22. Dezember 2016

Nachlassimmobilien im Besitz des Freistaats Bayern

Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Ludwig Hartmann und Jürgen Mistol, Bündnis 90/Die Grünen, vom 17.10.2016, mit den Antworten des Staatsministers der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat, Dr. Markus Söder, vom 22.12.2016 (kursiv dargestellt)

Infolge testamentarischer Festlegung oder auf Grundlage des gesetzlichen Erbrechts des Staates (§ 1936 BGB) fallen dem Freistaat Bayern jährlich eine Vielzahl an Immobilien zu. Für den Freistaat stellt dies häufig eine finanzielle Belastung dar. In vielen Kommunen – vor allem in Nordbayern – beeinträchtigen leer stehende Häuserruinen vielfach die Ortsentwicklung, mindern den Wert der Immobilien in der Umgebung und belasten das Ortsbild.

In diesem Zusammenhang fragen wir die Staatsregierung

1. a) Wie viele Nachlassimmobilien sind dem Freistaat aufgrund des § 1936 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) oder letztwilliger Verfügungen (bitte beide Voraussetzungen bei allen folgenden Fragen unterscheiden) in den Jahren 2006 bis 2015 zugefallen (bitte aufgeschlüsselt nach Lage der Immobilien: Regierungsbezirk, Landkreis bzw. kreisfreie Stadt, Gemeinde)?
zu 1. a): Alle Staatserbschaften des Freistaats Bayern (FB) werden zentral vom Landesamt für Finanzen (LfF) an der Dienststelle Würzburg abgewickelt. Nach einer aktuellen Auswertung des dort vorhandenen Datenbestandes sind dem Freistaat Bayern in den Jahren 2006 bis 2015 insgesamt 5.677 Nachlassimmobilien zugefallen, davon 5.607 im Rahmen des gesetzlichen Staatserbrechts nach § 1936 BGB und 70 Immobilien aufgrund letztwilliger Verfügungen der Erblasser, also durch Testament.
Zur Lage der Immobilien wird auf die beigefügten Tabellen in Anlage 1 a verwiesen. Aufgrund der entsprechenden Aufgabenstellung in Bezug auf Nachlassimmobilien wird im Datenbestand des LfF primär erfasst, welches Grundbuchamt für das jeweilige Grundstück örtlich zuständig ist, in welchem Amtsgerichtsbezirk also die Immobilie liegt. Zur Beantwortung der vorliegenden Schriftlichen Anfrage erfolgte eine räumliche Zuordnung zu Regierungsbezirken und Landkreisen bzw. kreisfreien Städten anhand der erfassten Gerichtsorte.
In den beiliegenden Tabellen wird stets zwischen gesetzlichem und testamentarischem Erbrecht differenziert.

1. b) Wo liegen diese in den Jahren 2006 bis 2015 zugefallenen Nachlassimmobilien jeweils (bitte nach räumlicher Gliederung Bayerns gemäß Landesentwicklungsprogramm – LEP – aufschlüsseln)?
zu 1. b): Die Lage der in den Jahren 2006 bis 2015 zugefallenen Nachlassimmobilien nach LEP-Regionen ist in den als Anlage 1 b beigefügten Übersichten dargestellt. Auch hier erfolgte die räumliche Zuordnung über die erfassten Gerichtsorte. Anhand des vorliegenden Datenbestandes konnte zudem nicht unterschieden werden zwischen Tirschenreuth mit oder ohne die der Region Oberfranken-Ost zugeordnete Gemeinde Waldershof sowie Kelheim mit oder ohne die der Region Landshut zugeordneten Gemeinden.

2. a) Wie viele der unter 1. aufgeführten Nachlassimmobilien befinden sich derzeit im Besitz des Freistaats?
zu 2. a): Nach dem Datenbestand des LfF befinden sich derzeit 2.262 der im Zeitraum von 2006 bis 2015 ererbten 5.677 Nachlassimmobilien im Besitz des Freistaats, davon 2.234
Immobilien aus gesetzlichen und 28 Immobilien aus testamentarischen Erbfällen (Stand 24. November 2016). Bei der Ermittlung wurden aus dem Gesamtbestand des LfF alle
Immobilien herausgenommen, die laut Datenbank verkauft wurden, für die im Rahmen eines Zwangsvollstreckungsverfahrens ein Zuschlag erteilt wurde oder die auf den Einzelplan 13, also auf den Grundstock, übertragen wurden (vgl. die entsprechenden Zahlen in Anlage 4). Mit der Übertragung auf den Grundstock verlieren die Immobilien ihre Klassifizierung als „Nachlassimmobilien“ und werden in eine Kategorie mit allen sonstigen im Besitz des Freistaats Bayern befindlichen Immobilien eingeordnet.

2. b) Wie lange befinden sich diese Immobilien bereits im Besitz des Freistaats (bitte aufgeschlüsselt nach Lage der Immobilien: Regierungsbezirk, Landkreis bzw. kreisfreie Stadt)?
zu 2. b): Wie lange geerbte Immobilien im Besitz des Freistaats verbleiben, hängt u. a. vom Zustand und von der Lage der Immobilie ab sowie von den Eigentumsverhältnissen und möglichen dinglichen Belastungen.
Eine Übersicht der Nachlassimmobilien im Bestand des LfF, die in den Jahren 2006 bis 2015 dem Freistaat Bayern zugefallen sind und weder verkauft, im Rahmen der Zwangsvollstreckung verwertet noch auf den Grundstock übertragen wurden, ist in Anlage 2 beigefügt und zwar aufgeschlüsselt nach Lage und Besitzdauer. Die Berechnung „im Bestand des LfF seit … Jahren“ gibt dabei die Differenz an zwischen dem aktuellen Jahr 2016 und dem Jahr der Anlage des Datensatzes.

3. a) Wo liegen die derzeit im Besitz des Freistaats befindlichen Nachlassimmobilien (bitte Regierungsbezirk, Landkreis bzw. kreisfreie Stadt und Gemeinde angeben)?
zu 3. a): Derzeit befinden sich nach dem Datenbestand des LfF insgesamt 3.037 Immobilien im Besitz des Freistaats Bayern (Stand 24. November 2014), davon 3.009 Immobilien aus gesetzlichen und 28 Immobilien aus testamentarischen Erbfällen.
Die regionale Verteilung des Immobilienbestandes ergibt sich aus der Anlage 3 a.

3. b) Wo liegen die derzeit im Besitz des Freistaats befindlichen Nachlassimmobilien (bitte nach räumlicher Gliederung Bayerns gemäß LEP aufschlüsseln)?
zu 3. b): Die Lage der derzeit im Besitz des Freistaats befindlichen Nachlassimmobilien nach LEP-Regionen ist in der Anlage 3 b dargestellt.

3. c) In welchem baulichen Zustand sind die Gebäude unter den im Besitz des Freistaats befindlichen Nachlassimmobilien (prozentuale Angabe nach Kategorien „sehr gut; gut; mittelmäßig; sanierungsbedürftig; sehr schlecht/abbruchreif“ ist ausreichend)?
zu 3. c): Der bauliche Zustand der im Besitz des Freistaats Bayern befindlichen Nachlassimmobilien wird statistisch nicht erfasst.

4. a) Wie viele der 2006 bis 2015 in den Besitz des Freistaats übergegangenen Nachlassimmobilien wurden saniert, abgerissen oder anderweitig baulich
verändert?
zu 4. a): Nach Ziffer 2.1.6 der Richtlinien über die Abwicklung von dem Freistaat Bayern als Erben oder Vermächtnisnehmer zufallendem Nachlassvermögen (Nachlassrichtlinien) vom 31. Januar 2003 sind Immobilien zu veräußern, soweit kein Staatsbedarf besteht. Es werden die Immobilien daher in dem Zustand veräußert, in dem sie dem Freistaat zufallen. Bauliche Veränderungen werden grundsätzlich nicht vorgenommen.
Bauliche Maßnahmen sind jedoch dann vorzunehmen, wenn dies zur Erfüllung einer sog. Verkehrssicherungspflicht, d. h. einer Pflicht zur Abwehr von Gefahrenquellen,
notwendig ist. Dies kann im Extremfall auch zum Abriss von besonders baufälligen Immobilien führen. Eine separate statistische Erfassung dieser Fälle erfolgt jedoch nicht.

4. b) Welche Kosten sind dadurch jeweils und jährlich entstanden?
zu 4. b): Mangels statistischer Erfassung der Nachlassfälle mit durchgeführten Sanierungen, Abrissen oder baulichen Veränderungen an Immobilien liegen auch statistische Daten zu den dafür aufgewendeten Kosten nicht vor.

5. a) Wie viele der 2006 bis 2015 in den Besitz des Freistaats übergegangenen Nachlassimmobilien wurden inzwischen verkauft, vermietet, verpachtet, zwangsversteigert oder anderweitig verwertet (bitte einzeln aufschlüsseln)?
zu 5. a): Das Ergebnis der aktuellen Auswertung des beim LfF vorhandenen Datenbestandes hinsichtlich des Verkaufsdatums von Nachlassimmobilien, des Datums der Zwangsversteigerung (ZV) sowie des Datums der Übertragung auf den Einzelplan 13 in den Jahren 2006 bis 2015 ist in Anlage 4 beigefügt.
Zudem waren oder wurden von den im Zeitraum von 2006 bis 2015 zugefallenen Immobilien insgesamt 125 Immobilien vermietet oder verpachtet, davon 123 aus gesetzlichen und 2 aus testamentarischen Erbfällen. Seit wann die Immobilien vermietet bzw. verpachtet sind, wird statistisch nicht erfasst.

5. b) Wann wurden die jeweiligen Immobilien verkauft, vermietet, verpachtet, zwangsversteigert oder anderweitig verwertet?
zu 5. b): Eine entsprechende Übersicht ist als Anlage 4 beigefügt.

5. c) Unter welchen Maßgaben entscheidet die Staatsregierung über die weitere Verwendung der Nachlassimmobilien?
zu 5. c): Nach Ziffer 2.1.6 der Nachlassrichtlinien sind Nachlassimmobilien grundsätzlich zu veräußern (vgl. Antwort zu Frage 4 a). Seine Bemühungen für eine möglichst zeitnahe Veräußerung stellt der Freistaat Bayern nur ein, wenn Staatsbedarf besteht.

6. a) Wie viele der 2006 bis 2015 in den Besitz des Freistaats übergegangenen Nachlassimmobilien wurden zwar zu Verkauf, Vermietung, Verpachtung etc. angeboten, wurden aber nicht weiterveräußert bzw. -genutzt?
zu 6. a): Mit Ausnahme der Feststellung von Staatsbedarf bemüht sich der Freistaat Bayern stets um eine möglichst zeitnahe Veräußerung. Dabei kommt es gelegentlich vor, dass eine Veräußerung zunächst fehlschlägt, etwa weil sich für die jeweilige Immobilie aufgrund ihrer Beschaffenheit (insb. Lage, baulicher Zustand) kein Käufer bzw. in der Zwangsvollstreckung kein Erwerber findet oder weil keine Einigung mit Miteigentümern bzw. Grundpfandrechtsgläubigern möglich ist. Dies führt aber nicht zu einer Beendigung der Veräußerungsbemühungen. Insofern werden derartige Fälle nicht
statistisch erfasst.

6. b) Wo liegen diese Immobilien (bitte Regierungsbezirk, Landkreis bzw. kreisfreie Stadt und Gemeinde angeben)?
zu 6. b): Mangels statistischer Erfassung entsprechender Daten kann Frage 6 b nicht beantwortet werden (vgl. Antwort zu Frage 6 a).

6. c) Inwiefern steht die Staatsregierung hinsichtlich der weiteren Nutzung dieser Immobilien bzw. dem weiteren Umgang mit diesen Immobilien in Kontakt mit den jeweiligen Kommunen?
zu 6. c): Eine Kontaktaufnahme mit den jeweiligen Kommunen ist angezeigt, um Angaben zum Bodenrichtwert zu erhalten, Einzelheiten über bestimmte Immobilien zu erfahren, ein Ankaufsinteresse abzufragen oder die Notwendigkeit der Durchführung von Maßnahmen der Verkehrssicherungspflicht beurteilen zu können. In manchen Fällen kommen jedoch auch die Kommunen zielgerichtet auf das LfF zu, um bestimmte Immobilien zu erwerben (für eigene, gemeindliche Zwecke, zu Zwecken der Strukturförderung, Ortsentwicklung, etc.).

7. a) Wie viel Geld wendete der Freistaat in den Jahren 2006 bis 2015 jährlich für die Nachlassimmobilien auf (bitte Kosten einzeln aufschlüsseln nach Bereich: Verwaltung; evtl. Sanierung, Instandhaltung und Abriss von Gebäuden; Ablösung eventueller
Grundschuld etc.)?
zu 7. a): Eine gesonderte statistische Erfassung der immobilienspezifischen Einnahmen und Ausgaben findet nicht statt. Vielmehr werden sämtliche Einnahmen und Ausgaben im Bereich der Staatserbschaften nachlassbezogen erfasst, also einem spezifischen Nachlassfall zugeordnet.

7. b) Wie viel Geld erlöste der Freistaat in den Jahren 2006 bis 2015 jährlich mit den Nachlassimmobilien (bitte Einnahmen einzeln aufschlüsseln nach Bereich: Vermietung, Verpachtung, Verkauf etc.)?
zu 7. b): Vgl. Antwort zu Frage 7 a.

7. c) In welchem Umfang sind für die nächsten Jahre Haushaltsmittel für die Aufwendungen, die durch die Nachlassimmobilien entstehen, veranschlagt?
zu 7. c): Aufwendungen, die durch die Nachlassimmobilien entstehen, erfolgen grundsätzlich aus den Nachlasseinnahmen und werden im Einnahmetitel (Kap. 1306 Titel 119 11) berücksichtigt. Besondere Haushaltsmittel für die Nachlassverwaltung sind insofern für die nächsten Jahre nicht veranschlagt.

8. Welche Überlegungen gibt es seitens der Staats-regierung für den zukünftigen Umgang mit den Nachlassimmobilien, v. a. im Hinblick auf Strukturförderungs- und Ortsentwicklungsmaßnahmen im ländlichen Raum bzw. im Raum mit besonderem Handlungsbedarf (laut LEP)?
zu 8.: Die Bemühungen des Freistaats sind in allen Gebietskategorien nach Ziffer 2.1.6 der Nachlassrichtlinien grundsätzlich auf eine zeitnahe Veräußerung der ererbten Immobilien ausgerichtet.

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Hier habe ich Ihnen unsere Schriftliche Anfrage und die Antwort der Staatsregierung auch als pdf-Datei im Drucksachenlayout des Bayerischen Landtags hinterlegt.