien innerhalb weniger Jahre auf 100 % zu steigern, noch ist es sinnvoll, den Energieverbrauch in seiner heutigen verschwenderischen Dimension durch erneuerbare Energien decken zu wollen. Veränderungen braucht es sowohl auf der Angebotsseite (Kraftwerkspark) als auch bei den verschiedenen Verbrauchssegmenten.
Im Kraftwerksbereich muss es Ziel sein, den Wirkungsgrad deutlich zu steigern. Bei den größten Kraftwerken Bayerns liegt der Wirkungsgrad unter 40 %. Moderne Kraftwerke erreichen heute – je nach Brennstoff – bis zu 60 %. Werden sie zudem in Kraft-Wärme-Kopplung betrieben, können Wirkungsgrade über 80 % erreicht werden.
Auf der Verbrauchsseite müssen Stromschleudern durch effiziente Geräte ersetzt werden und intelligente Netze den Stromverbrauch und die Stromproduktion steuern. Generell gilt es, die Verbraucherinnen und Verbraucher mehr über Strom sparendes Verhalten zu informieren und hierzu anzuhalten.
Konkret verlangen wir u.a. von der Staatsregierung:
- ein Programm zur Umrüstung von Nachtspeicherheizungen
- die Förderung von KWK-Anlagen, insbesondere Mini-Blockheizkraftwerken und von Nah- und Fernwärmenetzen
- ein Effizienzprogramm zum Austausch von Heizungspumpen, Haushaltsgeräten, Elektromotoren
- Unterstützung beim Aufbau von „smart grids“ (also den intelligenten Netzen auf der Verteilebene)
- Flächendeckender Ausbau von Energieagenturen (Beratung, Konzepte etc.)
3. Erneuerbare Energie zu 100 %
Atomgefahren und die Begrenzung des Klimawandels sind Gründe genug für diese grüne Zielsetzung. Ressourcenschutz, Versorgungssicherheit, Unabhängigkeit vom internationalen Energiemarkt und regionale Beschäftigungseffekte kommen dazu.
Das Ziel „100 % Erneuerbare Energie“ ist im Strombereich am ehesten zu erreichen. Bayern liegt zwar angesichts seiner historisch gewachsenen Wasserkraft noch über dem Bundesdurchschnitt, ist aber in den vergangenen 10 Jahren von der Spitzenposition auf Platz 7 unter den Bundesländern zurückgefallen. Die Technologien in diesem Bereich sind bereits weit entwickelt und wir haben große Potenziale in Bayern, die noch genutzt werden können. Selbstverständlich werden wir auch den Import von Strom auf Basis von erneuerbaren Energien (z.B. von off-shore-Windenergieanlagen) soweit er sinnvoll ist unterstützen. Die Position der Staatsregierung, wonach die Stromerzeugung in Bayern selbst stattfinden muss, ist engstirnig und rückwärts gewandt.
Konkret verlangen wir u.a. von der Staatsregierung:
- Kehrtwende bei der Nutzung der Windenergie:
u.a. Ausbauplan Windenergie durch die Staatsregierung (z.B. innerhalb des Landesentwicklungsprogramms), Änderung der windkraftfeindlichen Regionalpläne, Aufhebung des informellen Moratoriums bei den Staatsforsten) - Ausbau und Ökologisierung der Biomassenutzung:
Vorrang für optimierte Nutzung in KWK, Vorrang für Reststoffverwertung, Gülle und Landschaftspflegematerial, ökologisch verträgliche Nutzung von Nachwachsenden Rohstoffen (z.B. Fruchtfolgen), dezentrale Gasspeicherung - Koordination Geothermie-Nutzung:
die Nutzung und Erschließung der geothermischen Energiepotenziale soll nicht nur über die Claim-Vergabe geregelt werden, sondern verlangt abgestimmtes Vorgehen zwischen Kommunen und Investoren
4. Umbau des Stromnetzes und der Stromspeicherung
Ein Umbau in der Energieerzeugung (von zentralen großen Kraftwerken zu dezentralen Kraftwerken auf der Basis erneuerbarer Energien) verlangt auch eine Anpassung der Infrastruktur, insbesondere bei den Netzen und zur Stromspeicherung.
Ein bedarfsgerechter Ausbau der Stromnetze beinhaltet den Umbau der Übertragungsnetze zum weiträumigen Stromtransport, den Ausbau der regionalen Netze zu „smart grids“ und den Aufbau zusätzlicher Stromspeicherkapazitäten. Da der Ausbau der Netze den Bedarf an Speicherkapazitäten deutlich reduziert, hat er Priorität.
Konkret verlangen wir u.a von der Staatsregierung:
- Erarbeitung eines bayerischen Netzausbauplans unter Mitwirkung der Netzbetreiber, Energieversorger und Umweltverbände,
- Ermittlung eines bayerischen Bedarfsplans zur Stromspeicherung unter Mitwirkung der Netzbetreiber, Energieversorger und Umweltverbände,
- Erstellung eines Pumpspeicherkatasters
- Runde Tische in den betroffenen Regionen als Begleitung der bereits laufenden Planungs- und Genehmigungsverfahren
- Reform der Genehmigungsverfahren (Schaffung von Transparenz, frühzeitige Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger)
5. Begrenzung von Marktmacht und Stärkung des Wettbewerbs
Die vier großen Stromunternehmen haben eine marktbeherrschende Stellung. Diese Dominanz wurde in den letzten Jahren, nicht zuletzt durch die Laufzeitverlängerung, weiter verstärkt. Eine von Konzerninteressen unabhängige Energiepolitik verlangt Durchsetzungsvermögen. Das wird auch diese Bundesregierung erleben, wenn sie tatsächlich eine Energiewende herbeiführen wollte. Ziel der Politik muss es sein, auf diesem elementaren Feld wieder mehr Markt zu entwickeln und eigene Handlungsspielräume zu erweitern. Die Orientierung staatlicher Politik an den Interessen von E.on und RWE muss ein Ende haben, und Wettbewerb entfaltet werden.
Konkret verlangen wir u.a. von der Staatsregierung:
- Stärkung der Landeskartellbehörde,
- Hilfestellung für neue Investoren und Energieanbieter,
- Förderung von regionalen und kommunalen Stadt- und Gemeindewerken
- Unterstützung der Städte und Gemeinden bei der kommunalen Energiepolitik
6. Die tatsächliche Brückentechnologie: Erdgas
Der Ausbau der Erneuerbaren Energien und der dazugehörigen Infrastruktur kann nicht über Nacht erfolgen. Insbesondere der Aufbau der Speicher braucht Zeit. Erdgaskraftwerke sind die fossilen Kraftwerke mit den niedrigsten CO2-Emissionen, sie haben vergleichsweise hohe Wirkungsgrade, sie sind flexibel einsetzbar und damit als vorübergehende Ergänzung für die wetterabhängige Photovoltaik und Windenergie ideal.
Um den Atomausstieg zu beschleunigen, aber auch die Nutzung der Kohle möglichst rasch zu beenden, ist eine vorübergehende Nutzung von Erdgas unser Ziel. Sie werden sowohl als Reserve- als auch als Regelkraftwerke gebraucht und können zur Kraft-Wärme-Kopplung genutzt werden.
Konkret verlangen wir u.a. von der Staatsregierung:
- Verhandlungen mit den Energieversorgern über die Kraftwerksplanung in den kommenden Jahrzehnten
- Institutionelle Begleitung und Hilfestellung bei Planung und Bau von Erdgas(heiz)kraftwerken
- Unterstützung bei der Realisierung von virtuellen Kraftwerken (auch auf Basis von Erdgas, z.B. Schwarmstrom der Firma Lichtblick)
7. Die Energiewende gibt es nicht zum Nulltarif
Selbstverständlich ist die Energiewende nicht zum Nulltarif zu haben. Sie erfordert Investitionen in Milliardenhöhe. Doch der Kapitalmangel ist nicht das größte Problem. Gerade in Bayern scheitern Projekte nicht an den fehlenden Investoren, sondern an den administrativen Blockaden. Mindestens 15 Milliarden Euro wurden im letzten Jahr allein im Bereich der Erneuerbaren Energien investiert, nicht von den großen Konzernen sondern überwiegend von Bürgerinnen und Bürgern.
Die milliardenschweren Forderungen von Umweltminister Söder sind kontraproduktiv. Es sind Subventionen an der vollkommen falschen Stelle zu Gunsten der großen Konzerne. Übertragungsnetze müssen nicht subventioniert werden. Sie amortisieren sich über die Stromdurchleitung. Söder will damit nur den Eindruck vermitteln, dass der Atomausstieg eine teure Angelegenheit wäre. Tatsächlich müssen vor allem einige Rahmenbedingungen geändert werden. Wenn endlich die Überkapazitäten im Kraftwerkspark durch die Abschaltung der Atomkraftwerke beseitigt werden, ist die wirtschaftliche Situation schnell verändert. Dann sinken zwar die Gewinne von E.on, dafür steigen die Gewinne bei den anderen Energieanbietern, z.B. bei Stadtwerken die in erneuerbare Energien investiert haben. Söders milliardenschwere Forderungen richten sich aber vor allem auch wieder an andere. Die eigene Staatsregierung versagt kläglich.
Das Klimaschutzprogramm Bayern soll nach den Plänen der Staatsregierung im Doppelhaushalt in diesem Jahr auslaufen. Unsere energiepolitischen Anträge zum Haushalt des Wirtschaftsministeriums sind durchweg abgelehnt worden. Die Mittel in diesem Bereich werden seit Jahren zurückgefahren. Der Neubau von Straßen ist der Staatregierung allemal wichtiger als die Energiewende.