16. Mai 2013

Mein Redebeitrag in der Aktuellen Stunde zu dem von uns vorgeschlagenen Thema „Bayern versagt beim Klimaschutz“

Ludwig Hartmann (GRÜNE):

Sehr geehrtes Präsidium, liebe Kolleginnen und Kollegen!

In den vergangenen Tagen gab es einen weniger erfreulichen Höhepunkt: Die CO2-Konzentration in der Erdatmosphäre hat den symbolischen Wert von 400 ppm überschritten. Noch vor zehn Jahren sind viele Klimaforscher davon ausgegangen, dass dieser Wert noch lange nicht erreicht würde. Schon jetzt haben wir ihn erreicht.

Wir alle wissen um die historische Verantwortung der Industrienationen beim Klimawandel und bei den Maßnahmen zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes. Umso schlimmer ist die gegenwärtige Unfähigkeit und Untätigkeit der Politik beim Klimaschutz. Wenn wir uns Bayern anschauen, ist festzustellen: In Bayern gibt es keine Klimaschutzpolitik. Wenn wir uns die vom bayerischen Wirtschaftsministerium veröffentlichten Zahlen anschauen, dann sehen wir, dass wir im Jahr 2010 gegenüber dem Jahr 2007 einen Anstieg des CO2-Ausstoßes pro Kopf von 6 Tonnen auf 6,4 Tonnen hatten. Die bundesweiten Zahlen seit dem Jahr 1990 zeigen einen Rückgang von ungefähr 24 %, in Bayern liegt der Rückgang gerade einmal bei 14 %.

Viele Kolleginnen und Kollegen wissen sicher noch: Im Jahr 2007 hat die damalige Staatsregierung eine relativ große Klimashow auf der Zugspitze abgezogen; jeder Minister ist mit seinem CO2-spuckenden Auto zur Zugspitze gefahren. Stoiber hat damals den Klimarat und die Einsetzung einer Klimaarbeitsgruppe im Kabinett groß verkündet. Seit Jahren hört man von beiden so gut wie gar nichts mehr, weder vom Klimarat noch von der Klimaarbeitsgruppe.

Wenn man den Klimaschutz aber ernst nimmt, darf man sich nicht nur den Strombereich anschauen. Wir müssen uns genauso den Wärmebereich anschauen, den Verkehrsbereich, die Landwirtschaft, die Ernährung und eigentlich die gesamte Landesplanung. Der Strombereich wurde hier im Hohen Haus schon öfter ausführlich diskutiert. Da ist die Liste des Versagens schnell zusammengefasst: Das Pumpspeicherkataster, das für Ende 2012 versprochen war, liegt bis heute nicht vor. Minister Zeil macht selber Druck beim zuständigen Minister Huber, damit es schneller geht. Es tut sich aber nichts.

Die Gebietskulisse zur Windkraft beruht immer noch auf einem veralteten Windatlas. Der 3-D-Windatlas ist seit zwei Jahren versprochen, bis heute ist er nicht er- schienen. Er wird vor der Wahl auch nicht mehr kommen. Baden-Württemberg hat ihn, damals unter Schwarz-Gelb, beschlossen; ein halbes Jahr später lag er vor. – Die Willkür bei den Ausgleichszahlungen bei der Windkraft hält weiterhin an. Man wollte immer nachbessern, bis heute hat sich aber nichts getan.

Die Gebietskulisse Wasserkraft wurde eingestellt. Politisch kommt man wohl nicht weiter. Der Zeitung konnte man einen weiteren Bereich entnehmen: Der Bayernplan ist durchaus ein wünschenswerter und guter Ansatz. Gute Ansätze hatte man vielleicht, aber auch der Bayernplan ist wieder in der Schublade verschwunden. Die Kraft-Wärme-Kopplung – leider ist Minister Zeil gerade nicht im Haus – geht man so gut wie gar nicht an. Stattdessen träumt und fantasiert der Minister noch immer von fünf neuen großen Gaskraftwerken, die aber keiner bauen möchte.

Von Ihnen wird immer als Gegenargument gebracht, wie weit Bayern bei den erneuerbaren Energien im Stromsektor sei. Sicher, der Anteil von 33 % ist ein toller Wert, aber man muss so ehrlich sein und anschauen, woher er kommt: von der historisch bedingten Wasserkraftnutzung, vom massiven Ausbau der Photovoltaik im privaten Bereich und von der bäuerlichen Biogasnutzung. Das alles sind Bereiche, die dank dem EEG möglich geworden sind. Das ist das Verdienst der Bürgerinnen und Bürger in diesem schönen Land und definitiv nicht der Staatsregierung.

(Beifall bei den GRÜNEN und des Abgeordneten Dr. Hans Jürgen Fahn (FREIE WÄHLER))

Das Einzige, womit Schwarz-Gelb in der EEG-Debatte in den Medien immer wieder auftaucht, ist eine Verunsicherung nach der anderen, was die Verlässlichkeit des EEG und die Planungssicherheit von Investoren angeht. Mit einer echten Reform lässt Schwarz-Gelb bis heute auf sich warten.

Ein trauriger Tiefpunkt in der Klimaschutzdebatte und der Klimaschutzpolitik war auch das Abstimmungsverhalten der CSU-Kollegen und eines FDP-Kollegen im Europäischen Parlament Ende April. Das ist leider nicht so stark durch die Medien gegangen. Die EU- Kommission hatte vorgeschlagen, die Anzahl der CO2-Zertifikate zu reduzieren. Die CSU-Kollegen haben dort dagegengestimmt. Ich habe von der Staatsregierung, von Minister Huber, einmal etwas anderes gehört. Die eigenen Leute in Brüssel machen wie so oft – wir haben genug Beispiele dafür, etwa das Wasser – genau das Gegenteil von dem, was hier in den Medien verbreitet wird.

(Beifall bei den GRÜNEN – Zuruf von der CSU: Das stimmt doch gar nicht!)

Das hatte zur Folge, dass der Preis der CO2-Zertifikate jetzt unter drei Euro gefallen ist. Ich sage zur Erinnerung: Man hatte sich einmal 30 Euro pro Zertifikat vorgestellt. So kann das Instrument nicht mehr funktionieren.

Jetzt könnte man natürlich entgegnen, Sie kümmern sich um den Strombereich. Sie gehen aber den Wärmebereich überhaupt nicht an, obwohl dieser für einen deutlichen Anteil am CO2-Ausstoß, nämlich 30 %, verantwortlich ist. Ausgerechnet im Wärmebereich sind die Länderkompetenzen relativ groß. In genau diesem Bereich tun Sie eigentlich gar nichts.

Schauen wir einmal nach Baden-Württemberg. Man könnte sagen: Das EEG ist noch unter Schwarz-Gelb eingeführt worden. Unter der grün-roten Regierung wird das Gesetz jetzt optimiert. Das Erneuerbare-Wärme-Gesetz ist ein Instrument, mit dem wir endlich den gewaltigen Nachholbedarf bei der energetischen Sanierung der Gebäude angehen können, um dort deutliche Fortschritte zu machen. Aber in Bayern wird dieser Nachholbedarf nicht angegangen. Im eigenen Energiekonzept schreiben Sie, dass die energetische Sanierung im Wärmebereich nur sehr überschaubare Erfolge hat. Das heißt: Sie gestehen im eigenen Energiekonzept Ihr Versagen in diesem Bereich durchaus ein.

Ein weiterer Bereich, wieder einmal typisch Klimaschau statt Klimaschutz: Sie haben zwar für neue Verwaltungsgebäude den Passivhausstandard beschlossen. Aber meistens kann man die Einweihung eines neuen Gebäudes besser verkaufen, als eine sinnvolle, gut gemachte energetische Sanierung. Eine gute Sanierung wäre aber besser als einen weiteren überflüssigen Neubau einzuweihen.

Mobilität spielt, wie ich vorhin angesprochen habe, überhaupt keine Rolle in Ihrer Politik. Gerade hier erzeugt Bayern einen gewaltigen Anteil, faktisch ein Drittel seines CO2-Ausstoßes. Diesen Bereich müssen wir angehen, aber dabei wird komplett versagt. Allein ein Tempolimit, auf Bundesebene diskutiert, wäre dafür schon ein Thema. Aber eines muss jedem klar sein: Ohne Verkehrswende wird es in diesem Land keine Energiewende geben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir brauchen also konkrete CO2-Einsparungen und Minderungsziele im Verkehrsbereich. Das heißt aber auch mehr Verkehr auf die Schiene, mehr Geld für die Bestellung von Nahverkehrszügen und vor allem – da weigert sich Bayern immer noch, tätig zu werden – etwas mehr Geld für die Schieneninfrastruktur, die nicht von bundeseigenen Bahnen betrieben wird.

Ein weiterer Bereich ist die Streckenreaktivierung. Dafür gibt es zwar zwei Beispiele, aber im Großen und Ganzen kommt sie in Bayern nicht voran. Es gibt viele aktive Bürgerinnen und Bürger im Land, die an Konzepten arbeiten, die regionale Bahnen wieder auf die Schienen heben und voranbringen möchten, aber Unterstützung finden sie nicht.

Ein weiterer Bereich ist die LEP-Debatte, die gestern geführt wurde und heute im Ausschuss noch kurz geführt wurde. Sie haben keinerlei Ansätze, wie wir die Verkehrsvermeidung angehen können. Da geht es um die direkte Daseinsvorsorge, die Ansiedlung der Lebensmittelmärkte wieder im Ortskern, damit man nicht auf das Auto angewiesen ist, um zu den Produkten des täglichen Bedarfs zu kommen.

Ein weiterer Bereich ist der Flugverkehr. Sie weigern sich bis heute, ein Konzept für eine Kooperation der Flughäfen München und Nürnberg auf den Weg zu bringen, damit wir die Nahflüge deutlich reduzieren können. Außerdem halten Sie weiterhin am Bau der dritten Startbahn fest. Das zeigt, dass in der Verkehrspolitik definitiv kein Umdenken bei Ihnen zu erkennen ist.

Wieder ein Blick nach Baden-Württemberg – solche Vergleiche werden ja öfter gemacht: Baden-Württemberg hat ein Förderprogramm zur Elektrifizierung von Bahnstrecken. Das lässt im Freistaat Bayern auch noch auf sich warten. Wir alle wissen, wie lange die Bahnstrecke nach Lindau hier diskutiert wird. Die Schweiz muss praktisch ein Darlehen geben, damit der Freistaat in die Gänge kommt. Da passiert auch gar nichts.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zum Schluss möchte ich auf zwei Punkte eingehen, die bei der Debatte über den Klimaschutz meistens unter den Tisch fallen. Das ist zum einen das klassische Thema Flächenverbrauch in diesem Land. Zurzeit werden täglich 18 Hektar Fläche versiegelt. Wir haben einen gewaltigen Grünlandumbruch, der alles andere als eine Glanzleistung für den Klimaschutz ist.

Zum anderen wird bei der Moorrenaturierung, wo man relativ einfach etwas machen könnte, so gut wie gar nichts getan. Da hat man sich 50 Moore bis 2020 zum Ziel gesetzt. Man weiß, dass 95 % der Moorflächen in Bayern trockengelegt wurden, die einmal einen Anteil von 3 bis 4 % an der Landesfläche hatten. Wenn ich allein in meinen Heimatlandkreis Landsberg schaue, stelle ich fest, dass wir in der Kartierung 32 Moore ausgewiesen haben. Wenn die Landesregierung sich zum Ziel setzt, bis 2020 50 Moore zu renaturieren, heißt das sechs bis sieben im Jahr. Das ist wirklich alles andere als eine Glanzleistung. Das kann man vielleicht nebenher mitmachen. Da braucht es mehr Anstrengung. Wenn man die Renaturierung der Moore gezielt vorantreibt, könnte man wahrscheinlich ungefähr fünf Millionen Tonnen CO2 jährlich einsparen, die die Moore sozusagen binden. Das wären faktisch 6 % der bayerischen CO2-Emissionen. Da könnte man also etwas tun, sicher nicht von heute auf morgen, das ist uns auch klar, aber 50 Moore bis zum Jahr 2020, also sechs bis sieben im Jahr, wenn allein der Landkreis Landsberg 32 vorweisen kann, das ist definitiv zu wenig.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Förderung der Schneekanonen in Bayern zeigt, dass man die Ernsthaftigkeit des Themas Klimaschutz nicht erkennt. In ein Förderprogramm für Schneekanonen wurden zehn Millionen Euro hineingebuttert, sowie, als das noch nicht reichte, weitere acht Millionen aus anderen Förderprogrammen. Das ist die Unterstützung eines Tourismuskonzepts, das angesichts des Klimawandels und der Erderhitzung auf diesen Höhen keine Zukunft mehr hat. Wir setzen hier Energie- und Steuermittel ein, um gegen die Auswirkungen des Klimawandels anzukämpfen, aber wir gehen die Ursachen nicht an. Das ist die entscheidende Fehlentwicklung in dieser Politik.

Das Gleiche haben wir auch beim Thema Kosten des Hochwasserschutzes. Dafür müssen wir Geld ausgeben, das ist richtig. Aber wenn man ins Verhältnis setzt, was wir jetzt ausgeben und was wir ausgeben müssten, um die Auswirkungen zu bekämpfen, erkennt man: Wir sollten diese Mittel eher dafür einsetzen, um die Ursachen des Klimawandels ernsthaft anzugehen. Da muss es eine Änderung geben, damit wir in Bayern wirklich eine Klimaschutzpolitik haben und keine Klimaschau, wie sie gerade betrieben wird.

(Beifall bei den GRÜNEN)

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Hier geht es zu einem Videomitschnitt meines Redebeitrags. Über die dortige Playlist können Sie sich auch die gesamte Diskussion zu diesem Tagesordnungspunkt anschauen. In dieser pdf-Datei können Sie ferner den gesamten Diskussionsverlauf nachlesen.