13. Januar 2016

Unsere Resolution zur Integration: Dazugehören statt nur hier sein

Wir haben heute auf unserer Winterklausur eine Resolution mit dem Titel „Integration: Dazugehören statt nur hier sein“ verabschiedet und über grüne Politik für eine gelingende Integration diskutiert. Prof. Dr. Armin Nassehi, Institut für Soziologie an der Ludwigs-Maximilians-Universität, München, sprach in ruhigen Worten von einer vergifteten öffentlichen Debatte. Man müsse sich die Frage stellen, was Integration eigentlich sei: „Es ist ein Fehler, Integration als Kulturproblem zu sehen. Es gibt im Umgang mit Migrantinnen und Migranten kulturelle Konflikte, aber kein Kulturproblem.“

160113 Nassehi Podium

Integration bedeute, für Migranten Andockstellen an unsere Gesellschaft herzustellen. „Wir sind eine mobile Gesellschaft, in der sich jeder fragen muss, wo er bleibt. Es gibt keine eindeutigen Orte. Keine Homogenität. Aber von den Migranten verlangen wir das. Das ist falsch“, so Professor Nassehi. Gelungene Integration bedeute, koordiniert nach Verfahren zu suchen, wie Migrantinnen und Migranten unkoordiniert an unserer Gesellschaft andocken könnten. Steuerung, indem man es Menschen möglichst schwer mache, funktioniere nicht.
Unsere grüne Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth ergänzte: „Deutschland ist Heimat, ein Ort, an dem man sich als Migrant*in sicher fühlt, an dem man mitgestalten kann.“ Integrationsbemühung sei kein Geschenk, sondern eine notwendige Investition, ein Konjunkturpaket. Es gehe um die Perspektive für friedliches Zusammenleben. Ausbildung, Arbeit und gute Unterbringung müsse gewährleistet werden. „Die populistischen Vorschläge der CSU sind Anti-Integration – Integration ist eine große Aufgabe, von Willkommenskultur zu Willkommenskonjunktur.“

Unsere Resolution im Wortlaut:

Grüne Politik für eine gelingende Integration

Dazu gehören statt nur hier sein – Die Zukunft Bayerns weltoffen gestalten

Positionspapier der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Bayerischen Landtag
Beschlossen auf der Winterklausur in München am 13. Januar 2016

Die Integration der vielen Menschen, die in den vergangenen Wochen, Monaten und Jahren bei uns Zuflucht vor Krieg, Vertreibung und Verfolgung gefunden haben und die gegenwärtig noch Zuflucht suchen, wird nicht nur in Bayern eine der entscheidenden politischen und gesellschaftlichen Herausforderung der nächsten Jahre sein. Je erfolgreicher wir diese Herausforderung meistern und je besser es uns gelingt, die damit verbundenen Chancen und Potenziale zu nutzen, umso positiver steht es auch um die Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit unserer gemeinsamen Heimat. Dabei ist es wichtig sich bewusst zu machen, dass Deutschland (und Bayern) längst ein Einwanderungsland ist und dass unsere Lebenswelt durch Pluralität und Vielfalt gekennzeichnet ist. Integration ist daher keine vorübergehende Sonderaufgabe, die mit zeitlich befristeten Projekten gelöst werden kann. Vielmehr ist sie eine Daueraufgabe, die nachhaltig und strukturell angegangen werden muss.
Bayern war schon immer ein Ort des Zusammenlebens von Menschen unterschiedlicher Herkunft, Biographie und kultureller Prägung. Gerade die vielerorts gelebte Vielfalt und die damit verbundene gesellschaftliche Dynamik zeichnen das moderne Bayern aus und bieten einen wichtigen Erfahrungshintergrund für die Bewältigung der aktuellen integrationspolitischen Herausforderungen. Derzeit haben in Bayern etwa ein Fünftel der Bürgerinnen und Bürger einen Migrationshintergrund, bis 2024 wird es nach Prognosen ca. ein Viertel sein. Bei den Kindern unter sechs Jahren beträgt der Anteil derzeit schon ein Drittel. Bei diesen Zahlen ist die aktuelle Entwicklung der Flüchtlingszahlen noch nicht mit einbezogen.
So vielfältig und unterschiedlich wie die Herkunftsgeschichten der verschiedenen Bevölkerungsgruppen mit Migrationshintergrund sind, sind auch ihre Lebenslagen, ihre jeweils spezifischen integrationspolitischen Bedürfnisse und die daraus resultierenden politischen Handlungserfordernisse. Hinzu kommen ausgeprägte Unterschiede zwischen städtisch geprägten Strukturen, insbesondere im Ballungsraum und dem ländlichen Raum.
Damit Integration erfolgreich ist, gilt es, diese unterschiedlichen Ausgangssituationen und Lebenslagen zu berücksichtigen, ihre Chancen und Potenziale zu erkennen und zu nutzen, und damit verbundene Probleme zu beachten sowie Hemmnissen und Benachteiligungen entgegenzuwirken. Gerade weil diese Aufgabe so entscheidend ist, eignet sie sich nicht für ideologische Auseinandersetzungen und gegenseitige Schuldzuweisungen. Die zum Teil sehr aufgeheizten Debatten der Vergangenheit haben mit dazu beigetragen, dass bei der Integration vieler Zuwanderinnen und Zuwanderer wichtige Weichenstellungen verpasst wurden. Diese Fehler dürfen wir nicht wiederholen – denn damit gefährden wir nicht nur die Zukunftschancen der einzelnen Menschen, sondern ganz grundsätzlich den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Was wir jetzt brauchen, ist eine aktiv gestaltende und auf Dauer angelegte Einwanderungs- und Integrationspolitik, die sich der Dimension der Herausforderung bewusst ist, die notwendigen Strukturen und Institutionen schafft, die erforderlichen finanziellen Mittel zur Verfügung stellt und die darauf ausgerichtet ist, dass Flüchtlinge und Zuwanderer nicht nur das Objekt von Hilfe sind sondern sich aus eigener Kraft um ihr Leben kümmern können und unsere gemeinsame Heimat mitgestalten.
Grundlage unseres Zusammenlebens ist und bleibt das Grundgesetz, sind Menschenwürde, Freiheit und die gleichberechtigte Teilhabe aller in einer offenen, demokratischen Gesellschaft und einem gemeinsamen Europa. Das sicherzustellen ist in erster Linie Aufgabe staatlicher Institutionen und der Politik. Das Grundgesetz ist die zentrale Grundlage dieser Gesellschaft und es lässt vor allem den Raum für ein selbstbestimmtes Leben.
Unsere Verfassung gilt für alle.
Antisemitismus, Homophobie, Rassismus, Gewalt gegen Frauen, häusliche Gewalt, Dschihadismus oder Hetze gegen Muslime dürfen in unserem Land keinen Platz haben. Wir wissen, wir können auf die Stärke und Ausstrahlungskraft unserer freien und vielfältigen Gesellschaft vertrauen und müssen sie vermitteln.

Integration als Querschnittsaufgabe
Bayern braucht ein Integrationsgesetz und ein Integrationskonzept. Um ein vernetztes, aufeinander abgestimmtes Integrationskonzept zu erarbeiten und weiterzuentwickeln, braucht es klare Zuständigkeiten. In Bayerns Ministerien herrscht dagegen Kompetenz-Wirrwarr und Richtungsstreit. Verschiedene Ministerien – die Staatskanzlei, das Innenministerium, das Sozialministerium – arbeiten aneinander vorbei oder gar gegeneinander. Beim Integrationsbeauftragten wurde nun ein Integrationsarbeitskreis gegründet, mit einer offensichtlich zufälligen Zusammensetzung der beteiligten Personen, ohne Anbindung an Landtag, Ministerien und Verwaltung. Wir fordern ein Migrations- und Integrationsministerium für Bayern, das auch für die Ausländer- und Asylpolitik zuständig ist. So können neue integrationspolitische Perspektiven und Rahmenbedingungen gesetzt werden und die Integration der Flüchtlinge von Anfang an einbezogen werden.
Zur Untersuchung der Chancen, Risiken und Herausforderungen sowie der Rahmenbedingungen einer erfolgreichen und zukunftsgerichteten Integrations- und Zuwanderungspolitik setzt der Bayerische Landtag eine Enquete-Kommission ein.
Dabei sollen insbesondere die mit Migration und Integration verbundenen Chancen und Herausforderungen herausgearbeitet und dargestellt werden. Migration kann zahlreiche wünschenswerte Effekte für die bayerische Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und das Zusammenleben bedingen. Die Enquete-Kommission soll Konzepte entwickeln, wie Potenziale erfolgreicher erkannt, gefördert und nutzbar gemacht werden können. Integration findet vor Ort in den Kommunen statt. Eine Reihe von Kommunen haben bereits Integrationskonzepte, andere arbeiten dran. Wir wollen die Kommunen in dieser Arbeit unterstützen und stärken.
Den Aufbau kommunaler Integrationszentren wollen wir bezuschussen. In diesen Zentren entwickeln interdisziplinär und interkulturell zusammengesetzte Teams Programme, Projekte und Produkte im Bereich der interkulturellen Bildung und Erziehung und setzen sie gemeinsam mit den Akteur*innen vor Ort um. Neben der gezielten Förderung der Chancengleichheit von Kindern und Jugendlichen sollen die Kommunalen Integrationszentren allgemeine integrationspolitische Vernetzungs- und Koordinierungsaufgaben wahrnehmen, insbesondere in den Handlungsfeldern Bildung und Ausbildung, Arbeit, Wohnen oder bürgerschaftliches Engagement. Damit werden langfristig Strukturen geschaffen, die vor allem die Bildungschancen für Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund verbessern und die gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund in allen gesellschaftlichen Bereichen stärken.

Zugang zu Bildung für alle in jeder Lebensphase
Bildung ist ein Menschenrecht.
Egal, warum jemand zu uns nach Bayern gekommen ist –wer da ist, hat einen Anspruch auf Bildung. Das gilt für Menschen, die hier aufgewachsen sind, genauso wie für Flüchtlinge und Asylsuchende. Deshalb müssen wir das bayerische Bildungswesen fit machen für die Einwanderungsgesellschaft, die längst Wirklichkeit ist.
Unsere Bildungsinstitutionen müssen Orte des sozialen Zusammenhalts sein. Von dieser Entwicklung profitiert die gesamte Gesellschaft. Zentrale Elemente für gute Bildung in der Einwanderungsgesellschaft sind eine durchgängige Sprachbildung und ein interkultureller Öffnungsprozess unserer Bildungseinrichtung – darüber hinaus eine vom Staat getragene Sicherung der Grundbildung für Erwachsene.
Es muss davon ausgegangen werden, dass auch künftig Menschen mit geringen Deutschkenntnissen Zugang zum Bildungssystem ermöglicht werden muss. Das Erlernen der deutschen Sprache muss allen Menschen mit Migrationshintergrund offenstehen, unabhängig von ihrem rechtlichen Status. Deshalb setzen wir uns dafür ein dass alle Migrantinnen und Migranten, also auch Flüchtlinge und Asylsuchende, die Chance erhalten die deutsche Sprache zu erlernen. Auch Flüchtlinge im Asylverfahren und Geduldete sollen das Recht haben an Sprach- und Integrationskursen teilnehmen zu können. Sprache ist die Schlüsselkompetenz für den Zugang zu Bildung und Qualifikation, ihre systematische und kontinuierliche Förderung ist über die gesamte Bildungslaufbahn zu gewährleisten. Dies muss in der Kita beginnen, sich in der Schule fortsetzen und kontinuierlich Weiterbildungsmaßnahmen für Erwachsene einbeziehen.
Dabei erhöht Mehrsprachigkeit nicht nur die individuelle Kompetenz, sondern ist im Sinne einer Wertschätzung der Muttersprache ebenfalls ein wichtiger Schritt für eine Anerkennungskultur und gelebte Wertschätzung von Vielfalt. Zudem muss sich Bayern darauf einstellen, das ökonomische Potenzial der Mehrsprachigkeit anzugehen. Wir setzen uns daher unter anderem dafür ein, dass Deutsch als Zweitsprache als festes Unterrichtsangebot verankert wird.
Schulen sind in der Lage diese Integrationsaufgabe zu leisten, wenn sie entsprechende Freiräume und Ressourcen bekommen. Das ermöglicht den Schulen, die Instrumente, die es bereits gibt, stärker abzurufen.
Die individuelle Förderung von Schülerinnen und Schülern etwa und der intensivierte Einbezug der Schulsozialarbeit sind dabei eine wichtige Unterstützung für ein chancengerechtes Leben und Lernen von allen jungen Menschen.
Auch die Chance der außerschulischen Bildung muss genutzt werden.
Die Jugendverbandsarbeit und die Offene Jugendarbeit bieten als Orte der außerschulischen Jugendbildung (Soziale Bildung, Politische Bildung, Schulung Ehrenamtlicher, thematische Projekte) ein vielfältiges Angebot, das unter aktiver Teilhabe der Jugendlichen gestaltet wird.
Es braucht außerdem ein ausreichendes Bildungsangebot im Feld der Erwachsenenbildung für beispielsweise Sprach- und Integrationskurse, damit sich die Erwachsenen schnellstmöglich in ihrer neue Umgebung einfinden, sich in diese selbst einbringen können und selbständig leben können.
Wir setzen uns darüber hinaus dafür ein, dass der interkulturelle Öffnungsprozess der Hochschulen die besondere Situation der großen Gruppe der Studierenden mit Migrationshintergrund verstärkt berücksichtigt. Hierzu zählen neben den Studierenden aus dem Ausland auch diejenigen, die in Deutschland geboren und/oder ihre Bildung überwiegend in Deutschland abgeschlossen haben. Um ihre Teilhabe zu verbessern und ihr Potenzial einzubinden, ist es erforderlich, sie verstärkt im Internationalisierungsprozess von Hochschulen zu berücksichtigen und dabei sowohl ihre interkulturelle Expertise zu nutzen als auch Angebote bereitzuhalten, die auf ihre besonderen Bedürfnisse ausgerichtet sind.

Integration in den Arbeitsmarkt
Die Arbeitslosigkeit von Menschen mit Migrationshintergrund ist immer noch deutlich ausgeprägter als die der Bürgerinnen und Bürger ohne Migrationshintergrund.
So waren im Dezember 2015 in Bayern 8,5 % Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit arbeitssuchend, im Vergleich dazu liegt die Arbeitsquote in Bayern insgesamt bei 3,4%.
Deshalb ist es wichtig, durch Ausbildung, Qualifizierung und Antidiskriminierungskonzepte dafür zu sorgen, dass die gleichberechtigte Teilhabe in der Arbeitswelt ermöglicht wird.

Schnellere Integration von Flüchtlingen in Bildung und Arbeit
Der Weg in den Arbeitsmarkt ist für die meisten Flüchtlinge zu lang. Bisher konnte man beobachten, dass im Zuzugsjahr nur acht Prozent aller Asylsuchenden eine Arbeitsstelle bekommen und es im Durchschnitt fünf Jahre dauert, bis die Hälfte der Antragsteller eine Arbeit gefunden hat.
Arbeit ist der beste Weg für die Integration in die Gesellschaft. Es ist gut, dass auf Drängen der rotgrünen Bundesländer im Herbst 2014 vereinbart wurde, dass Flüchtlinge bereits drei Monate nach ihrer Ankunft arbeiten dürfen.
Nach wie vor bestehende rechtliche und bürokratische Hürden wie die Vorrangprüfung wollen wir abschaffen. Die Entscheidungsspielräume bei der Erteilung von Arbeitserlaubnissen in den Ausländerbehörden müssen genutzt werden, um eine möglichst schnelle Integration zu ermöglichen.
Die Chance, dass in Deutschland so viele Stellen frei sind wie nie zuvor, gilt es zu nutzen.

Sprache und Bildung sind die Schlüssel zur Arbeitsintegration
Flüchtlinge nehmen Integrationsangebote gerne wahr, wenn sie sie bekommen. Je frühzeitiger die Integration von Flüchtlingen beginnt, umso leichter gelingt sie. Der Zugang zu Sprachkursen muss deshalb schneller, flächendeckend und unkompliziert möglich sein! Konkret brauchen wir
– mehr BIJ-Klassen für Flüchtlinge,
– mehr I-Kurse und Arbeitsagenturkurse,
– schnellere und sachgerechte Anerkennung von im Herkunftsland erworbenen Bildungsabschlüssen,
– Angebote zur berufsbezogene Sprachförderung, zur Einstiegsqualifizierung
– mehr Personal und Schulungen in den Agenturen, Jugend-und Ausländerämtern,
– mehr Deutschsprachkurse für Studierende,
– sachgerechte Bafögregelungen für Auszubildende und Studierende.,
– schnellere Vermittlung in Arbeit und Praktika,
– eine gute Zusammenarbeit zwischen Ehrenamt, Hauptamt, Initiativen, zwischen HWK, IHK Jobcenter und der Arbeitsagentur.
Wir wollen, dass alle Asylsuchenden, die arbeiten und selbst eine Wohnung finden oder bei Verwandten oder Freunden wohnen können aus den Gemeinschaftsunterkünften ausziehen können.
Durch Jobcoaches und die schnellere Anerkennung von im Ausland erworbenen Bildungsabschlüssen und Berufsqualifikationen ist eine zügige Integration möglich. Im Bereich der beruflichen Bildung könnten offene Lehrstellen mit dem 3+2-Modell besetzt werden (drei Jahre Ausbildung, zwei Jahre Berufspraxis, bei gesichertem Aufenthalt). Qualifizierte Zuwanderinnen und Zuwanderer sollen mit ihrem Wissen und ihrem Know-how durch Anerkennung ihrer Qualifikationen und ihre Potenziale entfalten können.

Abschaffung von Arbeitsverboten
Arbeitsverbote sind unsinnig und unmenschlich!
Zum Beispiel Senegal: Senegal ist möglicherweise für viele ein sicheres Land, aber nicht für alle. Senegalflüchtlinge müssen mit Verfahrensdauern von zwei Jahren und länger rechnen. In dieser Zeit dürfen sie nicht arbeiten. Selbst Weiterbeschäftigungen von Senegalesen oder Ghanaern, die seit langem arbeiten, werden nicht mehr genehmigt.
Zu kritisieren ist, dass es kein angemessenes Bleiberecht für Menschen gibt, die schon lange hier leben, und sich gut integriert haben. Es greift bei Einzelpersonen erst ab acht Jahren. Es gibt leider keinen angemessenen Bonus für Integration in unserem Aufenthaltsrecht. Es wäre gut, positive Anreize zu schaffen!

Interkulturelle Öffnung
Interkulturelle Öffnung ist ein strategisches Vorgehen mit dem Ziel, die Integrationskompetenz der Einwanderungsgesellschaft zu erhöhen. Interkulturelle Öffnung richtet damit den Blick auf die aufnehmende Gesellschaft: Ziel ist es, dass Organisationen Zugangshindernisse für Migrantinnen und Migranten abbauen, die Vielfalt in der Gesellschaft unter Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern angemessen abbilden und ihre Beschäftigten befähigen, Menschen unterschiedlicher Herkunft wertschätzend und anerkennend zu begegnen.
Vor allem aber haben bisherige Erfahrungen gezeigt, dass im Verwaltungshandeln ein großes integrationsstrategisches Potenzial vorhanden ist. Dieses ist in Bayern noch ungenügend erschlossen. Daher ist es aus unserer Sicht unabdingbar, dass der öffentliche Dienst, aber auch die freie Wirtschaft sich interkulturell weiter öffnen.

Zusammen wohnen – Bezahlbarer Wohnraum für alle
In Bayern ist bezahlbarer Wohnraum seit Jahren vielerorts Mangelware. Steigende Mieten, mäßige Bautätigkeit im mittleren und unteren Preissegment und der damit einhergehende Verdrängungsprozess waren schon vor den steigenden Flüchtlingszahlen Realität in bayerischen Ballungsräumen. Die wohnungspolitischen Weichen wurden in Bayern im letzten Jahrzehnt falsch gestellt und die Finanzierung des sozialen Wohnungsbaus viel zu lange vernachlässigt.
Allein in Bayern hat sich die Zahl der Sozialwohnungen in den letzten 15 Jahren von 250.000 auf 130.000 nahezu halbiert. Und der Bestand schrumpft weiter. Mindestens 70.000 neu gebaute Wohnungen pro Jahr sind notwendig, um Geflüchteten ebenso wie andere Wohnungssuchenden günstigen Wohnraum zur Verfügung zu stellen und zu verhindern, dass es eine Konkurrenz zwischen Geflüchteten und einkommensschwachen Teilen der Bevölkerung gibt. Das stellt die Kommunen vor weitere Herausforderungen.
Daher ist der Staat gefragt, weitreichende Förderprogramme aufzulegen, die es den Kommunen ermöglichen, sozialen Wohnraum zu schaffen. Als erste Maßnahme hat der Bund die Mittel für die Wohnraumförderung um 500 Mio. Euro auf eine Milliarde in den nächsten vier Jahren erhöht. Diese Summe ist ein erster Schritt, reicht aber bei weitem nicht aus. Nötig wären mindestens zwei Milliarden Euro im Jahr.
Mit dem „Wohnungspakt Bayern“ hat die Staatsregierung für 2016 das Fördervolumen für preisgünstigen Wohnraum im Freistaat auf ca. 600 Mio. Euro (inklusive der Bundesmittel) angehoben. Bis 2019 sollen auf diesem Wege 28.000 neue staatlich finanzierte oder geförderte Mietwohnungen entstehen. Das reicht aus unserer Sicht nicht aus.
Wir fordern die Staatsregierung auf, den Wohnungspakt Bayern finanziell entsprechend auszustatten, um den absehbaren höheren Bedarf an bezahlbaren Wohnungen zu befriedigen.
Das im Rahmen des Wohnungspakts aufgelegte Sofortprogramm sowie das kommunale
Förderprogramm zur Schaffung von Wohnraum sollte nicht allein auf anerkannte Geflüchtete ausgerichtet sein, sondern allen Sozialwohnraumberechtigten, sowie Geduldeten und Flüchtlingen im Asylverfahren zur Verfügung stehen, um soziale Konkurrenz zu verhindern und einer Ghettobildung in den Wohnquartieren entgegenzuwirken.
Es dürfen keine Flüchtlings-Siedlungen im Nirgendwo entstehen.
Wir brauchen gemischte Stadtviertel mit guter Nahverkehrsanbindung, Schulen und Arbeitsplätzen. Schließlich sind vor allem dort Integrationschancen gegeben und es sollen Stadtteile für Jahrzehnte entstehen, die heuteund in Zukunft lebenswert sind.
Wir dürfen die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen. Anonyme Siedlungen am Stadtrand sind nicht die Zukunft unserer Städte. Vielerorts stehen gerade im ländlichen Raum Wohnungen leer. Das können wir in der aktuellen Situation nicht länger ignorieren. Um die Wohnungen nutzen zu können, braucht es in den Kommunen Einrichtungen, die als Börsen zur Wohnraumvermittlung fungieren.
Wir fordern den Freistaat auf, mit entsprechenden Projektmitteln Wohnraumvermittlungen in den Kommunen zu unterstützen.
Um alle Bevölkerungsgruppen in Bayern dauerhaft mit bezahlbarem Wohnraum zu versorgen, braucht es eine konzertiere Aktion aller politischen Ebenen und wohnungspolitischen Akteure. Nur so kann dem sozialen Wohnungsbau neues Leben eingehaucht werden. Wir fordern daher:
– Schaffung von 70.000 neuen Wohnungen vor allem im unteren und mittleren Preissegment pro Jahr und entsprechende Anhebung und Verstetigung der Landesmittel zur Wohnraumförderung auf das Niveau der 1990er-Jahre
– Aufstockung der Kompensationszahlungen des Bundes für die Wohnraumförderung von einer auf mindestens 2 Milliarden Euro
– Erhöhung der Städtebauförderung zur Stärkung des sozialen Zusammenhalts auf Bundes- und Landesebene
– Erhebung des Bedarfs an bezahlbarem Wohnraum in den Kommunen und Unterstützung bei der Erstellung von Leerstandskatastern
– Ausweitung des kommunalen und genossenschaftlichen Mietwohnungsbaus im Bereich belegungsgebundener Wohnungen, um dauerhaft preisgünstigen Wohnraum zu schaffen
– Förderung des Erwerbs von Belegungsbindungen für die Wohnraumversorgung Einkommensschwächerer als kostengünstige Alternative zum Bau von Sozialwohnungen
– Überprüfung von kostentreibenden Baustandards und -vorschriften wie beispielsweise bei den Stellplätzen
– Verbesserung der steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten, um mehr privates Kapital für den Wohnungsbau zu generieren unter der Voraussetzung, dass damit Mietwohnungen auf Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt finanziert werden.

Gesundheitliche Versorgung sicherstellen
Migrantinnen und Migranten profitieren oft zu wenig von den Möglichkeiten der Versorgung und Prävention im Gesundheitsbereich. Dies liegt zum Teil an sprachlichen und kulturellen Hürden.
Die kulturellen und religiösen Erfahrungen von Patientinnen und Patienten beeinflussen ihre Bedürfnisse hinsichtlich Therapie, Pflege, seelsorgerischer Angebote oder Essensangeboten etc.
Besonders vulnerable Gruppen sind Zuwanderer und Zuwanderinnen ohne ausreichenden Krankenversicherungsschutz sowie Flüchtlinge und Asylsuchende.
Die Flüchtlingssituation stellt unser Gesundheitswesen derzeit vor erhebliche Herausforderungen.
Ein großer Teil der Erwachsenen sowie der Kinder und Jugendlichen, die in Deutschland Asyl suchen, leidet infolge der Erlebnisse im Herkunftsland und auf der Flucht unter schwerwiegenden und dringend behandlungsbedürftigen körperlichen sowie vor allem psychischen Belastungen. Sie haben während der ersten 15 Monate in Deutschland keinen direkten Zugang zur Gesundheitsversorgung und lediglich Anspruch auf solche medizinischen Leistungen, die als unerlässlich für die akute Gesundheit angesehen werden. Auch nach Ablauf der 15 Monate haben es Asylsuchende oft schwer, eine entsprechende Therapie zu bekommen.
Wir wollen die bayerischen Kommunen und die Leistungserbringer von unnötiger Bürokratie entlasten und gleichzeitig sicherstellen, deshalb fordern wir die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte, dass Asylsuchende mit ihren Erkrankungen nicht alleine gelassen werden. Dabei spielt der Zugang zur psychotherapeutischen und psychiatrischen Versorgung für traumatisierte Flüchtlinge eine wichtige Rolle, nicht zuletzt für ihre erfolgreiche Integration in die Gesellschaft sowie in den Arbeitsmarkt.
Wir setzen uns deshalb dafür ein, dass spezialisierte psychosoziale und psychotherapeutische Angebote und Fortbildungen ausgebaut und finanziert werden und die Erreichbarkeit von Dolmetscherleistungen verbessert wird.
Wir wollen die interkulturelle Öffnung im Gesundheits- und Pflegebereich verstärken. Das Gesundheitswesen steht vor der Herausforderung, zeitgemäße Antworten auf die gesellschaftliche, religiöse, kulturelle und sprachliche Vielfalt zu geben. Die zu uns kommenden Menschen sind aber auch eine Chance für unser Gesundheitssystem: Sie sind sowohl als Patientinnen und Patienten wie auch als Beschäftigte im Gesundheitswesen und in der Versorgung von Pflegebedürftigen präsent.

Gemeinsamen Dialog über Religionen und Weltanschauungen intensivieren
In einer religiös und weltanschaulich zunehmend pluralistischen Gesellschaft werden Räume für den Dialog über vermeintlich bestehende Grenzen hinweg immer wichtiger. Für ein friedliches Miteinander braucht es Reflexion, Wissen und Diskussionen über unterschiedliche Religionen und Weltanschauungen. Nicht zuletzt die Ereignisse und Entwicklungen der vergangenen Monate haben uns schmerzhaft vor Augen geführt, dass wir dem interreligiösen Dialog und der gemeinsamen (auch kritischen) Verständigung über das Thema Religion mehr Bedeutung beimessen und gesellschaftlichen Raum zugestehen sollten.
Sowohl die wachsende Islamfeindlichkeit und die damit einhergehende Instrumentalisierung vermeintlich „christlich-abendländischer“ Werte, als auch die Anziehungskraft, die fundamentalistische (Hass-)Prediger und Ideologien auf junge Menschen ausüben, zeugen von einem Mangel an Wissen über Religion in unserer Gesellschaft. Umso wichtiger ist es, die Kenntnis – und damit auch das Verständnis – über religiöse und weltanschauliche Grenzen hinweg zu befördern.
Unseren Bildungseinrichtungen kommt hierbei eine ganz entscheidende Funktion zu. Dort gilt es, die Grundlagen für ein offenes, dialogbereites und friedliches gesellschaftliches Miteinander zu vermitteln und einen Bezug zur Lebenswirklichkeit der SchülerInnen und LehrerInnen herzustellen. Ergänzend zu den bestehenden konfessionellen Angeboten fordern wir daher mehr Raum für die religionskundliche Bildung an den bayerischen Schulen, um sich dem Thema Religion aus einer gemeinsamen, neutralen und kulturwissenschaftlichen Perspektive zu nähern.
Religiöse Vielfalt gehört in Bayern zur Lebenswirklichkeit. Fehlende Anerkennung und Unkenntnis insbesondere der Vielfalt an islamischen Traditionen und Religionsgemeinschaften führen zu Missverständnissen und Ausgrenzung. Die verfassungsmäßig gebotene Gleichstellung des Islam mit anderen Religionsgemeinschaften – insbesondere im Bereich des Religionsunterrichts oder bei den Regelungen des Bestattungsrechts – ist in Bayern noch immer überfällig. Einen Dialog auf Augenhöhe verweigert die CSU – Regierung den muslimischen Verbänden bis heute. Diese kurzsichtige, verfassungs- und integrationsfeindliche Politik der Ausgrenzung muss endlich ein Ende haben. Nur im Dialog mit den Religionsgemeinschaften, die schon jetzt einen unverzichtbaren Beitrag zur Integration und Teilhabe von Menschen mit und ohne Migrationshintergrund leisten, kann Integration gelingen.

MigrantInnenorganisationen stärken – Zivilgesellschaft stärken
Um die gesellschaftliche Teilhabe der Menschen mit Migrationshintergrund zu stärken, müssen die MigrantInnenorganisationen mehr Unterstützung erhalten, denn sie sind zu wichtigen gesellschaftlichen und sozialstaatlichen Akteuren, aber auch zu Ansprechpartnern der Politik geworden. Die Organisationen arbeiten vielfach unter schwierigen Strukturbedingungen: Es mangelt vor allem an einer finanziellen Ausstattung, mit der sie ihre Arbeit professionalisieren und nachhaltig sichern können, etwa durch festes Personal. Sie sind überwiegend auf das ehrenamtliche Engagement ihrer Mitglieder angewiesen. Dadurch haben die Mitarbeiter zu wenig Kapazitäten, um sich methodische Instrumente und Konzepte anzueignen oder ihre Arbeit in ein systematisches Qualitätsmanagement einzubetten. Das Wichtigste ist, dass die Organisationen künftig stärker in die Entwicklung professioneller und nachhaltiger Arbeitsstrukturen investieren können. Dafür benötigen sie eine ausreichende finanzielle Ausstattung. Dringend erforderlich ist deshalb eine kontinuierliche institutionelle Förderung, zu der MigrantInnenorganisationen auf allen Ebenen Zugang haben. Politik und Verwaltung sollten den Aufbau solcher tragfähigen Finanzierungsstrukturen unterstützen, indem sie feste Anlaufstellen schaffen, wo MigrantInnenorganisationen sich zu solchen Fragen beraten lassen können.
Auf der anderen Seite bedarf es der interkulturellen Öffnung der Vereine und Verbände.
Es fehlen kultursensible Angebote, die sich an den Bedürfnissen von Migrantinnen und Migranten orientieren. Um mehr Mitglieder und ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Zuwanderungsgeschichte zu gewinnen, müssen die Vereine und Verbände in Bayern sich für neue Gruppen öffnen und ihre Strategien ändern, sprich sie müssen selbst aktiv werden. Es bedarf neben interkulturellen Schulungen auch struktureller Maßnahmen im Sinne einer zukunftsorientierten Organisationsentwicklung und einer interkulturell sensiblen Öffentlichkeitsarbeit. Integration braucht politische Partizipation. Eine demokratische Gesellschaft hat nur dann eine Zukunft, wenn alle Menschen sich aktiv an ihr beteiligen. Die Förderung der politischen Partizipation von Menschen mit Migrationshintergrund liegt also im ureigensten Interesse unserer Gesellschaft. Es ist daher auch wichtig, dass die Menschen mit Migrationshintergrund möglichstschnell deutsche Staatsbürger werden. Die Erhöhung der Einbürgerungszahlen ist ein wichtiges Ziel.

Fremdenfeindlichkeit und Rassismus bekämpfen
Fremdenfeindlichkeit effektiv entgegenzuwirken ist unabdingbare Voraussetzung für die Bekämpfung von Rechtsradikalismus. Eindämmung von Fremdenfeindlichkeit bedeutet, die Integrationsfähigkeit der Aufnahmegesellschaft zu stärken. Wir wollen die Menschen befähigen, Vielfalt als positives Element einer Gesellschaft wahrzunehmen. Das Verständnis für andere Kulturen ist in einer globalen Welt ein wesentlicher Bestandteil zur Wahrung des inneren und äußeren Friedens. Deshalb muss rechtsradikales Handeln und Gedankengut konsequent geächtet werden. Polizei und Justiz sind für die Wahrnehmung von rechtsextremer Gewalt und Rassismus zu sensibilisieren. Das Handlungskonzept gegen Rechtsextremismus muss unter Einbeziehung von Wissenschaft und Zivilgesellschaft endlich evaluiert und weiterentwickelt werden. Außerdem müssen Präventions- und Bildungsmaßnahmen zur Bekämpfung von Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus und allen weiteren Formen Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit deutlich intensiviert werden – insbesondere die Angebote zur schulischen und außerschulischen Demokratiebildung müssen gestärkt werden. Bayern braucht ein Förder- und Aktionsprogramm zur Unterstützung zivilgesellschaftlicher Initiativen, die sich in diesem Bereich engagieren. Wir fordern eine eigenständige Opferberatung für Opfer rechtsextremer und rassistischer Gewalt, sowie eine weisungsunabhängige Bayerische Antidiskriminierungsstellen.

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Hier finden Sie unsere Resolution in Form einer gelayouteten pdf-Datei.