21. November 2016

Hochwasserschutz im Landkreis Garmisch-Partenkirchen

Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Ludwig Hartmann, Bündnis 90/Die Grünen, vom 24.10.2016, mit den Antworten der Staatsministerin für Umwelt und Verbraucherschutz, Ulrike Scharf, vom 21.11.2016 (kursiv dargestellt)

Die durch die fortschreitende Klimaüberhitzung verstärkten Hochwasserereignisse dieses Jahres machen es notwendig, erhebliche Finanzmittel für technischen Hochwasserschutz einzusetzen. Ergänzend werden natürliche Retentionsräume, bzw. auch ausgewiesene Überschwemmungsgebiete (im nicht bebauten Bereich) nicht ausreichend für die Entlastung kleinerer Hochwasserereignisse geöffnet. Der ungehemmte Flächenfraß und die damit einhergehende Bodenversiegelung tragen zu den katastrophalen Folgen bei, die wir auch in diesem Jahr in fast ganz Bayern zu spüren bekamen. Vor diesem Hintergrund scheint ein genauerer Blick in die einzelnen Landkreise lohnenswert.

Hiermit fragen wir die Bayerische Staatsregierung:
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
die Schriftliche Anfrage beantworte ich im Einvernehmen mit dem Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr wie folgt:

1. a) Welche Kosten der öffentlichen Hand (bitte aufgeteilt nach EU, Bund, Freistaat, Kommunen) sind für den Landkreis Garmisch-Partenkirchen für Hochwasserschutzmaßnahmen in den kommenden fünf Jahren veranschlagt?
zu 1. a): In der Projektliste des WWA Weilheim sind für die nächsten fünf Jahre 40 Projekte (Maßnahmen an Gewässern 1. und 2. Ordnung und Wildbächen) mit einem Investitionsvolumen von rd. 40 Mio. € enthalten. Davon sollen rd. 7,3 Mio. € von den Kommunen aufgebracht werden. Der Rest wird vom Freistaat Bayern getragen.

1. b) Welchen Betrag hat die öffentliche Hand (bitte aufgeteilt nach EU, Bund, Freistaat, Kommunen) in den vergangenen fünf Jahren für Hochwasserschutzmaßnahmen im Landkreis ausgegeben?
zu 1. b): Gemäß der Leistungsbilanz von 2011 bis 2015 wurden in den Wasserbau (incl. Hochwasserschutz) in Garmisch-Partenkirchen insgesamt 18,6 Mio. € investiert. Davon entfallen rd. 1,4 Mio. € auf die EU, rd. 2,5 Mio. € auf den Bund und 14,7 Mio. € auf den Freistaat Bayern und die Kommunen.

1. c) Jeweils welcher Anteil dieser Ausgaben entfiel auf den technischen und auf den natürlichen Hochwasserschutz?
zu 1. c): Eine Auswertung auf Landkreisebene ist aus Gründen der Datenverfügbarkeit nicht möglich.

2. Wie viele Hektar wasserspeichernder Naturböden (Bergwald, Almweiden, sonstige Bergböden) gingen und gehen durch die unter 1a) und 1b) erfragten Maßnahmen verloren?
zu 2.: Durch die o. g. Hochwasserschutzmaßnahmen gingen keine der o. g. Naturflächen verloren.

3. a) Wie hoch sind die Kosten für öffentliche Hilfsmaßnahmen, die in den letzten fünf Jahren im Landkreis Garmisch-Partenkirchen aufgrund von Überschwemmungen getätigt werden mussten?
zu 3. a): Hierzu liegen dem StMUV keine Angaben vor.

3. b) In welchem Maße kann nach Ansicht der Staatsregierung der geplante Ausbau der St 2062 im Bereich zwischen Murnau und Schwaiganger zum Hochwasserschutz beitragen?
zu 3. b): Die Staatsstraße St 2062 wird soweit angehoben und angepasst, dass sie bis zu einem HQ100 nicht mehr überflutet wird. Da im Nahbereich der Baumaßnahme kein Schutzdefizit besteht, leistet der Ausbau keinen Beitrag zum Hochwasserschutz.

4. a) An wie vielen Tagen im Jahr war in den letzten 10 Jahren die Staatsstraße 2062 wegen Überschwemmung gesperrt?
zu 4. a): Seit dem Jahr 2007 war die St 2062 an 18 Tagen wegen Überschwemmungen gesperrt.

4. b) An wie vielen Tagen waren sowohl die erneuerte B2 zwischen Ohlstadt und Murnau, als auch die St2062 wegen Überschwemmung gesperrt?
zu 4. b): Die B2 und die St 2062 waren seit dem Jahr 2007 an 8 Tagen gleichzeitig wegen Überflutung nicht befahrbar.

4. c) In wie vielen Fällen kam es an diesen Tagen zu Personenschäden aufgrund verspäteter, bzw. nicht erfolgter Einlieferung in die Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Murnau?
zu 4. c): Dazu liegen der Staatsregierung keine Informationen vor.

5. a) Inwieweit wurden bei der Kostenkalkulation des geplanten Ausbaus der St 2062 zwischen Murnau und Schwaiganger ökologische Ausgleichsmaßnahmen mit eingerechnet?
zu 5. a): In den bisherigen Planungsstufen für die Hochwasserfreilegung der Staatsstraße 2062 wurden die Kosten für die erforderlichen naturschutzfachlichen Maßnahmen lediglich pauschal auf Grundlage von Erfahrungswerten abgeschätzt. Derzeit wird die technische Entwurfsplanung erstellt. Hierbei werden auch geeignete Flächen für einen naturschutzfachlichen Ausgleich ermittelt und die erforderlichen Ausgleichsmaßnahmen im Detail festgelegt. Erst darauf aufbauend ist eine genaue Bezifferung des Kostenaufwandes für den naturschutzfachlichen Ausgleich möglich.

5. b) In welchem Bereich sollen diese Ausgleichsmaßnahmen realisiert werden?
zu 5. b): Die Festlegung der erforderlichen naturschutzfachlichen Ausgleichsmaßnahmen ist bislang noch nicht erfolgt.

5. c) Wie bewertet die Staatsregierung die durch die Baumaßnahme wegfallenden Flächen für den natürlichen Hochwasserschutz auf der einen und die immensen Kosten für die baulichen Vorkehrungen zum Hochwasserschutz am Straßendamm auf der anderen Seite?
zu 5. c): Die geplante Hochwasserfreilegung der Staatsstraße 2062 ist zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse dringend erforderlich. Dies wird auch dadurch unterstrichen, dass das Projekt im aktuellen Ausbauplan für die Staatsstraßen in Bayern enthalten ist. Insbesondere wird durch die Maßnahme die Erreichbarkeit der berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Murnau auch im Hochwasserfall sichergestellt. Dies ist für die in den umliegenden Gebieten agierenden Rettungskräfte von erheblicher Bedeutung.
Gemäß den gesetzlichen Vorgaben sind Eingriffe in Retentionsräume entsprechend auszugleichen. Diese Anforderung wird auch für das gegenständliche Vorhaben beachtet werden. In diesem Zusammenhang wurde vom örtlich zuständigen Staatlichen Bauamt Weilheim die Erstellung eines Hochwasserabflussmodells in Auftrag gegeben, um die entsprechenden Projektauswirkungen zu ermitteln. Die Ergebnisse liegen jedoch noch nicht vor.

6. a) Sind aus Sicht der Staatsregierung die Fuß- und Radwegbeziehungen zwischen Schwaiganger und Murnau ausreichend?
zu 6. a): Derzeit besteht keine durchgehende Fuß- und Radwegbeziehung zwischen Murnau und Schwaiganger. Die Gemeinde Ohlstadt und der Markt Murnau am Staffelsee streben deshalb den Bau eines Geh- und Radweges entlang der Staatsstraße an. Die Verkehrsverhältnisse für den nicht motorisierten Individualverkehr werden durch diese Maßnahme erheblich verbessert.

6. b) Hält die Staatsregierung die bereits umgesetzten Hochwasserschutzmaßnahmen im Landkreis Garmisch-Partenkirchen für ausreichend?
zu 6. b): Gemäß den Angaben zu Frage 1a) werden in den nächsten Jahren weitere Hochwasserschutzmaßnahmen im Landkreis Garmisch-Partenkirchen umgesetzt. Dies betrifft vor allem Hochwasserschutz in Garmisch an der Loisach sowie zahlreiche Maßnahmen an Wildbächen.

6. c) Welche Finanzmittel sind für die unter 1.a) erfragten Maßnahmen eingestellt?
zu 6. c): Für den Hochwasserschutz stehen ausreichend Haushaltsmittel zur Verfügung.

7. a) Wie hat sich das Hochwasserrückhaltevolumen in den letzten zehn Jahren (Retentionsräume vorher-nachher) im Landkreis Garmisch-Partenkirchen entwickelt?
zu 7. a): Die vorhandenen natürlichen Retentionsflächen im Landkreis Garmisch-Partenkirchen haben sich in den letzten zehn Jahren nicht wesentlich verändert.

7. b) Wie sieht die Entwicklung jeweils an der Loisach, Kanker, Partnach, in Eschenlohe und im Murnauer Moos aus?
zu 7. b): An der Loisach sind Retentionsflächen in Form von Mooren vorhanden. An der Kanker wurde durch das Hochwasserschutzprojekt Kanker-Partnach ein Rückhaltebecken mit einem Volumen von 220.000 Kubikmeter geschaffen. An der Partnach bestehen keine nennenswerten Retentionsflächen. In Eschenlohe, bzw. im Murnauer Moos ging durch die Hochwasserschutzmaßnahmen für die Ortschaft ein Teil des Retentionsraums verloren. Im Rechtsverfahren wurde nachgewiesen, dass der Hochwasserschutz für die Ortschaft keine signifikante Auswirkung auf das Abflussverhalten der Loisach (z. B. im Bereich der St2062) hat.

7. c) In wie vielen Fällen kam es in den letzten 10 Jahren zu Gewerbe- oder Wohnungsansiedlungen in Überschwemmungsbereichen?
zu 7. c): Dem StMUV sind nur wenige Einzelbauvorhaben und ein Bebauungsplan bekannt. In allen Fällen wurden die gesetzlichen Voraussetzungen zur Zulässigkeit solcher Maßnahmen gemäß § 78 Abs. 2 oder 3 WHG nachgewiesen.

8. a) Für wie viele im Landkreis Garmisch-Partenkirchen in Überschwemmungsgebieten liegende Gebäude sind in den letzten fünf Jahren Absiedlungs-, bzw. Entschädigungsangebote unterbreitet worden?
zu 8. a): Für zwei Anwesen an der Loisach.

8. b) Wie hoch waren die jeweiligen Zahlungen?
zu 8. b): Die Höhe der Zahlungen basieren auf einem Verkehrswertgutachten. In beiden Fällen wurden die Angebote nicht angenommen.

8. c) Wie beurteilt die Staatsregierung aus naturschutzfachlicher Sicht die im Zuge der Planungen zum Ausbau der St 2062 zwischen Murnau und Schwaiganger stattfindenden Eingriffe in die umliegenden Biotope?
zu 8. c): Die Eingriffe sind zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse dringend erforderlich. Bei der Planung wird jedoch darauf geachtet, diese im Rahmen der technischen Möglichkeiten auf ein Minimum zu reduzieren. Nach dem derzeitigen Planungsstand ist davon auszugehen, dass die verbleibenden naturschutzfachlichen Eingriffe nach den gesetzlichen Vorgaben und Richtlinien ausgeglichen werden können.

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Hier habe ich Ihnen meine Schriftliche Anfrage und die Antwort der Staatsregierung auch als pdf-Datei im Drucksachenlayout des Bayerischen Landtags hinterlegt.