Keine schleichende Abwicklung des EEG – Für die Beibehaltung des Einspeisevorrangs und kostendeckender Vergütungssätze für erneuerbare Energien
Meine Rede zu unserem Dringlichkeitsantrag im Plenum am 26.04.2012
Ludwig Hartmann (GRÜNE):
Sehr geehrtes Präsidium, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich bin froh, dass ich zum heutigen 26. Jahrestag der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl hier im Hohen Hause keine Rede über die Notwendigkeit des Atomausstiegs halten muss. Ich bin froh, dass im letzten Jahr alle in diesem Haus vertretenen Fraktionen den Atomausstieg beschlossen und sich dazu bekannt haben.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, mit dem Atomausstieg allein ist die Energiewende aber noch lange nicht vollbracht. Uns geht es mit unserem heutigen Dringlichkeitsantrag darum, dass das EEG in seiner Grundkonstruktion erhalten bleibt und nicht nach und nach ausgehöhlt wird.
Ich möchte das an zwei Bereichen kurz darstellen.
Wir haben in den letzten zehn Jahren in Bayern beispielhaft erlebt, dass die Rahmenbedingungen durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz zu einem gewaltigen Boom im Photovoltaik-Bereich beigetragen haben. Der Minister sonnt sich ja gern einmal mit dem Ausspruch: Bayern ist das Land der Sonne. Natürlich ist das nicht das Verdienst der Staatsregierung. Es war das Verdienst der Bürgerinnen und Bürger in diesem Land, die investiert haben, die bereit waren, sich diese Anlagen aufs Dach zu schrauben, und dazu beigetragen haben, die Energiewende in Bayern voranzubringen.
(Zuruf von der CSU)
Ein weiterer Bereich beim EEG war ja immer auch die Planungssicherheit und die Verlässlichkeit, dass man, wenn man investiert, eine gewisse Rendite erwarten kann. Das EEG hat auch ermöglicht, dass verschiedene Techniken der erneuerbaren Energien an den Markt herangeführt bzw. in den Markt eingeführt werden. Genau an diesem Instrument, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, setzt die schwarz-gelbe Bundesregierung, aber auch die Landesregierung jetzt die Axt an. Ich möchte dazu auf zwei Punkte im Dringlichkeitsantrag eingehen. In der letzten Energiekommissionssitzung hat Minister Zeil eine Art Jahresbericht – so will ich es einmal nennen – abgegeben, was sich bei der Energiewende in Bayern in den letzten zwölf Monaten getan hat.
(Zuruf des Abgeordneten Ludwig Wörner (SPD))
Im Zuge dieses Berichts hat er etwas gesagt, wodurch man echt aufgewacht ist, auch einige Kolleginnen und Kollegen aus den Regierungsfraktionen. Da hieß es in seiner Rede – ich zitiere nach dem Manuskript:
Ich stelle mir das folgendermaßen vor: Wir geben das bürokratische, überkomplexe und teure System von Einspeisevorrang und gesetzlichen Einspeisevergütungstarifen auf. Das hat er dort wörtlich gesagt.
(Zuruf des Abgeordneten Ludwig Wörner (SPD))
Was heißt das, wenn er das in die Debatte einwirft? Der Minister hat in der gleichen Rede sein Modell von einem technologieoffenen Grünstrom-Zertifikat vorgestellt, mit dem er das EEG ersetzen möchte -, wenn ich ihn richtig verstanden habe. Es gibt drei gravierende Gründe, warum dieser Systemwechsel so einfach nicht vollzogen werden kann und auch nicht vollzogen werden darf.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Uns allen ist klar: Bei der Energiewende wird es auf eine breite Palette von verschiedenen Energieformen ankommen. Das ist die Windkraft, ist Biomasse, ist der Solarstrom; die Tiefengeothermie wird auch dazugehören. Was ist aber, wenn man ein technologieoffenes Grünstrom-Zertifikat einführt? Es setzt sich nur noch die Technik durch, die zum jeweiligen Zeitpunkt die wirtschaftlichste ist. Sie wird sich durchsetzen. Aber das wird dann heißen: Wasserkraft und Windkraft. Aber nur mit Wasserkraft und Windkraft wird die Energiewende nicht zu meistern sein. Das muss jedem wirklich klar sein und jedem bewusst werden.
(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)
Wir brauchen einen breiten Mix, weil uns allen doch bewusst ist: Die erneuerbaren Energien stehen nicht immer zur Verfügung; die einen gleichen die anderen aus. Wir müssen in die Breite gehen und dürfen nicht nur der Technologie, die gerade am wirtschaftlichsten ist, dermaßen Vorschub leisten. Mit den Zertifikatregelungen aber würde das schlagartig kommen.
(Beifall bei den GRÜNEN)
In einem weiteren Bereich bin ich erstaunt über einen Vorschlag des Wirtschaftsministers. Was wird wirklich passieren bei diesen ganzen technologischen Neuerungen? Der bisherige Fortschritt in den verschiedenen Techniken der erneuerbaren Energien wird so nicht mehr stattfinden. Niemand wird mehr bereit sein, in Techniken wie zum Beispiel die Tiefengeothermie – bis jetzt immer so massiv unterstützt von FDP & Co, muss man offen sagen – mehr zu investieren. Sie ist zurzeit eine der teuersten Energien, aber uns allen ist bewusst: Wir brauchen auch die Tiefengeothermie, da sie sozusagen wirklich rund um die Uhr Strom zur Verfügung stellen kann.
(Tobias Thalhammer (FDP): Die Umlage wurde angepasst!)
– Die Umlage wurde angepasst, richtig. Aber der Minister spricht davon, den Vorrang der festen Vergütungssätze abzuschaffen. Dann bringt einem das gar nichts mehr, wenn man ein Grünstrom-Zertifikat hat und damit 10 % Ökostrom belegen muss. Dann nimmt der Versorger den Ökostrom, der am günstigsten ist. Das ist doch selbstverständlich, wenn man eins und eins zusammenzählt; das wird so kommen.
(Tobias Thalhammer (FDP): Der Minister steht für Innovationssicherheit in der Planung!)
Ein weiterer Bereich ist – das wird auch nicht mit so einem System kommen – die vorteilhafte Kostenregression im PV-Bereich der letzten Jahre. Damit wäre dieses Modell nie gekommen. Es ist gekommen dank fester Einspeisevergütungen, die auch immer wieder angepasst worden sind.
Zum Thema Kostenexplosion ist zu sagen: Seit 2008 sind die Einspeisevergütungssätze im Photovoltaik-Bereich um 50 % gesenkt worden. Das heißt, das Instrument eines Marktanreizes und der schrittweise Abbau der Förderung haben richtig funktioniert.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Der letzte Punkt, den ich ansprechen möchte, liegt mir persönlich und sicherlich auch vielen Kolleginnen und Kollegen in diesem Hohen Haus sehr am Herzen: Draußen in den Stimmkreisen, werden Sie und andere nicht müde, davon zu sprechen, dass die Energiewende in der Bürgerhand stattfinden muss. Keiner wird müde, von Energiegenossenschaften zu sprechen und bei den Gründungsversammlungen dabei zu sein. Wenn der Vorrang und die festen Vergütungssätze wegfallen, dann wird kaum noch einer in die Genossenschaften investieren. Dann sind die regionalen Banken keine Geldgeber mehr, weil das Risiko viel größer wird. Das heißt: Die Energiewende muss davon weg und in die Hand der Bürger, aber auch zu den großen Konzernen, die das Geld durch Refinanzierung leichter besorgen können. Aber das alles wird nicht funktionieren. Für eine Windkraftanlage von 3,5 Millionen Euro wird eine Genossenschaft, die sich meistens die Hälfte bei einer Bank leihen müsste, ohne sichere, planbare Einspeisevergütung keine Bank finden, die ein Darlehen dafür gibt. Das bedeutet das Ende der Bürgerbeteiligung an der Energiewende. Das ist mit uns nicht zu machen. Deshalb haben wir den heutigen Dringlichkeitsantrag eingebracht. Ich bitte, ihm zuzustimmen.
(Beifall bei den GRÜNEN)
(…)
Meine Zwischenfrage zu den Ausführungen des Kollegen Reiß (CSU):
Ludwig Hartmann (GRÜNE):
Sehr geehrter Herr Kollege,
ich habe zwei Fragen zu Ihren Ausführungen.
Erstens. Sie haben uns in der üblichen alten Rhetorik wieder vorgeworfen, wir wehrten uns gegen die Speicherkraftwerke und behinderten sie. Ist Ihnen bekannt, dass der Umweltminister in der Kabinettsitzung vom 17. April angekündigt hat, eine Art Pumpspeicherkataster auf den Weg zu bringen, um endlich bei der Standortfrage abwägen zu können und in dieser Frage voranzukommen? Ist Ihnen bekannt, dass der Antrag bereits vor zwei Jahren von uns gestellt und dann abgelehnt worden ist, und zwar mit der Kommentierung, das sei keine staatliche Aufgabe? Ich frage mich, wer hier den Ausbau der Pumpspeicherkraftwerke in Bayern behindert.
Zweitens. Sie haben zu der Begründung unseres Antrags gesprochen. Sie waren als Vorsitzender der Energiekommission selber dabei, als der Minister davon sprach, wir müssten bei den erneuerbaren Energien die Märkte ins Spiel bringen, und zwar so schnell wie möglich. Daraus ergibt sich die akute Gefahr, dass neben dem Absenken der Einspeisevergütungssätze, das gravierend ist, jetzt auch noch relativ zügig das EEG weiter untergraben werden soll, um eines Tages das endgültige Sterben des EEG als relativ klein darstellen zu können.
(Beifall bei den GRÜNEN)
(…)
Meine Zwischenbemerkung auf die Ausführungen des Wirtschaftsministers Zeil (FDP):
Ludwig Hartmann (GRÜNE):
Herr Präsident, meine Damen und Herren,
zur letzten Bemerkung von Minister Zeil möchte ich sagen: Die energieintensive Industrie ist von der Umlage befreit; sie wird auch vom Netzentgelt befreit. Es stimmt definitiv nicht, dass diese Industrie Probleme hat, wenn die Energieumlage steigt; das wird immer nur vorgeschoben. Sie jammern wegen der großen Konzerne, die haben aber dieses Problem nicht. Firmen, die viel Strom benötigen, profitieren vom EEG, weil der Solarstrom in den Mittagsstunden, wofür die Spitzenpreise bezahlt worden sind, in das Netz drängt und abgenommen werden muss. Die profitieren davon und haben keine Nachteile.
Zum Beitrag des Kollegen Thalhammer: Man kann bei einem Ländervergleich trefflich darüber streiten, welches Land vorne liegt. In der „Wirtschaftswoche“ vom 24.03. war ein Ranking, erstellt von einem Institut, welches Bundesland bei der Energiewende im letzten Jahr vorne lag. Von 100 Punkten hat Baden-Württemberg 58 bekommen, Bayern 55. Da kann sich jeder eine Studie heraussuchen. Man wird immer eine Studie finden, derzufolge ein anderes Land vorne liegt.
Zum Thema Wasserkraft: Sie haben recht, dass die Wasserkraft günstig ist. Wo wollen Sie denn die Wasserkraft so massiv ausbauen? Der Umweltminister hat deutlich gesagt, dass noch eine Steigerung von 2 % möglich ist, dann ist Schluss. Wir brauchen aber mehr. Deshalb sind die Windkraft und die Solarenergie für Bayern ganz entscheidend.
(Beifall bei den GRÜNEN)
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Anbei finden Sie Links zu Videomitschnitten meiner Rede. Außerdem können Sie in der angefügten pdf-Datei den Diskussionsverlauf als Auszug des Plenarprotokolls nachlesen. Die in Verbindung stehende Nachricht führt Sie zu weiteren Informationen über unseren Antrag.
Unser Antrag wurde in namentlicher Abstimmung leider mit 53:73 Stimmen abgelehnt. Das detailierte Ergebnis finden Sie am Ende des angehängten Protokollauszugs.