1. Dezember 2010

Dringlichkeitsantrag der Freien Wähler zur Kernbrennstoffsteuer

Meine Rede zum Antrag der FW im Plenum vom 01.12.2010

Ludwig Hartmann (GRÜNE):
Sehr geehrter Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!
Die Kernbrennstoffsteuer ist ein wunderschönes Beispiel für die Planlosigkeit dieser Bundesregierung. Sie zeigt die Planungslosigkeit in der Steuerpolitik und in der Energiepolitik. Keine fünf Monate ist es her, dass wir hier im Hohen Haus über das Thema diskutiert haben. Damals war das Thema Kernbrennstoffsteuer – besser bekannt als Brennelementesteuer – noch ein Bestandteil des Konzeptes zur Sanierung der Staatsfinanzen auf Bundesebene. Es wurde darüber diskutiert, dass die Kernkraftwerke als einzige Produzenten von Strom aus fossilen Energieträgern nicht unter eine Besteuerung des Brennstoffes fallen. Die Kohle- und Gaskraftwerke fallen unter den Emissionshandel, die Kernkraftwerke nicht. Wir haben darüber diskutiert, dass die kleinen Leute einen Teil zur Sanierung des Staatshaushalts beitragen müssen. Über den Heizkostenzuschuss wurde an der Hartz-IV-Schraube gedreht. Die großen Energiekonzerne hätten einen Beitrag über die Brennelementesteuer leisten sollen.
Was daraus geworden ist, kann man schnell sehen. Drei Monate später – Anfang September – hat die Kanzlerin in einer Nachtsitzung mit ihrem Wirtschaftsminister – der Umweltminister war selbst nicht anwesend – ausgehandelt, zu welchen Bedingungen die Kernbrennstoffsteuer eingeführt werden soll. Eigentlich haben die Konzerne der Kanzlerin diktiert, zu welchen Bedingungen sie die Kernbrennstoffsteuer akzeptieren würden. Das hat dazu geführt, dass die Kernbrennstoffsteuer ein Teil des Atomdeals geworden ist. Hohe Erwartungen sind an die Höhe der Einnahmen herangetragen worden. Die 2,3 Milliarden Euro, die jährlich an den Staat fließen sollen, stellen nur einen Bruchteil dessen dar, was man den Konzernen abverlangen kann. Durch die Laufzeitverlängerung machen sie Milliardengewinne. Damit wird das Instrument der Kernbrennstoffsteuer nicht grundsätzlich infrage gestellt, aber wie sie entstanden ist, sollte erwähnt werden. Die 2,3 Milliarden Euro, die als jährliche Einnahme erwartet werden, werden so mit Sicherheit nicht kommen. RWE hat es vorgemacht. Die Brennelementesteuer wird fällig, sobald die Brennelemente erstmalig nach 2011 ausgetauscht werden. Was hat man beim AKW Biblis gemacht? Der Wechsel wurde in dieses Jahr vorgezogen. Somit konnten über 280 Millionen Euro an Steuern ganz legal gespart werden. Dieser Steuertrick wird sicher Schule machen, auch andersherum. Die Brennelementesteuer ist bis 2016 begrenzt. Man wird die Brennelemente weiter abbrennen, wie es heißt, man wird sie also länger im Reaktor lassen, um wieder über eine bestimmte Zeit hinwegzukommen, um dann am 2. Januar 2017 die Brennelemente zu wechseln und wieder mal keine Steuern zahlen zu müssen. Man muss es schon deutlich sagen: Dieses Instrument wird nicht so angewandt, wie es sich viele im Hohen Haus im Sommer erhofft haben, als einstimmig beschlossen wurde, dieses Instrument einzuführen.
Aus einem Grund geht uns der Antrag der Freien Wähler nicht weit genug. Den größten Nachteil werden die Kommunen durch die Laufzeitverlängerungen haben, da die dezentrale Energieversorgung weiter auf der Strecke bleiben wird. Die Investitionen in den Regionen werden auf der Strecke bleiben. Die kleinen Unternehmen, die in die Kommunen investieren und die dort Gewerbesteuer zahlen, werden auch auf der Strecke bleiben. Des Weiteren wird eine ganze Reihe von rentablen Investitionen, die die Kommunen in den letzten Jahren auf dem Stromsektor getätigt haben, in die roten Zahlen gedrückt. Diese Unternehmen werden auch keine Gewerbesteuern mehr bezahlen. Das bedeutet weniger Steueraufkommen in der Region. Deshalb hätten wir uns gewünscht, dass es im Antrag noch deutlicher zum Ausdruck kommt, dass aufgrund der Verlängerung der Laufzeiten die Frage gestellt werden muss, ob sich die Steuereinnahmen für die Regionen überhaupt erhöhen werden oder ob es nicht insgesamt weniger wird.
Wir werden dem Antrag zustimmen, weil das Instrument der Brennelementesteuer wichtig ist, auch wenn sie jetzt alles andere ist, als sie es sein sollte. Sie sollte kein Dealinstrument sein, sondern eine längst überfällige Besteuerung einer privilegierten Kraftwerkstechnik darstellen, zumal diese Kraftwerkstechnik Unmengen an Kosten verursacht.
Zum Schluss noch eine Bemerkung an den Kollegen Graf von und zu Lerchenfeld. Sie haben es vorhin erwähnt. In der vergangenen Woche hat sich die Kanzlerin mit den Parteikollegen der Länder getroffen und darüber verhandelt, wie mit der Brennelementesteuer umgegangen wird. Beim Zeitfenster bis 2012 habe ich schon den Verdacht, dass sie selber nicht mehr damit rechnet, dass der Atomdeal solange hält, oder rechnet sie selber nicht mehr damit, dass die Bundesregierung solange hält? Warum gibt es ein so langes Zeitfenster?
Wir werden dem Antrag zustimmen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

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Anbei finden Sie Links zu Videomitschnitten meiner Rede. Außerdem können Sie in der angefügten pdf-Datei den Antrag der FW und den Diskussionsverlauf als Auszug des Plenarprotokolls nachlesen.
Der Antrag wurde in namentlicher Abstimmung mit 61 zu 79 Stimmen abgelehnt. Das Ergebnis finden Sie ebenfalls in der angehängten pdf-Datei.

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