Regierungserklärung des Leiters der Staatskanzlei zum Thema: „Bundeswehrstrukturreform: Bayern lässt die Betroffenen nicht allein“
Ludwig Hartmann (GRÜNE):
Sehr geehrtes Präsidium, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!
Lassen Sie mich vorab ganz kurz eine Geschichte aus meiner Heimatstadt erzählen. Ich bin in Landsberg am Lech geboren, einer Stadt, die bis in die Neunzigerjahre als Garnisonsstadt bekannt war. Im Großraum Landsberg und in der Stadt selbst gab es insgesamt fünf Kasernen. In den Neunzigerjahren wurden faktisch zeitgleich drei Kasernen, zwei direkt im Stadtgebiet und eine am Rand, geschlossen. Damals hat der amtierende Oberbürgermeister der „Augsburger Allgemeinen“ gesagt, die Konversion werde eine Jahrhundertaufgabe werden, der sich Landsberg stellen müsse. Zehn Jahre nach dieser „Jahrhundertaufgabe“ schreibt die „Augsburger Allgemeine“: „Wo ein Jahrhundert zehn Jahre dauert“. In zehn Jahren hat man geschafft, wovon man glaubte, dass man dafür hundert Jahre brauchen würde. Mir ist es in diesem Zusammenhang wichtig, dass wir nicht anfangen, den Standorten nachzutrauern, so tragisch deren Schließung für die Betroffenen ist. Wir müssen erst einmal das Positive sehen, dass wir nämlich in Zeiten leben, in denen wir abrüsten und die Truppenstärke reduzieren können.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Das Beispiel Landsberg und viele andere Beispiele haben gezeigt: Der Umbau ist zügig vorangegangen. Landsberg hat davon gewaltig profitiert. Die Stadtkämmerei sagt jetzt, da das Gelände der dritten Kaserne bereits zur Hälfte verkauft ist, dass man sich für den weiteren Abverkauf Zeit lassen könne, um die richtigen Firmen zu finden, da die Mehrkosten für die Grundstücke längst eingespielt seien und die Stadt sogar noch Geld verdient habe. Diese Politik hat trotz des Abbaus der Truppen gut funktioniert. Damals bestand im Vergleich zum jetzigen Zeitpunkt ein gewaltiger Unterschied. In den Neunzigerjahren kam der Truppenabzug alles andere als erwartet. Er kam sehr spontan. Gott sei Dank hat er stattgefunden. Wir haben positive Beispiele aus anderen Teilen Bayerns und Deutschlands. In Bayern sind unter anderen die Standorte Ansbach, Augsburg, Neu-Ulm und München zu nennen. Hier wurden die Kommunen mitgenommen, sodass alles funktioniert hat. Wir sollten die Angst vor einer Reduzierung der Truppe nicht schüren, sondern sie als Chance sehen, die den Kommunen jetzt gegeben wird.
Allgemein ist von unserer Seite zur Bundeswehrreform zu sagen: Wir waren von jeher für eine Verkleinerung der Streitkräfte. Wir haben auf Bundesebene ein Konzept mit dem Ziel vorgelegt, auf 160.000 Soldaten herunterzugehen. Eine weitere Verkleinerung wäre sicherheitspolitisch und haushaltspolitisch angemessen. Wir könnten noch einen Schritt weiter gehen. Die Aussetzung der allgemeinen Wehrpflicht ist von uns seit jeher begrüßt worden. Heute war zu beobachten, dass dieser Wunsch von allen Parteien geteilt wird. Eines muss jedoch jedem klar sein: Eine kleinere Truppe bedeutet weniger Standorte. Das ist selbstverständlich.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Herr Kreuzer hat vorhin die drei Standorte genannt, die komplett aufgelöst werden. Diese Standorte sind Penzing in der Nähe von Landsberg am Lech, Fürstenfeldbruck und Kaufbeuren.
Zu den Standorten Penzing und Fürstenfeldbruck ist zu sagen: Das Magazin „Focus“ hat im letzten Jahr ein bundesweites Landkreis-Ranking veröffentlicht, welche Landkreise die stärkste Wirtschaftskraft haben. Der Landskreis Landsberg in Bayern taucht dabei auf Platz 13, bundesweit auf Platz 19 auf. Wir müssen uns also nicht ganz so viele Sorgen machen. Fürstenfeldbruck liegt bayernweit auf Platz 14, bundesweit auf Platz 20. Insgesamt wurden über 300 Landkreise untersucht.
Der einzige Landkreis, über den wir uns Gedanken machen müssen und bei dem es schwieriger wird, ist unumstritten der Landkreis Kaufbeuren. Er liegt bei diesem Ranking bayernweit auf Platz 83 und bundesweit auf Platz 269. Hier werden wir genauer hinschauen müssen. Das ist richtig.
Der Landkreis Donauwörth, bei dem eine deutliche Reduzierung erfolgt, liegt hinsichtlich seiner Wirtschaftskraft und seiner Zukunftsperspektive bundesweit auf Platz 7. Die dortige Truppenreduzierung sollte uns keine Sorgen machen. Hier wird man eine vernünftige Nachnutzung finden; davon bin ich überzeugt.
(Georg Schmid (CSU): Entschuldigung, Sie haben keine Ahnung! Wir haben zusätzliche Probleme mit „Eurocopter“! So was Dummes habe ich noch gar nicht gehört! Entschuldigung, Sie haben null Ahnung!)
– Sie können nachher gerne noch eine Frage stellen. Ich möchte gerne fortfahren.
Es wäre nett, wenn Sie mich fortfahren lassen würden.
(Georg Schmid (CSU): Ich kenne mich besser aus, als Sie glauben! So ein Schmarrn!)
– Es ist erstaunlich, wie Sie als Fraktionschef dem Chef der Staatskanzlei aus Ihrer eigenen Partei in den Rücken fallen. In diesem Hause war es bei den Vorrednern Ihrer Fraktion unumstritten, dass es in erster Linie um die Sicherheit der Soldaten im Ausland und deren Ausrüstung geht. Es geht nicht um eine verkappte Strukturförderung über den Wehretat. Wenn Sie jetzt anfangen, einzelne Standorte herauszunehmen, führen Sie eine Diskussion, die Ihre Kollegen gar nicht wollen.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Ich muss ganz offen sagen: Wir GRÜNEN sind alles andere als Fans der Bundeswehr. Das ist bekannt.
(Georg Schmid (CSU): Ich muss daheim einmal bekannt machen, was Sie hier für einen Schmarrn erzählen!)
Wenn wir Soldatinnen und Soldaten in Auslandseinsätzen haben, gilt es, diese Soldatinnen und Soldaten mit den finanziellen Mitteln, die wir im Wehretat haben, bestmöglich zu schützen.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Ich möchte in diesem Zusammenhang mit einem Thema fortfahren, das von Herrn Kreuzer angesprochen worden ist. Er hat angekündigt, dass sich die Staatsregierung für eine Anhebung der Städtebauförderung einsetzen werde. – Herr Kreuzer, es wäre sehr nett, wenn Sie ganz kurz zuhören würden.
(Ulrike Gote (GRÜNE): Nicht schwätzen, zuhören!)
– Herr Kreuzer, es wäre nett, wenn Sie ganz kurz zuhören würden. Ich gehe auf Ihre Regierungserklärung ein. Ich habe dazu noch ein oder zwei Fragen. Der Anstand in diesem Hause gebietet es, anzuhören, was Angehörige anderer Fraktionen dazu zu sagen haben.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Sie haben in Ihrer Regierungserklärung angekündigt, dass sich die Staatsregierung dafür einsetzen werde, dass die Städtebauförderung wieder angehoben wird, was auch richtig und wünschenswert ist. Sie haben von 535 Millionen Euro gesprochen, die Sie in Zukunft wieder haben möchten. Ich begrüße es, dass Sie gleichzeitig gesagt haben, Sie wollten die bestehenden Förderinstrumente verwenden, also die Regionalförderung, die Dorferneuerung usw. Mir erschließt sich aber beim besten Willen nicht, warum die Regierungsfraktionen am 9. November 2011 den Antrag abgelehnt haben, keine Kürzung bei der Städtebauförderung vorzunehmen. Jetzt wollen Sie diese Mittel erhöhen. Am 9. November haben Sie die Erhöhung der Mittel für die Städtebauförderung abgelehnt.
(Maria Noichl (SPD): Aha!)
Bei einem weiteren Punkt, auf den ich kurz eingehen möchte, war ich erstaunt. Sie haben richtig und gut argumentiert, warum die Bundeswehrreform kommen muss. Sie haben jedoch auch einen Ausflug in die Wehrtechnik unternommen und gesagt, Sie wollten sich für die Unterstützung der Wirtschaft auf den Exportmärkten nach Kräften einsetzen. Außerdem wollen Sie sich für den Abbau internationaler Wettbewerbsverzerrungen einsetzen. Ich frage mich, von welchen Wettbewerbsverzerrungen Sie eigentlich sprechen. Ist Deutschland leider nicht wieder der drittgrößte Waffenexporteur auf dieser Welt geworden? In der letzten Woche wurden die Zahlen öffentlich gemacht. Die Rüstungsexporte sind 2010 im Vergleich zum Jahr 2009 um circa 50 % angestiegen. Wo sind da die Hemmnisse? Wir verkaufen faktisch gerade viel mehr Waffen als in den letzten Jahren. Zwei Drittel der Waffen gehen in die EU-Länder und zu den NATO-Partnern. Das letzte Drittel geht dagegen unter anderem nach Afrika und in die Golfstaaten. Ich finde es sehr gefährlich, zu argumentieren, dass wir die Rüstungsindustrie und den Export ankurbeln sollten. Sie müssen auch sagen, wohin die Waffen gehen sollen. Ich erinnere daran, dass in der letzten Woche in mehreren Medien berichtet wurde, dass das deutsche Sturmgewehr G 36, das nach Ägypten geliefert worden ist, in Libyen aufgetaucht ist. Wir können nicht akzeptieren, dass Waffen aus Deutschland an Länder geliefert werden, die diese Waffen an Konfliktländer weiterreichen, in denen diese Waffen definitiv nichts zu suchen haben.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Deutschland ist dabei, etwas abzurüsten. Um die Welt ein wenig friedlicher zu machen, gehört es dazu, auch bei den Rüstungsexporten abzurüsten und sie nicht noch auszuweiten.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Präsidentin Barbara Stamm:
Herr Kollege Rotter hat eine Zwischenbemerkung angemeldet. Herr Kollege, kommen Sie bitte ans Mikrofon.
Eberhard Rotter (CSU):
Herr Kollege Hartmann, ich möchte kurz zu Ihren Behauptungen zur Städtebauförderung Stellung nehmen. Sie haben gesagt, der Landtag habe abgelehnt, dass der Bund die Kürzungen zurücknimmt. Sie haben das von der Staatsregierung verlangt, und wir haben darauf hingewiesen, dass Herr Minister Herrmann und die gesamte Staatsregierung hier bereits aktiv geworden sind. Ich kann Ihnen sagen: Das ist auch erfolgreich gewesen, weil der Bund die Kürzungen tatsächlich zurückgenommen hat.
(Beifall bei der CSU und Abgeordneten der FDP – Harald Güller (SPD): Erfolgreich?)
Ludwig Hartmann (GRÜNE):
Sehr geehrter Herr Kollege,
da muss man sich die Zahlen anschauen.
Im Jahr 2010 gab es 535 Millionen für die Städtebauförderung. Im Haushalt 2012 sind 445 Millionen dafür vorgesehen. Das ist zwar keine komplette Rücknahme; man hat etwas nachgebessert, wie es so oft gemacht wird. Der Entwurf sah 410 Millionen vor. Dann hat der Landtag Bedenken angemeldet, und man hat einen Teil bekommen, damit man ruhig ist. Entscheidend wäre doch gewesen, dass der Landtag diesen Antrag unterstützt hätte, um ein deutliches Zeichen zu setzen, dass man die Städtebauförderung nicht gekürzt haben möchte. Sie ist 2012 nicht auf dem Stand von 2010, und das ist faktisch eine Kürzung.
(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD – Harald Güller (SPD): Die Frage ging nach hinten los, Herr Kollege Rotter!)
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Anbei finden Sie Links zu Videomitschnitten meiner Rede und einen Auszug des Plenarprotokolls über die gesamte Diskussion zur Regierungserklärung.