2. Februar 2018

Drei Viertel ist Gebrauchtware

Das so genannte „CSU-Anreizpaket zum Flächensparen“ ist wortreich aber substanzarm

Die CSU marschiert unbeirrt weiter auf dem Irrweg der Freiwilligkeit. Auf dem Appellohr waren Kommunen und Unternehmen aber schon bislang taub – und daran wird sich auch nichts ändern. Je später die von uns geforderte Höchstgrenze für den Flächenverbrauch kommt, desto mehr Natur und Kulturlandschaft wird großflächigen Gewerbegebieten und überdimensionierten Straßenprojekten zum Opfer fallen. Wir brauchen landesplanerische Leitplanken und verbindliche Regeln für den Umgang mit unserer bayerischen Heimat, damit auch unsere Kinder und Enkel diese noch genießen können.

Im Folgenden habe ich mir erlaubt, den vorliegenden Antrag der CSU-Fraktion zu kommentieren. In kursiver Schrift habe ich dabei jeweils den Originalantrag zitiert und anschließend kommentiert.

Aus dem CSU-Antrag:
Die Staatsregierung wird in Ergänzung zu dem bereits bestehenden „Aktionsprogramm Flächensparen“ aufgefordert, weitere Aktivitäten in Angriff zu nehmen und dabei folgende Maßnahmen einzubeziehen:
– Bereitstellung von Lehr- und Informationsmaterial zum Thema Flächensparen für kommunale Mandats- und Funktionsträger,
– Weitergehende Erläuterung der Bedeutung des Flächensparens im Baugesetzbuch (BauGB) in den Planungshilfen für die Bauleitplanung,
– Einführung eines staatlichen Gütesiegels „flächenbewusste Kommune“,
– Auflage der Broschüre des Landesamts für Denkmalschutz „Flächen sparen – Denkmäler erhalten“,
– Verbesserung der Anstrengungen zum Flächensparen im Bereich von Denkmal- und Ensembleschutz durch die Ausweitung der Angebote im Rahmen von kommunalen Denkmalkonzepten,
– Landesweite Umsetzung des Programms „Marktplatz der Generationen“

Mein Kommentar zu „Information & Beratung“ – Punkt 1 des CSU-Antrags:
Die Staatsregierung setzt bislang schon auf rein freiwillige Maßnahmen und Beratung. Sie hat auch schon in der Vergangenheit verkündet, den Kommunen Broschüren zur Verfügung zu stellen und Öffentlichkeitsarbeit zur Themaik zu betreiben. Über eine breite Öffentlichkeitsarbeit (Vorträge, Ausstellungen, Veranstaltungen) sowie Fortbildungsangebote sollen die Kommunen gezielt Informationen, u. a. zu den Themen Innenentwicklung und flächensparende Siedlungsentwicklung erhalten (Stellungnahme des Innenministeriums gegenüber der Enquete-Kommission vom 21.12.2015).
Herr Prof. Dr. Kment führt in seinem Gutachten dazu aus (S. 48): „Außerdem sind Partizipationsmodelle, Informationsmodelle und Kooperationsmodelle entwickelt worden, die betroffene Akteure wie auch die breite Öffentlichkeit in die Zielerreichung einbinden wollen. Hierzu zählen zunächst etwa freiwillige Selbstverpflichtungen zum reduzierten Flächenverbrauch. Hinzu kommt, dass Öffentlichkeit und Betroffene durch Informations- und Aufklärungskampagnen (Broschüren, Flyer, Internetauftritte oder sogar Werbespots) für das Thema sensibilisiert werden sollen oder dass durch eine interkommunale Kooperationsförderung (z.B. Interkommunale Gewerbegebiete oder interkommunale Flächenpools) unnötige Flächenausweisungen vermieden werden sollen. (…) Den dargestellten alternativen Mitteln ist jedoch gemein, dass sie nicht in der Lage sind, den Flächenverbrauch in Bayern mit derselben Effektivität einzuschränken, wie dies durch eine verbindliche Festsetzung einer Verbrauchsobergrenze der Fall ist.“
Der Flächenfraß beschäftigt uns seit Jahrzehnten. Das Problem ist nicht die mangelnde Information, sondern der fehlende Wille, wirksam dagegen vorzugehen. Beim Flächenfraß ist das Kind bereits in den Brunnen gefallen und lässt sich mit bunten Flyern und schmucken Gütesiegeln nicht mehr herausholen. Das Prinzip der freiwilligen Selbstverpflichtung ist krachend gescheitert. Jetzt brauchen wir Verbindlichkeit.

Weitere Forderung im CSU-Antrag: 
2. Flächenmanagement / Identifizierung von Innenentwicklungspotenzialen
– Programm zur Erfassung der Innenentwicklungspotenziale
>>> Mein Kommentar: Dies wird bereits im Rahmen von Dorferneuerung, Städtebauförderung und Wohnraumförderung betrieben.

Weitere Forderung im CSU-Antrag: 
– Bereitstellung von PDF-Karten der Innenentwicklungspotenziale für Gemeinden mit Flächenmanagement-Datenbank
– Erhebung der Innenentwicklungspotentiale mit dem Vitalitäts-Check
>>>
Mein Kommentar: Gibt es bereits: http://www.stmelf.bayern.de/landentwicklung/dokumentationen/059178/index.php

Weitere Forderung im CSU-Antrag:
Unterstützung des Flächenmanagements und der Erarbeitung von Innenentwicklungskonzepten in interkommunaler Zusammenarbeit durch Integrierte Ländliche Entwicklung (ILE)
>>> Mein Kommentar: Wird bereits gemacht:  http://www.stmelf.bayern.de/agrarpolitik/foerderung/004010/

Weitere Forderung im CSU-Antrag:
Verbesserung des Leerstands-Management und Umnutzung von Gebäuden u. a. auch in der Landwirtschaft
>> Mein Kommentar: Hierfür gibt ebenfalls bereits ein Programm: https://www.stmi.bayern.de/buw/staedtebaufoerderung/modellvorhaben/ortschafftmitte/index.php und http://www.stmelf.bayern.de/landentwicklung/dokumentationen/062597/index.php

Weitere Forderung im CSU-Antrag:
Unterstützung der Gemeinden durch Regionalmanagement und interkommunale Zusammenarbeit.
>>> Mein Kommentar: Auch hier gibt es bereits ein Programm: http://www.eap.bayern.de/informationen/leistungsbeschreibung/000639362589

Weitere Forderung im CSU-Antrag: 
3. Nutzung von Innenpotenzialen
– Verdichtung im Innenbereich (z.B. flächensparende Bebauung oder durch Schließung von Baulücken), Unterstützung der Gemeinden durch die Dorferneuerung und Städtebauförderung, Förderung von Gebäudesanierungen, Gestaltungsmaßnahmen für attraktive Ortskerne, Bodenordnung zur Formung von innerörtlichen Baugrundstücken,
>>> Mein Kommentar: Wird bereits gemacht: Durch Mittel der Städtebauförderung sollen Kommunen bei der Stärkung der Innenstädte und Ortskerne unterstützt werden: https://www.stmi.bayern.de/buw/staedtebaufoerderung/modellvorhaben/ortschafftmitte/index.php
Im Rahmen des Modellvorhabens „Ort schafft Mitte“ wurden kommunale Entwicklungsfonds in die Städtebauförderung eingeführt: https://www.stmi.bayern.de/buw/staedtebaufoerderung/modellvorhaben/ortschafftmitte/index.php

Weitere Forderung im CSU-Antrag:
– Größere Anstrengungen bei der Revitalisierung von nutzbaren Brachen
>>> Mein Kommentar: Gibt es bereits: https://www.stmi.bayern.de/buw/staedtebaufoerderung/foerderschwerpunkte/gewerbebrachen/index.php

Weitere Forderung im CSU-Antrag:
– Berücksichtigung der vorrangigen Innenentwicklung auch im Rahmen von Teilfortschreibungen in der Flächennutzungsplanung
>>> Mein Kommentar: Ist nach Art. 6 Abs. 2 Nr. 2 BayLPlG bereits ein Grundsatz der Raumordnung, der auch bei der Aufstellung von Flächennutzungsplänen eingehalten werden muss.

Weitere Kommentare meinerseits zu den Punkten 2 und 3 des vorliegenden CSU-Antrags:
Wie ich gezeigt habe, sind die „Forderungen“ des CSU-Antrags bereits alle in unterschiedlichsten Programmen der Staatsregierunge enthalten. Auch hier verweise ich gerne auf die Analyse von Prof. Dr. Kment zu ökonomischen Anreizsystemen (S. 50):
„Der Nachteil einer fehlenden strikten Verbindlichkeit haftet letztlich auch ökonomischen Anreizsystemen an. Änderungen der Besteuerungsstruktur, der Forderung von Abgaben oder der Gewährung von Subventionen können starke ökonomische Anreize setzen, um das Flächenverbrauchsverhalten zu lenken; eine Inanspruchnahme bestimmter Flächengrößen mit letzter Gewissheit auszuschließen vermögen diese Steuerungsinstrumente jedoch nicht. Lässt sich der Flächenverbraucher etwa von hohen Steuersätzen nicht abschrecken, wird er weiterhin Flächen verbrauchen. Der Flächenverbrauch bleibt im Bereich ökonomischer Steuerung rechtlich möglich; er wird bei einem steuerrechtlichen Lenkungsansatz sogar als zulässiger Anknüpfungspunkt
des Steuertatbestands vorausgesetzt. Überdies ist zu beachten, dass es mitunter Schwierigkeiten bereiten kann, die Abgabenlast im Vorfeld für alle (!) Regionen des Landes mit ihren unterschiedlichen wirtschaftlichen Bedingungen angemessen zu bestimmen. Fällt die Abgabenlast zu niedrig aus, kann sich dies sogar nachteilig auf den Flächenverbrauch auswirken und zu einem Nachfrageüberhang führen. Vor diesem Hintergrund ist die Festlegung einer absoluten Flächenverbrauchsobergrenze das mildeste Mittel, um mit derselben Effektivität die Flächenreduzierung im gewünschten Umfang (legitime Zielsetzung) sicherzustellen.“

Zusammenfassend bedanke ich mich aufrichtig bei dem fleißigen CSU-Fachreferenten, der hier noch einmal alle bereits vorhandenen und weitgehend wirkungslosen Programme der CSU-Regierung zur Stärkung der Innenorte akribisch zusammengetragen hat. Aber die Bayerinnen und Bayern lassen sich nicht für dumm verkaufen. Der Neuigkeitswert dieser Maßnahmen ist gleich Null, die Wirkung leider ebenfalls.

Forderungen im 4. Unterpunkt des CSU-Antrags:
Erleichterung von Aufstockungen beim Wohnungsbestand und Wohnungsbau („mehr Höhe statt Breite“)
>>> Mein Kommentar: Aufstockung ist ein Mittel, um in Ballungsräumen mehr Wohnraum zu schaffen, wo es ohnehin kaum mehr freie Fläche gibt. In kleinstädtischen oder dörflichen Regionen scheitert eine Aufstockung meist an den Kosten, weil das übliche Einfamilienhaus zur Verbesserung der Statik aufwendig hergerichtet werden muss. Behördliche Hemmnisse sind da zweitrangig.

Weitere Forderung im 4. Unterpunkt des CSU-Antrags:
Bei Möbelhäusern und Einzelhandelsgroßprojekten Vorrang von baulichen Parkangeboten (Tiefgaragen, Parkhäuser) vor großen Parkfreiflächen
>>> Mein Kommentar: Scheitert meist daran, dass Fläche einfach nichts kostet. Und der Konkurrenzkampf zwischen den Kommunen um das günstigste Bauland wird im gesamten Antragspaket der CSU kaum aufgelöst. Nur wenn eine wirksame rechtliche Einschränkung in der BayBO hinterhergeschoben wird, ist diese Forderung sinnvoll.

Weitere Forderung im 4. Unterpunkt des CSU-Antrags:
Optimierte Nutzung der bestehenden Verkehrsinfrastruktur durch Einsatz intelligenter Verkehrssysteme
>>> Mein Kommentar: Haupttreiber beim Flächenverbrauch im Verkehrsbereich sind Autobahnausbau und Ortsumgehungen. Beides lässt sich durch Verkehrsleitsysteme nur sehr bedingt vermeiden. Nötig wären hier der Ausbau des ÖPNV und die Verlagerung des Transportverkehrs auf die Schiene.

Weitere Forderung im 4. Unterpunkt des CSU-Antrags:
Unterstützung der Gemeinden zur effektiven Anwendung des Baugebots
>>> Mein Kommentar: Hierbei handelt es sich um eine bloße Forderung, dass das Baugebot nach §176 BauGB eingehalten werden soll. Dies versteht sich von selbst.

Weitere Forderung im 4. Unterpunkt des CSU-Antrags:
Vorlage einer Begründung der Umwandlung land- oder forstwirtschaftlicher Flächen gemäß § 1a Abs. 2 BauGB
>>> Mein Kommentar: Auch hierbei handelt es sich um eine bloße Forderung, dass die Begründungspflicht nach §1a BauGB eingehalten werden soll. Auch dies versteht sich von selbst.

Zusammenfassend zum 4. Punkt des CSU-Antrags: Im Bereich des Bau- und Planungsrechts wäre ein mutiger Satz angezeigt. Die CSU springt aber zu kurz und landet bäuchlings im Wassergraben. Auch hier geht es letztlich um Verbindlichkeit: Wenn der Gesetzgeber Parkhäuser vorschreibt, werden sie gebaut; wenn er sie nur vorschlägt, bleibt es bei asphaltierten Parkflächen auf einst fruchtbaren Äckern. Und: Wo immer sich naturzerstörende Maßnahmen ökonomisch begründen lassen, werden sie auch umgesetzt – das hat die Vergangenheit gezeigt, das wird sich in Zukunft nicht ändern.

Zusammenfassende Beurteilung des CSU-Antrags:
Ein wortreicher aber substanzarmer Versuch der CSU, dem Volksbegehren „Betonflut eindämmen. Damit Bayern Heimat bleibt“ zu begegnen. Bereits vorhandene aber ins Leere greifende Maßnahmen zur Bekämpfung des Flächenfraßes wurden noch einmal hübsch zusammengetragen; drei Viertel des „Pakets“ ist Gebrauchtware. Es fehlt der Mut, sich der flächenhungrigen und CSU-dominierten Gemeindetagslobby entgegenzustemmen. So werden die Kommunen der Wirtschaft weiter den Betonteppich ausrollen und Bayern wird mehr und mehr sein Gesicht verlieren.