Gleiche Chancen – Egal wo du in Bayern lebst
Positionspapier
GLEICHE CHANCEN – EGAL WO DU IN BAYERN LEBST
Beschluss der Fraktionsklausur am 14.9.2016 in Aschaffenburg
Der Staat fördert und sichert gleichwertige Lebensbedingungen und Arbeitsverhältnisse in ganz Bayern, in Stadt und Land. So steht es in der Bayerischen Verfassung. Wir sagen dazu: Wir wollen gleiche Chancen, egal wo du in Bayern lebst.
Damit dieser berechtigte Anspruch für alle gilt, brauchen wir eine andere Politik für den ländlichen Raum. Denn dieses Recht steht auf tönernen Füßen – in vielen Gemeinden und für eine wachsende Zahl von Bürgerinnen und Bürgern. Wer in kleineren Orten abseits der Ballungszentren lebt, hat im Alltag hohe Hürden vor sich. Der Weg zum Arbeitsplatz dauert lange. Den Lebensmittelladen im Ort gibt es nicht mehr. Ein Arztbesuch ist nur im Nachbarort möglich. Die nächste Realschule oder das nächste Gymnasium ist 20 Kilometer entfernt. Wer kein Auto hat, kommt nicht zurecht. Denn der Bus fährt nur selten, am Wochenende oder in den Abendstunden fast gar nicht mehr. Auch die Möglichkeiten, die das Internet bietet, helfen nicht weiter. Denn es gilt der Grundsatz: je flacher das Land, umso langsamer das Netz.
Jede und jeder entscheidet selbst, wo sie oder er leben will. Aber die Politik entscheidet mit, ob die Wahl schwer fällt oder leicht. Wir Grüne sind der Meinung, dass die Wahl des Lebensortes nicht durch weit entfernte Schulen, schlechte Busverbindungen, fehlende Ärzte und Geschäfte bestimmt werden sollte. Wir wollen den Menschen auf dem Land ihr Leben durch bessere Angebote erleichtern. Nur wenn das gelingt, werden sich wieder mehr Bürgerinnen und Bürger entscheiden, auf dem Land zu bleiben oder dort hinzuziehen.
Mit diesen fünf Punkten wollen wir das Versprechen „Gleiche Chancen, egal wo du in Bayern lebst“ erfüllen:
1. Garantiert mobil – auch ohne Auto
Die Zeiten sind vorbei, in denen auch in kleinen Gemeinden alles da war, was man zum Leben gebraucht hat. Heute muss man dafür in den nächsten größeren Ort fahren. In der Regel geschieht das per PKW. Wer kein Auto hat, wie vor allem Jugendliche und ältere Menschen, oder haben will, braucht Busse und Bahnen. Wir wollen deshalb eine Mobilitätsgarantie für Bayern: Alle Orte im Land sollen an allen Wochentage von fünf Uhr morgens bis Mitternacht mindestens stündlich angebunden sein. Das ist unser langfristiges Ziel. So wollen wir erreichen, dass alles Notwendige, vom Arzt – bis zum Theaterbesuch, vom Arbeitsweg bis zum Behördengang auch ohne Auto gut erledigt werden kann. Dabei ist der Schienenverkehr das Rückgrat. Wichtige Zentren, die keinen Schienenanschluss haben, sollen durch ein Netz von Schnellbuslinien verbunden werden. Ein Bayern-Tarif, also ein landesweiter und einfacher Tarif, macht für die Kunden die Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln leichter.
2. Gesundheit: Die Patienten im Fokus
Wer krank ist, braucht Hilfe. In ländlichen Regionen gestaltet sich die medizinische Hilfe zunehmend schwierig. Der nächste Facharzt oder das nächste Krankenhaus sind weit weg. Die Zahl der Hausärzte sinkt, während immer mehr ältere Menschen auf dem Land leben, die häufiger auf Behandlungen angewiesen sind. Diesem Dilemma wollen wir GRÜNE mit besserer Zusammenarbeit aller begegnen, die für die medizinische Versorgung zuständig sind: Krankenhäuser, Arztpraxen, Apotheken, Gesundheitszentren und Pflegedienste. Wir wollen weg von starren Strukturen und Hierarchien. So sollen die Krankenhäuser in den ländlichen Regionen eine größere Rolle bei der ambulanten Versorgung spielen. Nichtärztliche Gesundheitsberufe können ebenfalls einen wichtigen Beitrag leisten, etwa in der Form der „Gemeindeschwester“. Wir brauchen mobile Praxisteams, denn nicht jeder Kranke kann einen langen Weg zur Arztpraxis zurücklegen. Hier können auch die Gemeinden mithelfen, indem sie Infrastruktur zur Verfügung stellen. Größere Gemeinden oder mehrere Gemeinden im Verbund können auch medizinische Versorgungszentren betreiben und dort Ärztinnen und Ärzte anstellen. Auch die Telemedizin bietet viele Möglichkeiten, die bislang noch nicht genutzt werden. Alle diese Maßnahmen wollen wir mit einem Landesversorgungsplan erfassen. Ziel ist es, die Bedarfsplanung von einer „Arztplanung“ zu einer alle Gesundheitsberufe umfassenden und sektorenübergreifenden Versorgungsplanung weiter zu entwickeln – zum Wohle der Patientinnen und Patienten.
3. Gute Bildung – gleich um die Ecke
Wer in einer Großstadt wohnt, hat bei den Schulen die Qual der Wahl. Wer in einer ländlichen Region wohnt, hat die Qual der langen Wege, vor allem bei Realschulen und Gymnasien. Das hat Folgen für die Bildungsabschlüsse. Während im Landkreis München sechs von zehn Kindern nach der Grundschule auf das Gymnasium gehen, sind es in ländlichen Gegenden drei von zehn. Dümmer sind die Kinder dort nicht. Sie leiden nur unter einem schlechteren Angebot. Sie haben schlechtere Chancen, die sie ihr Leben lang begleiten, denn ein hochwertiger Schulabschluss ist nicht nur Voraussetzung für ein Studium, auch immer mehr Lehrberufe setzen ihn voraus. Für einen Bildungsaufstieg müssen Kinder und Jugendliche im ländlichen Raum mehr Anstrengungen und Zeit investieren. Wir GRÜNE wollen deshalb ein Bildungsangebot, in dem alle Bildungsabschlüsse in wohnortnahen Schulen angeboten werden – bis hin zum Abitur.
Solche Gemeinschaftsschulen, wie es sie in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen in wachsender Zahl gibt, schaffen Chancen für alle Kinder in Bayern – egal wo sie aufwachsen.
4. Internet: Vorrang für Glasfaser
Das Internet kann helfen, das Leben auf dem Land einfacher zu machen. Es kann den Gang zum Amt sparen, den öffentlichen Verkehr verbessern, den Einkauf erleichtern oder sogar für eine bessere Gesundheitsversorgung sorgen. Aber dafür brauchen wir schnelles Internet in allen Teilen Bayerns. Die Millionen und Milliarden Euro, die derzeit ausgegeben werden, um alte Kupferkabel zu ertüchtigen, sind schlecht ausgegebenes Geld. Neue Anwendungen erfordern mehr Geschwindigkeit und da stößt diese Technologie bald an ihre Grenzen. Der Glasfaser gehört die Zukunft. Wir Grüne wollen, dass Bayern den Anschluss nicht verpasst. Wir brauchen deshalb möglichst schnell flächendeckend Bandbreiten von 100 Mbit/s und mehr. Bis 2020 soll mindestens die Hälfte der Haushalte über einen schnellen Glasfaseranschluss verfügen. Das bayerische Breitbandprogramm wollen wir dafür auf neue Füße stellen. Gefördert werden nur noch Anschlüsse von mindestens 100 Mbit/s. Aufgemotzte Klingeldrähte bieten keine Zukunft.
5. Nahversorgung: Den Laden im Dorf lassen
In jeder vierten bayerischen Gemeinde gibt es kein Lebensmittelgeschäft mehr. Und in 158 dieser 510 Kommunen nicht einmal mehr einen Bäcker oder Metzger. Die Läden werden größer, aber ihre Zahl schrumpft. Die durchschnittliche Ladenfläche wuchs in den letzten zehn Jahren um 30 Prozent. Die Anzahl der kleinen Geschäfte sank um 40 Prozent. Die Hauptursache liegt im Einzelhandel selbst. Größere Läden sind profitabler, kleinere werden geschlossen. Aber die CSU-Regierung leistet Beihilfe. Immer mehr große Geschäfte werden genehmigt, oft auf der grünen Wiese. Die kleinen Geschäfte in den Ortskernen machen zu. Ältere und andere Menschen ohne Auto sind die Verlierer.
Diese Entwicklung wollen wir stoppen. Dafür muss die CSU-Regierung endlich Verantwortung übernehmen und dafür sorgen, dass sorgsam mit Flächen umgegangen wird. Die Entwicklung der Orte muss Vorrang genießen vor dem Bau neuer Geschäfte auf der grünen Wiese. Die Gemeinden ohne Einkaufsmöglichkeit brauchen Unterstützung. Etwa durch einen Dorfladen, in dem auch andere Dienstleistungen wie Bankgeschäfte, Postdienste oder eine Arztpraxis angeboten werden können. Eine wichtige Rolle spielt der Öffentliche Verkehr. Eine gute Busverbindung in den Ort mit der nächsten Einkaufsmöglichkeit ist eine große Erleichterung. Wenn vor allem Ältere Menschen ohne Auto nicht mehr in die Läden kommen können, dann müssen die Waren eben zu den Menschen kommen. Hier wollen wir Modelprojekte fördern, die eine mobile Versorgung mit Dingen des täglichen Bedarfs von den Frühstücksbrötchen über Medikamente bis hin zu Bargeld ermöglichen.
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Hier finden Sie die gelayoutete Version unseres Beschlusses als pdf-Datei.