30. April 2014

Abriss des Atomkraftwerks Isar 1 … ein mehr als fragwürdiges Genehmigungsverfahren

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Bayerischen Landtag erhebt Einwendungen zum Verfahren zur Stilllegung und Abbau des Kernkraftwerks Isar 1, da mit dem vorgelegten Antrag der Schutz verfassungsmäßiger Rechte bayerischer Bürgerinnen und Bürger, wie das Recht auf körperliche Unversehrtheit und der Schutz des Eigentums, gefährdet ist.

(den gesamten Wortlaut der Einwendungen können Sie hier einsehen)

 

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Die Betreiber des Atomkraftwerks Isar 1, E.ON Kernkraft, haben im Mai 2012 einen Antrag auf Stilllegung und Abbau des Atomkraftwerks Isar 1 gestellt. Doch ob dieser Antrag ernst gemeint ist, scheint fraglich. Bereits auf der ersten Seite des sechsseitigen Antrags droht E.ON gleich zweimal damit, den Antrag wieder zurückzuziehen:

 

1. Für E.ON ist der Schrott-Reaktor noch lange nicht tot!

 

E.ON hat wegen des Atomausstiegsbeschlusses der Bundesregierung im Jahr 2011 Verfassungsbeschwerde eingereicht, und dabei erklärt, dass sie das Atomkraftwerk Isar 1 weiter betreiben wollen. So kommt es zu der absurden Situation, dass E.ON beim Bayerischen Umweltministerium einerseits den Abriss von Isar 1 beantragt, aber sich andererseits weigert, schriftlich zu erklären, dass sie den Reaktor nicht wieder anschalten wollen. Juristisch formuliert liest sich dies im Antrag folgendermaßen:

„Vor dem o. g. Hintergrund möchten wir Sie bitten, die Genehmigung unter der aufschiebenden Bedingung zu erteilen, dass diese erst wirksam wird, nachdem wir Ihnen gegenüber verbindlich erklärt haben, den Leistungsbetrieb des KKI 1 endgültig nicht wieder aufzunehmen.“

 

2. E.ON will nur abreißen, wenn die Bundesregierung schnell ein Endlager zur Verfügung stellt.

 

E.ON macht in seinem Antrag sehr deutlich, dass der Abriss eine rein unternehmerische Entscheidung ist, d.h. dass der Abriss nach den aktuellen Berechnungen die kostengünstigste Lösung ist. Deshalb wird noch eine weitere Bedingung gestellt: die zeit- und bedarfsgerechte Verfügbarkeit der erforderlichen Endlagerkapazitäten. Da E.ON den Aufwand einer Zwischenlagerung in Mitterteich oder direkt am Standort wohl aus Kostengründen scheut, verlangt es die Bereitstellung des Endlagers durch den Bund:

„Sollte sich abzeichnen, dass das Endlager Konrad entgegen den derzeitigen Annahmen erst deutlich nach 2018 tatsächlich zur Verfügung stehen sollte, so würde eine grundlegende Prämisse unserer Entscheidung in Frage gestellt werden. Daher müssen wir uns auch für diesen Fall vorbehalten, diesen Antrag zurückzuziehen.“

 

 

Umweltminister Marcel Huber lässt sich von E.ON „wie am Nasenring durch die Manege führen“

 

Aus der Sicht der Grünen Landtagsfraktion ist allein dieser „Auftakt“ des Genehmigungsverfahrens eine Brüskierung der Staatsregierung. Es ist unverständlich, warum das Bayerische Umweltministerium diesen Antrag überhaupt bearbeitet, wenn der Antragsteller kein ernsthaftes Interesse an der Stilllegung und dem Abriss signalisiert und sich weigert zu erklären, dass er den Reaktor nicht mehr betreiben will. Es ist nicht nachvollziehbar, warum sich das Bayerische Umweltministerium in dieser Form vom Antragsteller Bedingungen diktieren lässt und dessen ungeachtet das Verfahren bürokratisch abarbeitet. Marcel Huber muss endlich zeigen, dass er Herr des Verfahrens ist und einen bedingungslosen Antrag und eine ebenso bedingungslose Erklärung der Stilllegungsabsicht von E.ON einfordern. Bis diese vorliegen sollte das Genehmigungsverfahren ruhen und nicht weiterverfolgt werden.

 

Um die größte Gefahr von Isar 1 kümmert sich niemand

 

Während das Umweltministerium stoisch das Genehmigungsverfahren abarbeitet, herrscht bei dem mit Abstand größten Problem des abgeschalteten Reaktors seit Jahren Stillstand. Im Abklingbecken des Atomkraftwerks liegen ca. 1700 abgebrannte Brennelemente. Mehr als 300 Tonnen hochradioaktiver Atommüll in einem „Schwimmbecken“, das stellenweise nur von einer 40 cm dicken Mauer geschützt ist. Von diesen etwa 1700 abgebrannten Brennelementen könnten knapp 1000 bereits in Castoren verpackt werden (bei den meisten anderen muss die Nachzerfallswärme noch etwa zwei Jahre weiter abnehmen) – allein es fehlen die Castoren.
Für die benötigten Castoren liegt immer noch keine Genehmigung vor. Die Herstellerfirma GNS und die Genehmigungsbehörde Bundesamt für Strahlenschutz schieben sich seit Jahren den „Schwarzen Peter“ zu. Aber selbst wenn eines Tages die Genehmigung erteilt wird, würde es noch Jahre dauern bis die Castoren zur Verfügung stehen würden, da die Situation an vielen Standorten eskaliert. Abhilfe schaffen würde nur eine deutliche Ausweitung der Produktionskapazitäten für die Herstellung der Castoren. Aber bisher weigert sich die GNS die Kapazitäten so auszuweiten, dass der „Stau“ in den Abklingbecken zügig abgebaut werden kann.
Dabei wollen wir ausdrücklich darauf hinweisen, dass die GNS eine Tochterfirma der vier Atomkraftwerksbetreiber ist und dabei E.ON über direkte und indirekte Beteiligungen eine Mehrheit von über 50 % besitzt. Dieses Problem, das schon in der letzten Legislaturperiode Thema im Landtag war, wird von der Staatsregierung überhaupt nicht angegangen.

 

Gewaltige radioaktive Emissionen geplant

 

Zum Punkt 1 der Einwendung der Fraktion zu den vorgesehenen radioaktiven Emissionen exemplarisch zwei Ausschnitte:

Aus dem Sicherheitsberichts Seite 115:

Seite 115

Aus dem Sicherheitsbericht Seite 116:

Seite 116

 

Mit einer erheblichen Strahlenbelastung für die Menschen:

 

Die oben genannten geplanten erlaubten Emissionen im Zusammenhang mit dem Abbau von Isar 1 führen zu erheblichen „geplanten“ Strahlenbelastungen.
Aus dem Sicherheitsbericht Seite 120:

Seite 120

Aus dem Sicherheitsbericht Seite 126:

Seite 126

 

Einige der geplanten Maßnahmen in Phase 1 im Kontrollbereich, während noch die Brennelemente im Lagerbecken liegen

 

Auf die Tatsache, dass noch 1700 abgebrannte Brennelemente im Abklingbecken liegen, nimmt E.ON nur beschränkt Rücksicht. Bereits in Phase 1 sind verschiedene Maßnahmen geplant, die innerhalb des Kontrollbereichs liegen:

Aus dem Sicherheitsbericht Seite 15:

Seite 15

 

Stilllegung und Abriss des Atomkraftwerks Isar 1

– Einige Basisinformationen –

 

Am 4. Mai 2012 hat die E.ON Kernkraft GmbH beim Bayerischen Umweltministerium den Antrag zur Stilllegung und zum Abbau des Atomkraftwerks Isar 1 eingereicht.
Am 16. April 2013 fand der sogenannte Scoping-Termin im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung im Informationszentrum des KKI statt.
Mit einer Bekanntmachung hat das Bayerische Umweltministerium am 28.Februar 2014 die Öffentlichkeitsbeteiligung im Rahmen des atomrechtlichen Genehmigungsverfahrens eingeleitet. Die Unterlagen liegen seit dem 14. März bis zum 14. Mai öffentlich aus. In dieser Zeit können Einwendungen erhoben werden.
E.ON rechnet mit einer Genehmigung im Jahr 2016 und mit einem Abbau bis zum Jahr 2026. Der Abbau soll in zwei Phasen stattfinden. (2016 bis 2023 und 2020 bis 2026). Für die zweite Phase soll es ein weiteres Genehmigungsverfahren geben. Nach 2026 sollen einige Gebäude des AKW Isar 1 für den Abriss von Isar 2 genutzt werden.
Die Stilllegung und der Abriss von Isar 1 ist das bis heute größte Stilllegungsprojekt einer Atomanlage in Bayern. Es übertrifft die bisherigen Projekte (z.B. Kahl, Niederaichbach, Gundremmingen A) in verschiedener Hinsicht, sowohl was die Leistung des Reaktors (912 MW elektrische Bruttoleistung), als auch die Betriebszeit (34 Jahre) betrifft. Daher ist die radioaktive Verseuchung der Anlage mit den bisher stillgelegten Anlagen in Bayern nicht zu vergleichen.
Das Atomkraftwerk Isar 1 ist zudem ein Siedewasserreaktor. Grundprinzip der Siedewasserreaktoren ist, dass der im Reaktordruckbehälter erzeugte radioaktive Dampf direkt über die Turbinen im Maschinenhaus geleitet wird. (Bei den Druckwasserreaktoren wird die Wärme dieses Dampfes über einen Wärmetauscher abgegeben und der nicht radioaktive Dampf wird auf die Turbinenschaufel geleitet.) Daher ist bei einem Siedewasserreaktor wie Isar 1 die Radioaktivität weiträumiger verteilt.