25. Januar 2011

Eingabe betreffend „Keine Laufzeitverlängerung von Kernkraftwerken“

Meine Rede in der Plenarsitzung vom 25.01.2011

Ludwig Hartmann (GRÜNE):

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Es ist schon erstaunlich, dass Kollege Reiß mehr Ehrlichkeit in der Debatte einfordert. Wer mehr Ehrlichkeit in der Debatte einfordert, sollte einmal die Staatsregierung anschauen. Auf der ersten Seite der Stellungnahme zur Petition heißt es, man möchte in diesem Land einen breiten Energie-Mix haben. Wenn für die nächsten zehn Jahre ein Atomstromanteil von 60 % festbetoniert wird, kann man nicht von einem breiten Energie-Mix sprechen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zum breiten Energie-Mix: Der Ministerpräsident hat in der Regierungserklärung vorhin davon gesprochen, dass in diesem Jahrzehnt der Strom aus der Wüste fließen soll. Dagegen ist nichts zu sagen, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, aber in diesen zehn Jahren soll kein einziges AKW abgeschaltet werden. Der Wüstenstrom soll hinzukommen. Alle Parteien in diesem Hohen Hause möchten die erneuerbaren Energien ausbauen, aber kein Kernkraftwerk soll abgeschaltet werden. Bereits jetzt werden Biomasseanlagen und Windkraftanlagen vom Netz genommen, weil die Netze definitiv vom Atomstrom, auch aus Bayern, verstopft werden. Was die Ehrlichkeit in dieser Debatte angeht: Ich bin immer zu einer ehrlichen Debatte bereit.

(Widerspruch und Lachen bei der CSU und der FDP)

Auf Seite 7 der Stellungnahme der Staatsregierung geht es um die Problematik der Alterung von Komponenten in den Kernkraftwerken. Da schreibt man, relativ bildlich formuliert, welch ein gutes Management da stattfindet, dass man die Anlagen regelmäßig überprüft, und man schreibt sogar von einem vorsorglichen Austausch von Komponenten. Das klingt ganz schön. Was aber war denn in Grafenrheinfeld bei der Revision im Sommer? Was ist denn dort passiert?

(Zuruf von der CSU: Nichts!)

Das war die längste Revision in der Geschichte des Kernkraftwerkes, das länger als vorher geplant abgeschaltet wurde. In den letzten Wochen ergab eine Ultraschalluntersuchung einen Befund, den man nicht zuordnen konnte. Ich behaupte ja gar nicht, dass es sich um einen Riss gehandelt hat. Man konnte den Befund nicht zuordnen. Wenn man seine eigenen Vorgaben ernst nehmen würde, dann müsste man dieses Element vorsorglich ohne Wenn und Aber austauschen. Sie können einen Riss nicht ausschließen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Was hat man stattdessen gemacht? – Das lief ziemlich merkwürdig. Man hat den Befund als nicht meldepflichtig eingestuft. Am 16. Dezember 2010 wurde er um 17.00 Uhr gemeldet. Die Anlage läuft bereits seit Sommer wieder, ist am Netz, und man meldet den Befund später. Dann findet eine heftige Diskussion darüber statt, was man dort wirklich gefunden hat. Dann kommt scheibchenweise heraus, dass es bereits 2005 einen ähnlichen Befund in einem Atomkraftwerk in der Schweiz gab. Man hat das Element ausgetauscht und festgestellt, dass ein Riss in dieser Leitung, am gleichen Komponentenstück in der Schweiz war. Dann kann man nicht von Ehrlichkeit in dieser Debatte sprechen, die es definitiv nicht gibt. Wenn Sicherheit das allererste Gebot gewesen wäre, dann hätte man dieses Element austauschen müssen; das sage ich klipp und klar.
Das Gleiche erleben wir immer wieder. Wir erleben seit Jahren bei Isar I, bei diesem Schrottreaktor, dass es immer wieder zu Vorfällen kommt, die man mit schöner Sprache herunterzuspielen versucht, und dass man sagt, man habe es im Griff. Minister Söder sagt dann immer gerne, dass im Jahr 1.000 Prüfrunden stattfinden. Das ist ja schön und gut, aber wenn man die Ursachen nicht beseitigen kann und die Probleme immer wieder auftreten, dann bringen diese Prüfrunden gar nichts, sondern man muss an die Ursachen ran.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Ursache ist aber, dass die Atomkraftwerke in die Jahre kommen. Je älter sie werden, desto störanfälliger werden sie. Deshalb ist für uns ganz klar: Man muss am Atomausstieg festhalten. Die Bevölkerung hat ein Anrecht darauf, dass der gesellschaftliche Frieden, den man auch mit dem Atomkonsens gefunden hat, gewahrt bleibt. Wenn man den heutigen Ist-Zustand auf zehn Jahre betonieren möchte, dann ist das ein Schritt zurück. Wer das möchte, möchte in den nächsten zehn Jahren nichts an der Energieversorgung in diesem Land ändern. Das ist ein Armutszeugnis.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

(…)

Ludwig Hartmann (GRÜNE):

Sehr geehrter Herr Kollege (Thalhammer, FDP),
Sie haben reichlich zum Thema Regelbarkeit von Kraftwerken ausgeholt. Ich stimme Ihnen vollkommen zu: Windkraftwerke sind nicht regelbar. Das gilt in dieser Form auch für Solaranlagen. Sind wir uns da nicht einig? In der Übergangsphase, bis die Smart Grids, die modernen Netze, und das Energie- und Lastmanagement gescheit funktionieren, sollte der andere Stützpfeiler der deutschen Energieversorgung gut regelbar sein. Das bedeutet: Neben den Windkraftanlagen dürfen nicht zeitgleich Kernkraftwerke betrieben werden. Wir brauchen regelbare Kraftwerke wie die modernen Gaskraftwerke. Da sind wir doch sicher einer Meinung.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Sie werfen mir vor, wir spielten mit den Ängsten der Bevölkerung. Wovor haben die Leute eigentlich Angst? Sie haben Angst vor den Kernkraftwerken – das ist unumstritten. Sie spielen das Thema so herunter, als hätten wir uns die Frage des Endlagers nie gestellt. Man wollte ergebnisoffen suchen und keine Fakten über die Köpfe der Menschen hinweg schaffen. Was macht die Staatsregierung? Eine Behörde des Umweltministeriums verfasst innerhalb weniger Monate auf nicht einmal 20 Seiten eine Broschüre, der zu entnehmen ist: Ganz Bayern ist nicht geeignet. Warum untersucht man Gorleben über 20 Jahre ohne Ergebnis? In Bayern bekommt man das in ein paar Monaten auf knappen 20 Seiten hin. Das, was hier geführt wird, ist keine ehrliche Debatte.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

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Die Petition wurde leider gemäß dem Ergebnis der namentlichen Abstimmung mit 87:64 Stimmen mit der Stellungnahme der Staatsregierung für erledigt erklärt.

Anbei finden Sie Links zu Videomitschnitten meiner Rede. Außerdem können Sie in der angefügten pdf-Datei den Diskussionsverlauf als Auszug des Plenarprotokolls nachlesen.

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