4. September 2014

Unsere Forderungen zur Berufung der designierten Umweltministerin Ulrike Scharf

Sehr geehrte Frau Scharf,

im Namen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gratuliere ich Ihnen zur Berufung ins Kabinett des Freistaats Bayern. Im Sinne des Erhalts der natürlichen Lebensgrundlagen wünsche ich Ihnen viel Erfolg bei Ihrer Tätigkeit als Umweltministerin.

Der Schutz von Luft, Boden und Wasser, der Erhalt der Artenvielfalt und der Kampf gegen die zunehmende Erderhitzung haben in der Politik der Staatsregierung leider allzu oft nicht den Stellenwert, der politisch geboten wäre. Ein Wechsel an der Spitze des zuständigen Ministeriums ist eine gute Gelegenheit, die Maßstäbe neu zu justieren und einer Politik, die Verantwortung für die kommenden Generationen übernimmt, Rückenwind zu verleihen.

Aus diesem Anlass erlauben wir uns, Ihnen für Ihre künftige Arbeit eine Liste mit Maßnahmen und Zielen zu übergeben, deren Bearbeitung keinen Aufschub duldet.

Dazu zählen wir insbesondere:

1. Schutz des Grund- und Trinkwassers

Vor allem die rasant steigende Belastung des Wassers mit Pestiziden und Nitrat gefährdet unsere Gesundheit. Weniger Pestizide und ein Stopp der Überdüngung sind die richtigen Maßnahmen für sauberes Wasser. Die Einführung eines Gewässerrandstreifens ist ein wichtiger erster Schritt in dieser Richtung.

2. Schutz des Erdklimas von der drohenden Überhitzung

Bayern trägt durch des Ausstoß von Klimagasen nicht nur zur drohenden Überhitzung des Erdklimas bei, sondern wird künftig auch immer stärker unter den Folgen dieser Entwicklung leiden, etwa durch vermehrten Starkregen und Überschwemmungen, aber auch durch Hitzeperioden und Veränderungen in der Fauna und Flora. Wir fordern deshalb entschlossenes Handeln, insbesondere durch deutlich höhere Anstrengungen bei der Sanierung des Gebäudebestands, die Umsetzung der Vereinbarung zur Stromeinsparung aus dem Jahr 2012 und die Verabschiedung eines Klimaschutzgesetzes mit verbindlichen Zielen und Fahrplänen.

3. Durchsetzung einer wirksamen Atomaufsicht

Zwar ist der Ausstieg aus der Atomenergie mit verbindlichem Fahrplan beschlossen, dennoch sind die Gefahren damit nicht gebannt. Der Betrieb während der Restlaufzeit der Atomkraftwerke muss höchsten Sicherheitsansprüchen genügen; das gilt ebenso für den Rückbau der abgeschalteten Atommeiler und den Umgang mit den abgebrannten Brennelementen. Insbesondere das Atomkraftwerk Gundremmingen – hier sind die beiden letzten Siedewasserreaktoren Deutschlands in Betrieb – bedarf wegen der Störanfälligkeit dieses Reaktortyps dringend einer vertieften Sicherheitsüberprüfung.  Notwendige Nachrüstungen dürfen nicht mit dem Hinweis auf die Restlaufzeit unterbleiben. Weiterhin muss beim Abriss der abgeschalteten Atomkraftwerke darauf geachtet werden, dass die Strahlenbelastung so gering wie möglich gehalten wird. Das Brennelementbecken des AKW Isar 1 ist unverzüglich zu räumen.

4. Erhalt der Artenvielfalt

Das Artensterben nimmt rasant zu. Wir brauchen deshalb eine wirksame Umsetzung der Biodiversitätsstrategie. Insbesondere gilt es, die Artenvielfalt in der Agrarlandschaft zu erhalten, mehr Anstrengungen für den Schutz von Fischen in den Gewässern zu unternehmen und die Moore wirksam zu schützen.

5. Flächenfraß stoppen

Nach wie vor verschwinden große Flächen in Bayern unter Asphalt und Beton. Damit gehen immer auch Rückzugsräume für Pflanzen und Tiere verloren und Erholungsräume für die Menschen. Dieser Trend muss unbedingt gestoppt werden, insbesondere durch eine deutlich geringere Ausweisung von Gewerbegebieten, der künftig nur bei nachgewiesenem Bedarf erfolgen soll, durch eine Hinwendung zur besseren Entwicklung bestehender Ortszentren und die Reduzierung des Neubaus von Straßen auf unabdingbare Projekte.

6. Wirksamer Schutz vor Hochwasser

Durch die zunehmende Erhitzung des Erdklimas, aber auch die Versiegelung von Flächen und die Kanalisierung von Flüssen nehmen Hochwässer immer dramatischere Formen an. Wir brauchen endlich wirksame Maßnahmen, damit wir nicht alle paar Jahre eines neues „Jahrhunderthochwasser“ erleben müssen. Dazu zählen insbesondere verstärkte Anstrengungen, um den natürlichen Rückhalt von Bächen und Flüssen zu verbessern, der Verzicht auf Ausweisung von Bauland in Überschwemmungsgebieten, der Stopp des Flächenverbrauchs und das Verbot von Ölheizungen in Überschwemmungsgebieten.

7. Ein echtes Fracking-Verbot

Die Förderung von unkonventionellem Öl und Gas durch den Einsatz von gefährlichen Chemikalien muss verboten werden. Die Risiken für das Grundwasser und die Böden sind viel zu hoch. Dafür muss die Staatsregierung eine Initiative zur Änderung des Bergrechts starten bzw. vorhandene Initiativen aus anderen Bundesländern unterstützen. Durch Ausweitung der Wasserschutzgebiete und den Verzicht auf die Rechtevergabe an entsprechende Unternehmen können bereits vor einer Änderung des Bergrechts wirksame Maßnahmen ergriffen werden.

8. Schutz der Alpen

Die Alpen sind nicht nur ein beliebter Ort für Erholung, sondern auch ein sensibles Ökosystem. Damit es intakt bleibt, auch für unsere Kinder und Enkel, müssen wir es schützen. Dazu bedarf es wirksamer Maßnahmen, insbesondere den Verzicht auf neue Schneekanonen, den besseren Schutz der Schutzwälder und die Stärkung von umweltverträglichen Formen des Tourismus.

9. Ja zum Nationalpark Steigerwald

Die Buchenwälder im Steigerwald sind ein Ökosystem von europäischem Rang. Es muss unbedingt geschützt und für die kommenden Generationen erhalten werden. Deshalb muss der Nationalpark Steigerwald endlich umgesetzt werden.

10. Weniger Feinstaub in den Städten

Die Belastung der Luft mit Feinstaub, vor allem in den Ballungsregionen, gefährdet die Gesundheit der Menschen. Um sie vor den Belastungen zu schützen, müssen insbesondere die Umweltzonen ausgeweitet werden, auch Baumaschinen bei den Luftreinhalteplänen berücksichtigen werden und der Ausstoß von Ammoniak reduziert werden.

11. Verzicht auf die dritte Startbahn des Flughafens München

Der Flugverkehr belastet das Erdklima besonders stark. Deshalb setzen wir uns dafür ein, umweltfreundliche Alternativen zu fördern. Im Bereich der innerdeutschen Flüge sind dies die Bahn und der Bus. Dadurch reichen die vorhandenen Kapazitäten des Flughafens München auch ohne neue Start- und Landebahn aus. Wir fordern deshalb den endgültigen Verzicht auf das Projekt und die Streichung aus dem Landesentwicklungsplan.

Uns ist bewusst, dass nicht alle der vorgeschlagenen Maßnahmen im Konsens durchgesetzt werden können. Manchmal findet sich eine Lösung durch Interessenausgleich, aber oft stehen sich kurzfristige Interessen und das grundlegende Interesse an einer intakten Umwelt unversöhnlich gegenüber. Wir ermuntern Sie, sich im Zweifel für die Umwelt zu entscheiden und versichern Ihnen, dass Sie dafür jederzeit auf unsere Unterstützung zählen können.

Mit freundlichen Grüßen

 

Ludwig Hartmann, MdL
Fraktionsvorsitzender Bündnis 90/Die Grünen im Bayerischen Landtag

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Pressebericht in „Die Welt“ vom 05.09.2014