18. Mai 2012

Schwarz-gelb setzt die Energiewende in den Sand – Unterlagen der Pressekonferenz

Grüne ziehen Bilanz und benennen die wichtigsten Baustellen in der bayerischen Energiepolitik

Im Mai 2012 hat die Bayerische Staatsregierung das Energiekonzept „Energie innovativ“ vorgelegt und damit nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima eine komplette Kehrtwende ihrer bisherigen Energiepolitik eingeleitet. Für die Staatsregierung war die Energiewende, eine zentrale Forderung der Grünen seit ihrer Gründung, bis dahin unsinnig und unrealistisch gewesen. So erklärte der Vorsitzende der Enquete-Kommission „Mit neuer Energie in das neue Jahrtausend“, Dr. Markus Söder, noch im Jahr 2003 bei der damaligen Abschlussdebatte im Plenum des Bayerischen Landtags:

„Die Mehrheit der Experten hat als ganz wichtig festgestellt: In Bayern ist nicht etwa eine Energiewende nötig, es ist nicht eine grundsätzliche Abkehr von den Leitlinien unserer Politik notwendig, ganz im Gegenteil, der bayerische Energiemix hat seine Bestätigung gefunden. Die Fakten belegen es auch, und es wäre unvernünftig und unklug dies zu ignorieren.“

Doch nach Fukushima schwenkte die schwarz-gelbe Staatsregierung um 180 Grad um machte sich zu Eigen, was die Grünen bereits seit den 80-er Jahren gefordert hatten: Schon 1989 hatten die Grünen in ihrer ersten Legislaturperiode im Landtag ein Bayerisches Energiewendegesetz eingebracht. Damals scheiterte an der CSU-Mehrheit, was heute von der Staatsregierung geplant wird: jährliche Energieberichte, Förderung der Wärmedämmung, kommunale Energiekonzepte, regionale Energieagenturen, Bürgerbeteiligung, usw. (LT-Drs. Nr. 11/12316).

Und die schwarz-gelbe Bunderegierung stoppte ihren noch wenige Monate vorher beschlossenen Ausstieg aus dem Ausstieg und schwenkte in weiten Teilen auf die unter rot-grün eingeleitete Energiewende ein.

Ein Jahr nach der schwarz-gelben Energiewende

Dass sich CSU und FDP endlich von ihrer Forderung nach längeren Laufzeiten für Atomkraftwerke verabschiedeten, ist sicher der bislang nachhaltigste Erfolg der Energiewende. Durch die Abschaltung der acht unsichersten AKW wurde das nukleare Gefährdungspotenzial in Deutschland mehr als halbiert. In Bayern wurde der Risikoreaktor Isar 1 endlich vom Netz genommen. Aber auch energiewirtschaftlich war dies von erheblicher Bedeutung. Mit der Abschaltung von über 8000 MW Atomkraft wurde endlich Platz gemacht für neue Energietechnologien. Denn immer häufiger verstopfte billiger Atomstrom die Netze und verhinderte die Einspeisung von erneuerbarem Strom aus Windkraft oder Biogas.

Die Abschaltung von acht Atomkraftwerken beendete aber auch das jahrelange Märchen von der drohenden Stromlücke. Auch ohne diese AKW’s kam Deutschland gut durch den Winter. An den kältesten Tagen im Jahr konnte sogar unser atomabhängiger Nachbar Frankreich unterstützt werden. Insgesamt gab es nur wenige Tage im Jahr tatsächlichen Engpass bei den Kraftwerkskapazitäten. Im weit überwiegenden Teil des Jahres gibt es massive Überkapazitäten im Kraftwerksbereich. Dies ist ein wesentlicher Grund dafür, dass die Strompreise an der Strombörse in Leipzig weiter gesunken sind, und auch deutlich niedriger sind, als etwa in Frankreich.

Darüber hinaus hat die angekündigte Energiewende in weiten Teilen der Gesellschaft eine große Dynamik im Bereich der Erneuerbaren Energien ausgelöst. In vielen Kommunen herrscht Aufbruchstimmung angesichts der aufgelösten Blockadehaltung der Regierung. Energieversorgung wird wesentlicher Teil der Kommunalpolitik. Bürgergenossenschaften entstehen, neue Stadtwerke werden gegründet, lokale Banken unterstützen die Energiewende in der Region. Dieses Engagement vor Ort ist derzeit der wesentliche Motor für den Ausbau der Erneuerbaren Energien in unserem Land und wird zu großen Teilen von den Bürgerinnen und Bürgern getragen.

Von Worten und Taten – wo hängt die Energiewende in Bayern?

Doch die Politik der Bayerischen Staatsregierung ist nach den vollmundigen Ankündigungen des Mai 2011 auf dem besten Wege, diese Aufbruchstimmung zu verspielen und die Energiewende in den Sand zu setzen.

Woran hakt und hängt es nach einem Jahr angekündigter Energiewende?

1.    Sonnenfinsternis für die Photovoltaik?

Ausgerechnet der bisherige Motor der Energiewende, das Erneuerbare Energiengesetz, avanciert zum dauerhaften Lieblingsdestruktionsobjekt der Bayerischen Staatsregierung. Und ausgerechnet Bayern, das wie kaum ein anderes Bundesland bisher vom Boom der Photovoltaik profitiert hat, hat im Bundesrat für eine radikalen Kürzung bei den Fördersätzen für Solaranlagen gestimmt. Durch den massiven Widerstand der rot-grünen Bundesländer im Verbund mit unionsgeführten Ländern eröffnet sich nun im Vermittlungsausschuss die Chance, etwas mehr Vernunft in den vorgelegten Gesetzestext einzubringen. Für uns Grüne ist es wichtig, dass

–       der ursprünglich beschlossene Ausbaukorridor von 3500 MW PV-Leistung pro Jahr als Zielsetzung wieder ins Gesetz aufgenommen wird,

–       dass insbesondere in der Vergütungsklasse 10 bis 100 kW-Anlagen die Absenkung auf 18,5 Cent/kWh beschränkt wird,

–       das teure und wirkungslose „Marktintegrationsmodell“ aufgegeben wird

–       und die erweiterten Befreiungen von der EEG-Umlage für die Industrie wieder zurückgenommen werden.

Zweifellos kann der Ausbau der Photovoltaik wie in den Jahren 2010 und 2011 mit 7500 MW/Jahr nicht so fortgesetzt werden. Es muss eine Verstetigung und eine Planbarkeit beim Ausbau geschaffen werden.

Die Staatsregierung hat sich in dieser Frage leider nur destruktiv verhalten. Bei der Debatte im Bundesrat gab es keine konstruktiven Vorschläge Bayerns, selbst als schon absehbar war, dass viele – auch unionsgeführte – Länder diesen Kahlschlag bei der Photovoltaik nicht mitmachen werden. So stellte sich Bayern zusammen mit drei anderen Bundesländern alleine in die Ecke.

Stattdessen legen Seehofer und Zeil nun endgültig die Axt am EEG an. Der Ministerpräsident hat eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die ein völlig neues EEG ausarbeiten soll – unter dem zweifelhaften Fachverstand des Generalsekretärs Alexander Dobrindt. Der generelle Einspeisevorrang und die kostendeckenden Vergütungssätze, wesentliche Erfolgsbausteine des EEG, drohen nun unter die Räder zu kommen.

2.    Windenergie – halbherziger Aktionismus

Der Ausbau der Windenergie wurde von der Staatsregierung in den letzten Jahren sträflich vernachlässigt, wenn nicht sogar willentlich blockiert, mit dem Argument, in Bayern wehe nicht genügend Wind. Erst nach dem Ausruf der Energiewende haben Seehofer & Co. erkannt, dass Windkraftanlagen auch in Bayern ökonomisch betrieben werden können. Daraufhin bemühte man sich, den Ausbau in Bayern voranzutreiben. Mittlerweile hat die Staatsregierung einen umfangreichen Winderlass sowie die interaktive Karte „Gebietskulisse Windkraft“ herausgegeben, die den Kommunen und anderen Projektierern die Planung und Realisierung von Windanlagen erleichtern sollte.

Diese groß angekündigten Planungshilfen erweisen sich aber bei näherer Betrachtung als nichts anderes als altes Material, das nur neu verpackt wurde. So basieren sämtliche Datenerhebungen und Empfehlungen auf dem fehlerhaften und zu Recht oft kritisierten Windatlas von 2010. Das hat zur Folge, dass viele in der Gebietskulisse empfohlenen Standorte mangels Wind möglicherweise gar nicht genutzt werden können und andererseits windhöffige Gebiete von vornherein ausgeschlossen werden. Insgeheim muss sich die Staatsregierung dessen aber bewusst sein, hat sie doch bereits letztes Jahr angekündigt, einen neuen Windatlas in Auftrag zu geben, der Mitte 2012 vorliegen wird. Erst kürzlich wurde der Erscheinungstermin erneut nach hinten auf Ende 2012 verschoben. Zum Vergleich: Im vormals schwarz-gelben Baden-Württemberg hat es gerade mal ein halbes Jahr gedauert bis nach dem Entschluss der Landesregierung ein neuer und vielbeachteter Windatlas vorlag. Dies belegt ein weiteres Mal, wie es um das tatsächliche Engagement der Staatsregierung bestellt ist.

Neben unserer Forderung nach einer schnellen Veröffentlichung eines neuen Atlas halten wir es für dringend notwendig, die Informationen in der „Gebietskulisse“ auszubauen, damit sie wirklich die Planung erleichtert. So fehlen beispielsweise Informationen über zivile und militärische Beschränkungen durch Flugbewegungen und Radar oder allgemeine Richtlinien zur Bewertung der Landschaftswertstufen. Außerdem werden die Punkte Bürgerbeteiligung und Akzeptanzförderung im Erlass bestenfalls gestreift. Es ist die Rede von einer größtmöglichen Transparenz. Eine tatsächliche Hilfestellung oder Strategie zur Akzeptanzförderung fehlt. Vorzustellen wäre unseres Erachtens etwa eine Empfehlung an die Kommunen, bei der Bereitstellung von Gemeindegebiet darauf zu achten, mögliche Investoren zu einem Geschäftsmodell zu verpflichten, bei dem sich die Anwohnerinnen und Anwohner finanziell beteiligen können. Schließlich gilt es auch, die pauschalen Formulierungen in den artenschutzrechtlichen Vorgaben zu überdenken.

3.    Übertragungsnetzausbau Thüringen-Strombrücke – Bayern ist in Verzug

Wenn es um den nötigen Ausbau des Übertragungsnetzes in Deutschland geht, gibt es aktuell in Bayern nur ein dringliches Projekt: die Verbindung zwischen Thüringen und Oberfranken. Und bei dieser Leitung geht wenig voran – vor allem auf der bayerischen Seite. Der erste Teilabschnitt von Sachsen-Anhalt nach Thüringen ging bereits 2008 in Betrieb. Beim zweiten Teilabschnitt innerhalb Thüringens wurde das Planfeststellungsverfahren im Februar 2012 abgeschlossen. Beim dritten Teilabschnitt von Thüringen nach Bayern ist das Planfeststellungverfahren noch nicht einmal eröffnet.

Es sind also nicht die oft zitierten Bürgerwiderstände, die dieses Projekt bisher verzögert haben, sondern der lustlose Netzbetreiber Tennet, der an dieser Leitung kein ökonomisches Interesse hat und eine Staatsregierung, die bisher nichts Erfolgreiches unternommen hat, um das Verfahren zu beschleunigen. Erst im April dieses Jahres haben CSU und FDP im Landtag unseren Vorschlag nach einem „Runden Tisch“ abgelehnt, der außerhalb der verfahrensrechtlichen Fragen alle Betroffenen an einen Tisch holen sollte, abgelehnt. Wirtschaftsminister Zeil hat jüngst sogar die Abschaltung des Atomkraftwerks Grafenrheinfeld im Jahr 2015 mit der Fertigstellung dieser Leitung verknüpft – allerdings ohne den Hauch einer substanziellen Begründung.

Richtig ist allerdings, dass eine weitere Verzögerung dieser Leitung dazu führen kann, dass in Ostdeutschland produzierter Windstrom nicht nach Süden und Solarstrom aus dem Süden nicht nach Ostdeutschland transportiert werden kann. Für die Landtagsfraktion ist die Notwendigkeit dieser Trasse unstrittig. Wir Grüne verlangen von der Staatsregierung eine deutliche Ansage in Richtung des Netzbetreibers Tennet zur Beschleunigung des Projekts, eine frühzeitige und umfassende Bürgerbeteiligung bei der Trassenfestlegung und eine Unterstützung der Genehmigungsbehörden für eine zügige Bearbeitung der Anträge.

4.    Stromspeicher – weiter im Verzug

Trotz seiner geographisch bevorzugten Lage ist Bayern unterdurchschnittlich mit Pumpspeicherkraftwerken ausgestattet. Weniger als 10 % der deutschen Pumpspeicherkapazitäten sind in Bayern installiert.

Wenigstens hat die Staatsregierung unserer Forderung nach einem Pumpspeicherkataster inzwischen nachgegeben, und die Energieagentur damit beauftragt geeignete Standorte auszuwählen.

Grundsätzlich sind die ökonomischen Perspektiven für die Stromspeicher aktuell schwierig. Erst durch weitere Stilllegungen von alten Kraftwerken und dem Ausbau der volatilen Energieformen Wind und Sonne wird sich deren Rentabilität wieder verbessern. Dies ist für uns ein zusätzlicher Grund, den Atomausstieg zu beschleunigen und bei den Erneuerbaren Energien nicht auf die Bremse zu steigen.

5.    Tatenlosigkeit beim Lastmanagement

Erst vor wenigen Wochen wurde eine vom Bayerischen Wirtschaftsministerium beauftragte Studie präsentiert, aus der wieder deutlich hervorging, dass ein großer Kraftwerkspark nur für wenige Stunden vorgehalten werden muss. Allein in Bayern werden 600 MW Kraftwerksleistung weniger als 21 Stunden im Jahr benötigt (Zahlen für 2010). Es ist naheliegend, dass es nicht sinnvoll sein kann, für diese 21 Stunden eigene Kraftwerksleistungen vorzuhalten. Viel kostengünstiger wäre es, mit Stromgroßverbrauchern über eine kurzfristige Verlagerungsmöglichkeit von Stromverbrauch innerhalb dieser 21 Stunden zu verhandeln. Dafür kämen z.B. große Kühlhäuser in Frage, die meist problemlos einige Stunden mit niedriger Last betrieben werden können, aber auch energieintensive Industrien wie die Papier- oder Zementherstellung und hoch automatisierte Produktionsprozesse.

Die Staatsregierung lässt in diesem Bereich bisher jede Aktivität vermissen. Dabei ist die Zahl der Stromgroßverbraucher in Bayern relativ überschaubar. Man könnte beispielsweise die Bereitschaft zum Lastmanagement als verbindliches Kriterium für den Umweltpakt aufnehmen oder für einen der vielen anderen „Pakte“, wie der Bayerischen Klimaallianz, etc. oder eine Selbstverpflichtung der Bayerischen Wirtschaft initiieren.

6.    Ideenlosigkeit bei den Gaskraftwerke und dem Kapazitätsmechanismus

Aber stattdessen wird beständig darüber gejammert, dass ein Neubau von Gaskraftwerken mit insgesamt 4000 MW Leistung nötig wäre. Bis heute kann die Staatsregierung keine schlüssige Argumentation vorlegen, wie sie zu dieser Zahl gelangt. Die bayerische Energieagentur ist jetzt beauftragt, nachträglich eine Begründung für diese politisch festgelegte Zahl zu finden. Unserer Ansicht nach ist diese Zahl deutlich zu hoch. Sie ignoriert die Mechanismen eines deutschen und zunehmend europäischen Strommarkts. Billiger Strom aus Deutschland oder aus anderen Ländern würde zwangsläufig die Rentabilität von 4000 MW neuer Gaskraftwerke unterminieren.

Ein gewichtiges Potenzial, das von der Staatsregierung vollkommen ignoriert wird, ist dabei die Kraft-Wärme-Kopplung (KWK). Auch hier fehlt jede Initiative. Die Produktpalette reicht hier von Mikro- bzw. Mini-Blockheizkraftwerken im Gebäudebereich, über Nahwärmesysteme bei den Stadtwerken bis hin zur industriellen KWK. Der Vorteil dieser Anlagen besteht nicht zuletzt darin, dass durch die „Zusatznutzung“ der Wärme diese Kraftwerke weniger in der Konkurrenz zu anderem „Billigstrom“ aus dem Strommarkt stehen. Da die KWK-Anlagen naturgemäß auch vorrangig im Winter betrieben werden, würden sie damit auch einen wesentlichen Teil zur Deckung der „Winterspitzen“ im Stromverbrauch leisten. Die Kombination aus Lastmanagementmaßnahmen, neuen KWK-Anlagen und dem durch den Strommarkt betriebenen Strombezug aus anderen Teilen Deutschlands wird den Bedarf an neuen Gaskraftwerken in Bayern deutlich niedriger ausfallen lassen.

Eng damit verbunden ist die nun auch in Bayern ankommende Diskussion um so genannte Kapazitätsmechanismen. Mittelfristig werden in einem Übergangsszenario zu einer Energieversorgung mit 100 % Erneuerbaren Energien mehrere Jahre bis Jahrzehnte flexible Kraftwerke benötigt, die dann zum Zug kommen, wenn die schwankende Wind- und Sonnenenergie nicht zur Verfügung steht und die Speicherkapazitäten noch nicht ausgebaut sind. Da sich dieses Szenario nur schwer prognostizieren lässt, fehlt es an Investitionsanreizen. Diese werden unter dem Oberbegriff Kapazitätsmechanismen zusammengefasst. Dabei werden derzeit verschiedene Ideen verbreitet, von einer Bezuschussung der Investition in neue Gaskraftwerke, über die befristete Zahlung eines Bereitstellungsentgelts bis zum neuesten Vorschlag von Finanzminister Söder für eine erhöhte Abschreibung für Gaskraftwerke. Bei der Kabinettssitzung am Dienstag kam es in dieser Frage zu keiner Einigkeit, genauer gesagt zum Formelkompromiss „Berlin muss was tun“.

Unserer Ansicht nach ist die Einführung eines Kapazitätsmechanismus mittelfristig unumgänglich und daher eine Debatte über dessen Ausgestaltung dringend. Wir haben dabei klare Vorstellungen. Der Kapazitätsmechanismus sollte sich nicht auf Erdgaskraftwerke beschränken, sondern er muss ebenso Speichertechnologien und steuerbare Lasten berücksichtigen, möglicherweise sogar bevorzugen, da sie in der Regel die klimaschonendere Alternative sein werden. Weiter sollte der Kapazitätsmechanismus nach weiteren ökologischen Kriterien ausgestaltet werden, z.B. sind Wirkungsgrad, Kraft-Wärme-Kopplung, CO2-Emissionen zu berücksichtigen. Zusätzlich sind regionale Komponenten zu berücksichtigen, insbesondere ist es notwendig den Bau so zu steuern, dass die Kraftwerke an den Engpässen der Netzstabilität errichtet werden. Wichtig ist es, dass dieser Kapazitätsmechanismus möglichst wettbewerblich gestaltet wird.

Daher ist der Ansatz von Finanzminister Söder einer erhöhten steuerlichen Abschreibung vollkommen falsch, weil er keinerlei ökologische und regionale Komponenten berücksichtigt. Dem gegenüber hat das Auktionsmodell, das beispielsweise im LBD-Gutachten des baden-württembergischen Umweltministeriums vom Dezember 2011 beschrieben ist deutliche Vorteile.

7.    Schwarz-gelbe Energiewende – neuer Wein in alten Schläuchen

Ein wesentlicher Grund warum die Energiewende im Freistaat nicht schnell genug vorankommt, liegt darin, dass die Energiepolitik sowohl in der Spitze, als auch auf der Arbeitsebene im Grunde von den gleichen Personen gemanagt werden soll, nur in leicht veränderten Strukturen. Ein Haupthindernis liegt sicher im Wirtschaftsministerium. Keine Woche vergeht, in der der Wirtschaftsminister nicht über auftretende Probleme der Energiewende schwadroniert, anstatt Lösungsvorschläge anzubieten. Die leitenden Personen in der Energieabteilung haben noch im vorletzten Jahr gegen die Energiewende argumentiert. Eine personelle Erneuerung hat nicht stattgefunden.

Auch die Energieagentur „energie innovativ“ besteht in ihrem Kern und an den zentralen Stellen aus Ministerialbeamten, die nur aus anderen Ministerien zusammengewürfelt wurden. Gleichzeitig ist die Energieagentur in ein enges Korsett eingezwängt. Anders als die Energieagenturen in anderen Ländern oder Kommunen ist sie nämlich nur ein eigenes Referat innerhalb des Wirtschaftsministeriums und dabei nicht einmal eine Stabsabteilung, sondern in der Hierarchie des Wirtschaftsministeriums ganz unten angesiedelt. Parallel wird sie von einem Lenkungsausschuss geleitet, bestehend aus sechs Ministern die darum bemüht sind, dass ja auch ihre Aktivitäten in den Vordergrund gestellt werden. Und zur weiteren Kontrolle gibt es noch einen zwanzigköpfigen Beirat, bei dem auch wieder sieben verschiedene Ministerien vertreten sind.

Fazit

Die schwarz-gelbe Kehrtwende in der Energiepolitik hat endlich die unsinnige Laufzeitverlängerung für AKWs gestoppt und zur Stilllegung von acht alten Reaktoren geführt. Weil Union und FDP ihre offizielle Blockadehaltung aufgegeben haben, wurde eine enorme Dynamik in der Gesellschaft ausgelöst, die Energiewende anzupacken.

Nach einem Jahr muss man aber feststellen, dass der Staatsregierung der Mut fehlt, um tatsächlich etwas Neues zu initiieren. Kurzfristig geht man daran, den bisherigen Motor der Energiewende, das Erneuerbare-Energien-Gesetz, zu zerstören und stümpert bei der Windenergie. Für den mittelfristig dringend anstehenden Projekte Netzausbau, Lastmanagement, Ersatzkraftwerke, Kapazitätsmechanismen fehlen Ideen, Konzepte und Engagement.

Der aus Bayern vorgetragene „Weckruf nach Berlin“ ist ein durchsichtiges Ablenkungsmanöver. Denn die Bayerische Staatsregierung hat keine konkrete Idee davon, was in Berlin eigentlich gemacht werden sollte. Und in Berlin regieren schließlich die gleichen Parteien, mit den ähnlichen Problemen personeller, struktureller und inhaltlicher Art. Es wird deshalb höchste Zeit, die Energiewende konsequent anzupacken – im Bund wie auch in Bayern.

Stand: 18.05.2012

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Anbei finden Sie den Text im Originallayout der Pressekonferenz und die darin benannten Unterlagen als pdf-Dateien hinterlegt.

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