15. August 2016

Breitbandversorgung in Bayern

Schriftliche Anfrage
des Abgeordneten Ludwig Hartmann, Bündnis 90/Die Grünen vom 07.07.2016, mit den Antworten des Staatsministers der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat, Dr. Markus Söder, vom 15.08.2016 (kursiv dargestellt)

Übereinstimmenden Medienberichten zufolge steht Deutschland im internationalen Vergleich hinsichtlich Glasfaserversorgung und -ausbau hinter vielen anderen Ländern zurück. Zudem wird der derzeit beschrittene Weg, bestehende Kupferkabel mittels des sogenanntem Vectoring „aufzurüsten“, skeptisch betrachtet (vgl. z. B. folgenden Artikel der FAZ). Da die bayerischen Werte – z. B. gemessen am Anteil der Netzanschlüsse mit einer Bandbreite von mehr als 30 Mbit/s – nur marginal über dem bundesweiten Durchschnitt liegen (vgl. LT– Drs. 17/10780, Frage 3), ist die mangelhafte Versorgung mit schnellem Internet nicht nur ein bundesdeutsches, sondern auch ein bayerisches Problem.
Laut einer Bundestags-Anfrage (BT-Drs. 18/6593) von Herbst 2015 gibt es in Bayern mindestens 26 Landkreise, in denen weniger als die Hälfte der Haushalte, bzw. Betriebe mit 50 Mbit/s oder mehr ausgestattet ist. Nach Expertenmeinung werden diese Netzgeschwindigkeiten schon in den nächsten Jahren nicht mehr ausreichend sein. Bereits der gegenwärtige Stand ist ungenügend: „Nur 45 % der niederbayerischen Betriebe und 50 % der Betriebe in der Oberpfalz sind derzeit mit der Schnelligkeit ihres Internets zufrieden“ (Quelle).
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
die Schriftliche Anfrage des Herrn Abgeordneten Ludwig Hartmann vom 07.07.2016 betreffend „Breitbandversorgung in Bayern“ wird wie folgt beantwortet:

1. a) Wie ist der aktuelle Stand der Breitbandversorgung in Bayern bezüglich unterschiedlicher Datenübertragungsraten im Vergleich mit den 27 EU-Ländern (aufgeschlüsselt nach Kommunen bzw. Haushalten; Stufen: ≥ 1 Mbit/s, ≥ 30 Mbit/s, ≥ 50 Mbit/s, ≥ 100 Mbit/s)?
b) Wie hat sich dieser in den letzten fünf Jahren entwickelt?
zu 1. a) und b): Die Entwicklung der Breitbandverfügbarkeit der Haushalte im Freistaat Bayern über die letzten fünf Jahre stellt sich wie folgt dar:

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Hinweis: Die Daten stammen vom TÜV Rheinland und haben jeweils den Stand 31.12.. Versorgungsdaten zu mind. 30 Mbit/s liegen erst seit dem Jahr 2013 vor. Versorgungsdaten zu mind. 100 Mbit/s werden vom TÜV Rheinland bislang nicht veröffentlicht. Die konkrete Breitbandverfügbarkeit vor Ort kann dem Breitbandatlas des BMVI unter www.breitbandatlas.de entnommen werden.
Eine vergleichbare Übersicht über die Breitbandverfügbarkeit in den Stufen: ≥ 1 Mbit/s, ≥ 30 Mbit/s, ≥ 50 Mbit/s, ≥ 100 Mbit/s in den anderen EU- Mitgliedstaaten ist der bayerischen Staatsregierung nicht bekannt.

2. a) Inwiefern sieht die Staatsregierung die Gefahr, dass der im Vergleich zu einigen anderen europäischen Ländern im Rückstand befindliche Breitbandausbau-Status einen wirtschaftlichen Standortnachteil für Bayern darstellt?
b) Welche Rückmeldungen aus der bayerischen Wirtschaft erhält die Staatsregierung hinsichtlich der noch im Aufbau befindlichen Glasfaser-Netzinfrastruktur und den teilweise bereits zum heutigen Zeitpunkt zu geringen Bandbreiten?
zu 2. a) und b): Damit die bayerische Wirtschaft ihre starke Position im internationalen Wettbewerb behaupten kann, ist ein schneller Ausbau von leistungsfähigen Breitbandnetzen im ganzen Land erforderlich. Eine flächendeckende Versorgung mit schnellem Internet ist daher ein wesentlicher Eckpfeiler der bayerischen Heimatstrategie. Im Rahmen des vereinfachten, entbürokratisierten und im Juli 2014 von der Europäischen Kommission neu genehmigten Breitbandförderprogramms stellt der Freistaat Bayern seinen Kommunen bis zu 1,5 Milliarden Euro zur Verfügung – eine in Deutschland einmalige Summe. Der Ausbau des schnellen Internets ist in allen Kommunen in Bayern auf der Tagesordnung. 95 % (1.954) aller bayerischen Kommunen sind bereits in das Förderverfahren eingestiegen. Aktuell (Stand 10.08.2016) starten schon 1173 Kommunen mit einer Gesamtfördersumme von mehr als 437 Millionen Euro in den Breitbandausbau. Rund 300 Projekte sind bereits in Betrieb gegangen. In mehr als 800 Projekten wird derzeit gebaut. Viele Gemeinden gehen mehrfach in das Verfahren, um schrittweise eine hohe Flächendeckung und besonders zukunftssichere Glasfasernetze bis in die Gebäude (FTTB) zu erhalten. Für Kommunen, die sich insbesondere nach Ausschöpfung der bayerischen Förderung um eine Förderung im Rahmen des im Oktober 2015 aufgelegten Bundesbreitbandförderprogramms bewerben, stellt der Freistaat Bayern im Rahmen einer unbürokratischen Kofinanzierung der Bundesförderung zusätzlich bis zu 165 Mio. Euro zur Verfügung.
Die Institut der deutschen Wirtschaft Köln Consult GmbH (IW-Consult) stellt in einer im Auftrag der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft e.V. erstellten Studie „Versorgungsgrad der digitalen Infrastruktur in Bayern“ vom Mai 2016 fest, dass der Freistaat „mit seinem aktuellen Breitbandförderprogramm sowohl inhaltlich als auch finanziell Maßstäbe gesetzt“ habe und sich das Förderprogramm des Freistaats „im Laufe des Jahres 2016 signifikant positiv auf die Breitbandversorgung in Bayern auswirken“ werde. Bayern ermögliche – so die Einschätzung der Studie – „durch die Ausgestaltung seiner Förderstrategie eine nahezu flächendeckende und bedarfsgerechte Erschließung aller Haushalte und Unternehmen mit leistungsfähigen Breitbandanschlüssen“ und erleichtere damit die „zukünftige Migration in ein reines Glasfasernetz.“ Der Bayerische Industrie- und Handelskammertag hat in einer kürzlich veröffentlichten „Zwischenbilanz zur Arbeit der Staatsregierung“ folgendes festgestellt: „In den zurückliegenden zweieinhalb Jahren hat die Staatsregierung gute Bedingungen dafür geschaffen, dass der Breit- bandausbau im Freistaat zügig verläuft.“

3. a) Inwiefern sieht die Staatsregierung das Wirtschaftswachstum in Bayern an den Glasfaserausbau gekoppelt?
b) Gibt es hierzu Studien bzw. Berechnungen, die eine genauere Größenordnung zulassen?
zu 3. a) und b): Eine leistungsfähige Breitbandinfrastruktur ist für das Wirtschaftswachstum und für Innovationen in allen Wirtschaftszweigen sowie für den sozialen und territorialen Zusammenhalt von strategischer Bedeutung. Bei den derzeit laufenden Ausbauprojekten im Rahmen des bayerischen Breitbandförderprogramms werden bereits rund 19.000 Kilometer Glasfaserleitungen neu verlegt. Es ist ständiger Beratungsinhalt der Breitbandmanager, dass die Gemeinden bei Anschlüssen mit heute schon besonders hohem Bandbreitenbedarf, z.B. in Gewerbegebieten, Glasfaserverbindungen bis in die Gebäude (FTTB) ausbauen lassen. Damit wird dem Beschluss 17/8474 des Bayerischen Landtags Rechnung getragen. Seit Anfang 2015 wurden von bayerischen Kommunen rund 1400 Ausschreibungen veröffentlicht. In über 800 dieser Ausschreibungen (entspricht einem Anteil von rund 59 %) wurden von den Kommunen gebietsweise Glasfaserdirektanschlüsse (FTTB) gefordert. Nach einer aktuellen Studie der Institut der deutschen Wirtschaft Köln Consult GmbH („Der Weg in die Gigabitgesellschaft – wie Netzausbau zukünftige Innovationen sichert“) vom Juni 2016, erstellt im Auftrag des Vodafone Instituts für Gesellschaft und Kommunikation, kann eine Steigerung der An- zahl der Glasfaseranschlüsse um 1 Prozent zu einer Erhöhung des Bruttoinlandsprodukts um 0,02 bis 0,04 Prozent führen.

4. Welche Anbieter haben beim Ausbau in den letzten zwei Jahren den Zuschlag bekommen (bitte jährlich und nach Anbieter sowie Anteil an den Aufträgen auflisten)?
zu 4.: Im Rahmen der bayerischen Breitbandförderung haben nach den Angaben der Kommunen in den Förderanträgen in den letzten zwei Jahren folgende Anbieter allein oder in Bietergemeinschaften Zuschläge erhalten: AltoNetz GmbH, amplus AG, Brandl Services GmbH, Deutsche Glasfaser Netz Entwicklung GmbH, DSL-Mobil GmbH, Elektrizitäts – Genossenschaft Tacherting-Feichten eG, Inexio KGaA, ip-fabric GmbH, Jobst DSL, Kabel- und Kommunikationstechnik Michael Korn, LEW TelNet GmbH, Miecom Netz- service GmbH, M-net Telekommunikations GmbH, NEFtv GmbH, NetCom BW GmbH, NGN Fibernetwork KG, ODR Technologie Services GmbH, R- Kom GmbH & Co. KG, RSM Freilassing, smart-DSL GmbH, Stadtwerke Hammelburg GmbH, Süc // dacor GmbH, SWR Stadtnetz Rödental GmbH & Co.KG, SWW Wunsiedel GmbH, Telekom Deutschland GmbH, Telepark Passau GmbH, Thüga Metering Service GmbH, Vodafone Kabel Deutschland GmbH.
Welcher Anbieter jeweils bei welcher Kommune den Zuschlag erhalten hat, kann den veröffentlichten Förderstreckbriefen der Kommunen entnommen werden. Die Fördersteckbriefe der Kommunen werden jeweils nach Erhalt eines Zuwendungsbescheides auf dem zentralen Onlineportal des bayerischen Breitbandzentrums (www.schnelles-internet.bayern.de) unter „Kommunen im Verfahren – Übersicht Förderprozess in Tabellenform“ veröffentlicht.

5. a) Wie hoch beziffert die Staatsregierung die Kosten für einen flächendeckenden Breitbandausbau mit FTTB oder FTTH?
b) Wie hoch beziffert die Staatsregierung die Kosten für einen flächendeckenden Breitbandausbau mit FTTC?
c) Sollten zu Frage a und b keine Infos vorliegen: Warum hat die Staatsregierung diese Ausbauformen nicht in Erwägung gezogen?
zu 5. a) bis c): In der IW-Consult Studie „Versorgungsgrad der digitalen Infrastruktur in Bayern“ (siehe Antwort auf Frage 2) werden die Kosten für einen flächendeckenden Glasfaserausbau bis in die Häuser bzw. Wohnungen (FTTB/H) in Bayern auf 13 Mrd. Euro geschätzt. Die Kosten für einen Ausbau des schnellen Internets auf Basis eines Technologiemix (auch durch Glasfasererschließung der Verzweigungsstellen und Nutzung der Kupferleitungen von der Verzweigungsstelle in die Gebäude – FTTC) beziffert diese Studie auf rund vier Milliarden Euro. Zu beachten ist, dass die Ausbaukosten in dieser Abschätzung neben dem Bedarf an öffentlicher Förderung auch die eigenwirtschaftlichen Investitionen der TK-Unternehmen umfassen.
Unabhängig von den reinen Kosten der jeweiligen Ausbautechnologien ist zu berücksichtigen, dass nur mit einem Technologiemix aus FTTC und FTTB in absehbarer Zeit eine flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit schnellem Internet möglich ist. Der Breitbandausbau in Bayern soll schnell allen Einwohnern zu Gute kommen.

6. a) Wurde in Erwägung gezogen, den Breitbandausbau über eine (staatliche oder nicht- staatliche) Infrastrukturgesellschaft o. ä. durchzuführen, die danach nicht am Endkundenmarkt aktiv ist?
b) Wenn nein, warum nicht?
zu 6. a) und b): Im liberalisierten TK-Markt hat der Ausbau des schnellen Internets grundsätzlich im privatwirtschaftlichen Wettbewerb durch private Anbieter zu er- folgen (Art. 87 f Abs. 2 Satz 1 GG). Nur dort, wo der Wettbewerb nicht aus eigener Kraft für eine ausreichende Versorgung mit schnellem Internet sorgt, darf gefördert werden. Die einschlägigen EU-Vorgaben verlangen für die Auswahl eines gefördert ausbauenden TK-Unternehmens ein wettbewerbliches, offenes und diskriminierungsfreies Auswahlverfahren. Diese grundgesetzlichen und europarechtlichen Vorgaben stehen daher einem bayernweiten Netzausbau durch nur eine Infrastrukturgesellschaft entgegen.

7. a) Wann soll bayernweit eine flächendeckende Geschwindigkeit von mindestens 30 Mbit/s erreicht sein?
b) Wann soll bayernweit eine flächendeckende Geschwindigkeit von mindestens 50 Mbit/s erreicht sein?
c) Wann soll bayernweit eine flächendeckende Geschwindigkeit von mindestens 100 Mbit/s erreicht sein?
zu 7.: Zielbandbreite im noch bis Ende 2018 laufenden Förderprogramm der Bayerischen Staatsregierung sind 50 Mbit/s im Download. Mindestens aber müssen nach einem Ausbau für alle Anschlüsse in den von den Kommunen definierten Erschließungsgebieten 30 Mbit/s (entspricht der EU-Definition von schnellem Internet) erreicht werden. Die Kommunen können jedoch auch für Gebiete mit erhöhtem Bedarf höhere Bandbreiten als 50 Mbit/s in den Ausschreibungen fordern und tun dies auch. Technisch kommt dann in der Regel nur ein vollständiger Glasfaserausbau bis in die Gebäude (FTTB) in Betracht, der die Buchung von Bandbreiten von 100 Mbit/s und mehr möglich macht. Wenn die Kommunen sich weiterhin so engagiert am Breitbandförderverfahren beteiligen, wird zum Ende des aktuellen Förderverfahrens eine hohe Versorgungsquote der Haushalte mit schnellem Internet erreicht sein.

8. Hält die Staatsregierung das Ziel der Bundesregierung, bis 2018 alle Haushalte mit Datenanschlüssen mit Geschwindigkeiten von mindestens 50 Mbit/s auszustatten, für realistisch?
zu 8.: Es ist nicht Aufgabe der Bayerischen Staatsregierung, die Erreichbarkeit der Breitbandziele der Bundesregierung zu bewerten.

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Hier habe ich Ihnen meine Schriftliche Anfrage und die Antwort der Staatsregierung auch als pdf-Datei im Drucksachenlayout des Bayerischen Landtags hinterlegt.

Hier eine Anfrage der GRÜNEN Bundestagsfraktion, die den Stand der Glasfaserversorgung in Bayern mit den anderen Bundesländern vergleicht.