9. Mai 2016

Qualität des Standort-Informations-Systems Bayern (SISBY)

Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Ludwig Hartmann, Bündnis 90/Die Grünen, vom 15.03.2016, mit den Antworten der Staatsministerin für Umwelt und Verbraucherschutz, Ulrike Scharf, vom 09.05.2016 (kursiv dargestellt)

In der Antwort auf meine Schriftliche Anfrage „Flächenverbrauch und -nutzung in den bayerischen Landkreisen“ vom 23.02.2016 führt die Ministerin im Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz aus, dass das in SISBY dargestellte Gewerbeflächenpotential für Bayern am 31.12.2015 11.036 ha betrug. Ferner: „Das Gewerbeflächenpotential ist im Verlauf der vergangenen 15 Jahre um 10,1% zurückgegangen“. In der Antwort der Staatsregierung auf die Interpellation meiner Fraktion auf Drucksache 14/7731 wird in der Antwort auf Frage 3.a jedoch Folgendes ausgeführt: „Das in SISBY ausgewiesene Angebot an verfügbaren Gewerbeflächen gibt für Bayern zum 20.11.2000 ca. 1.225 ha in Flächennutzungsplänen ausgewiesene Flächen an, davon ca. 995 ha mit Baurecht. Auf eine detaillierte Darstellung nach Regierungsbezirken wurde wegen der unterschiedlich hohen Beteiligung der Kommunen an SISBY verzichtet.“ Folglich dieser Daten hätte sich das Gewerbeflächenangebot in Bayern in den letzten 15 Jahren um ca. 1100% vergrößert, statt wie angegeben um 10,1% verringert.
In der benannten Schriftlichen Anfrage führt die Ministerin weiter aus, dass die tatsächlich versiegelte Fläche in Bayern nicht erfasst werde. „Nach einer Studie des LfU aus dem Jahr 2007 sind in Bayern ca. 47,2 % der Siedlungs- und Verkehrsfläche tatsächlich versiegelt, das entspricht heute einer Fläche von 394.190 ha.“ (Antwort auf Frage 1.b) Diese Daten beruhten offensichtlich noch auf dem alten Flächenermittlungsverfahren ALB.
Aktuell (10.03.2016, 12:02 Uhr) werden in SISBY beispielsweise für die Landeshauptstadt München lediglich 5 Gewerbegebiete und 2 Gewerbeimmobilien angeboten. Eine zeitgleich durchgeführte, öffentliche Abfrage im Internetangebot der Landeshauptstadt München, Referat für Arbeit und Wirtschaft ergab hingegen schon 16 Angebote.
Unser Antrag auf Drucksache 17/8901, worin die Staatsregierung u.a. aufgefordert wird, „über das Landesamt für Statistik eine jährliche Erfassung der genutzten und nicht genutzten Gewerbeflächen erstellen zu lassen“, wurde im federführenden Wirtschaftsausschuss in der Sitzung vom 04.02.2016 mit der Begründung zur Ablehnung vorgeschlagen, dass diese Forderungen bereits erfüllt seien.

Die Schriftliche Anfrage wird im Einvernehmen mit den Bayerischen Staatsministerien für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie sowie des Innern, für Bau und Verkehr wie folgt beantwortet: Vorbemerkung: Das Standortportal Bayern (SISBY) dient der Ansiedlungsförderung und unterstützt die bayerischen Kommunen bei deren Standortmarketing. SISBY ist kein Instrument der Staatsregierung, sondern ein Gemeinschaftsprojekt des Bayerischen Industrie- und Handelskammertags e.V. (BIHK e.V.) und des Staatsministeriums für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie. Inhaltlich wird SISBY vom BIHK e.V. verantwortet; dieser wurde daher in die Beantwortung eingebunden.

Hiermit frage ich die Bayerische Staatsregierung:

1. a) Werden in SISBY auch private Gewerbeflächen eingetragen?
zu 1. a): Private Flächen können ebenfalls in SISBY eingetragen werden. Dies erfolgt entweder über die Gemeinde, in der die Fläche liegt, oder über die zuständige Industrie- und Handelskammer. Einen eigenen Pflegezugang erhalten private Eigentümer nicht.

1. b) Werden diese von den kommunalen Gewerbeflächen unterschieden?
zu 1. b): Bei den einzelnen Flächen ist i.d.R. angegeben, ob der Eigentümer „öffentlich“, „privat“ oder „teilweise öffentlich/teilweise privat“ ist.

1. c) Wie hat sich das Verhältnis von privaten und öffentlichen Gewerbeflächen in den letzten 15 Jahren jährlich entwickelt?
zu 1. c) Aus dem Datenbestand, der in SISBY hinterlegt ist, können jeweils nur die aktuell verfügbaren Daten exportiert werden. Statistische Auswertungen vergangener Zeiträume lassen sich dagegen nicht generieren. Daher kann im Folgenden nur das derzeitige Verhältnis von privaten und öffentlichen Gewerbeflächen dargestellt werden. Bezogen auf den in SISBY hinterlegten Gesamt-Datenbestand stellt sich das Verhältnis aktuell wie folgt dar:

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2. a) Handelt es sich bei SISBY weiterhin um ein System welches lediglich als Angebot an die bayerischen Städte und Gemeinden gerichtet ist, also auf Freiwilligkeit beruht?
zu 2. a): Das Standortportal SISBY stellt ein Unterstützungsangebot an die bayerischen Kommunen dar und dient deren Standortmarketing. Die Kommunen haben die Möglichkeit, ihren Wirtschaftsstandort über SISBY zentral zu vermarkten, indem sie ein Standortprofil einpflegen und ihre verfügbaren Gewerbeflächen und -immobilien einstellen. Die Teilnahme an SISBY erfolgt auf freiwilliger Basis.

2. b) Wie kann die Bayerische Staatsregierung vor diesem Hintergrund garantieren, dass die dort ermittelten Daten einen auch nur halbwegs realistischen Rückschluss auf die tatsächliche Entwicklung der Gewerbeflächen in Bayern zulassen?
zu 2. b): SISBY dient dem Standortmarketing der bayerischen Kommunen und erhebt nicht den Anspruch, die tatsächliche Entwicklung der Gewerbeflächen in Bayern zu dokumentieren.

2. c) Weshalb werden die tatsächlichen Gewerbeflächen, ob nun geplante und realisierte, unbebaute oder bebaute, nicht vom Statistischen Landesamt erfasst und ausgewertet?
zu 2. c): Das Bayerische Landesamt für Statistik führt die Flächenerhebung nach Art der tatsächlichen Nutzung nach den entsprechenden bundesrechtlichen Vorgaben des Agrarstatistikgesetzes durch. Bei der Erhebung handelt es sich um eine sekundärstatistische Auswertung der Daten des amtlichen Liegenschaftskatasters, das bei den Vermessungsämtern geführt wird. Die Aufgliederung der Bodenflächen nach Nutzungsarten erfolgt hierbei bundeseinheitlich nach dem „Verzeichnis der flächenbezogenen Nutzungsarten im Liegenschaftskataster und ihrer Begriffsbestimmungen der Arbeitsgemeinschaft der Vermessungsverwaltungen der Länder der Bundesrepublik Deutschland“ (AdV – Nutzungsartenverzeichnis). Hiernach wird nur die Nutzungsart „Gebäude- und Freifläche, Unterposition Gewerbe und Industrie“, ohne weitere Untergliederung nachgewiesen.

3. a) Wie viele Kommunen beteiligen sich mittlerweile anteilig und in Gesamtzahlen bei SISBY (bitte jeweils nach Regierungsbezirken aufschlüsseln)?
zu 3. a) Die Zahlen sind in der nachfolgenden Übersicht dargestellt.

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3. b) Wie sieht der Anteil teilnehmender Kommunen, jeweils getrennt nach Gemeinden, Städten, Landkreisen und kreisfreien Städten aus?
zu 3. b): Landkreise sind keine SISBY-Mitglieder im eigentlichen Sinne, da sie nicht die Eigentümer der Gewerbeflächen sind, sondern eine übergeordnete Verwaltungseinheit darstellen. Aus diesem Grund ist der nachfolgenden Aufschlüsselung teilnehmender Gebietskörperschaften nur der Anteil der Gemeinden, Märkte, Städte, großen Kreisstädte und kreisfreien Städte zu entnehmen.

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3. c) Welcher Anteil der tatsächlich auf den Markt angebotenen Gewerbeflächen befindet sich laut Prognosen der Bayerischen Staatsregierung in SISBY?
zu 3. c): Die amtlichen Statistiken enthalten keine Daten zum tatsächlichen Gewerbeflächenangebot. Eine Prognose, welcher Anteil hieran in SISBY hinterlegt ist, kann deshalb nicht getroffen werden.

4. a) Welcher Anteil der bayerischen Städte und Gemeinden mit jeweils unter 1000 Einwohnern, 1000-5000 Einwohnern, 5001-10000 Einwohnern, 10.001 bis 20.000 Einwohnern, 20.001 bis 30.000 Einwohnern und über 30.000 Einwohnern pflegt Daten in SISBY ein?
zu 4. a): Bezogen auf den in SISBY hinterlegten Gesamt-Datenbestand stellt sich die Verteilung wie folgt dar:

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4. b) Wie viele Angebote sind durchschnittlich pro Kommune in den in Frage 4. a) abgefragten Kategorien eingestellt?
zu 4. b): Bezogen auf den in SISBY hinterlegten Gesamt-Datenbestand stellt sich die Verteilung wie folgt dar:

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4. c) Wie viele Hektar umfasst laut Prognose der Staatsregierung das derzeit real in Bayern vorliegende Angebot an Gewerbeflächen?
zu 4. c): Die amtlichen Statistiken enthalten keine Daten zum tatsächlichen Gewerbeflächenangebot. Eine Prognose zur Gesamtfläche kann deshalb nicht getroffen werden.

5. a) Kann die Bayerische Staatsregierung ausschließen, dass Städte und Gemeinden lediglich die Gewerbegebiete in SISBY angeben, die schwer zu vermarkten sind, während man begehrte Gewerbeflächen lieber für bereits ansässige Gewerbetreibende zurückhält oder selbst vermarktet?
zu 5. a): Da jede Kommune ausschließlich selbst entscheidet, welche Flächen in SISBY eingestellt werden und welche Vermarktungspolitik sie betreibt, kann dies nicht ausgeschlossen werden.

5. b) Wie kann die Staatsregierung erklären, dass aktuell (10.03.2016, 12:02 Uhr) in SISBY lediglich 5 Gewerbegebiete und 2 Gewerbeimmobilien für die Landeshauptstadt München angeboten werden?
zu 5. b): Aus den in der Antwort zu Frage 5 a dargelegten Gründen kann es zu Abweichungen zwischen den in SISBY hinterlegten und den tatsächlich vorhandenen Flächen kommen. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass in dem in Bezug genommenen Internetangebot der Landeshauptstadt München nicht nur die unbebauten Flächen, sondern auch Gewerbehöfe aufgelistet sind, die in SISBY ebenfalls unter der Kategorie „Technologie- und Gründerzentren“ erfasst sind. Bei einer analogen Suche waren am 31.03.2016 in SISBY insgesamt 17 Treffer (5 Gewerbegebiete, 3 Immobilien und 9 Technologie- und Gründerzentren) zu verzeichnen.

5. c) Was bedeutet dies für die Datengenauigkeit der Antworten auf meine Schriftliche Anfrage “Flächenverbrauch und -nutzung in den bayerischen Landkreisen“?
zu 5. c): Die in SISBY hinterlegten Daten dienen der Ansiedlungsförderung und dem Standortmarketing der bayerischen Kommunen. Das Standortportal Bayern erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die Datenaktualität und -qualität hängen von der Pflege- und Meldebereitschaft der Kommunen ab.

6. a) Wie haben sich die Gesamtflächen bebauter und unbebauter Gewerbeflächen in den letzten 15 Jahren jährlich entwickelt?
zu 6. a): Die amtlichen Statistiken enthalten keine Daten zum tatsächlichen Gewerbeflächenangebot. Die Entwicklung der Gesamtflächen kann deshalb nicht dargestellt werden.

6. b) Ist „Gewerbeflächenpotential“ mit „Gewerbeflächenangebot“ gleich zu setzen?
zu 6. b): Es wird davon ausgegangen, dass diese Frage Bezug nimmt auf die Antwort zur Schriftlichen Anfrage des Abgeordneten Ludwig Hartmann „Flächenverbrauch und -nutzung in den bayerischen Landkreisen“ vom 23.02.2016, Fragen 3a–4b (vgl. Drs. 17/10212). Insofern ist die Frage zu bejahen.

6. c) Sieht die Staatsregierung die Gefahr, dass Kommunen keine realen Vergleichswerte über das aktuell existierende Gewerbeflächenangebot in Bayern vorliegen und somit wesentlich mehr Gewerbeflächen als von der Wirtschaft benötigt ausgewiesen und bebaut werden?
zu 6. c): Den Bedürfnissen der Wirtschaft sowie der Sicherung und Entwicklung eines vielseitigen, regional ausgewogenen Angebots an Arbeitsplätzen muss ein angemessenes Angebot an Flächen zur Errichtung von Arbeitsstätten gegenüberstehen. Insbesondere zur Verminderung des Verkehrsaufkommens sollte es angestrebt werden, die Funktionen Wohnen und Arbeiten wieder näher zusammenzubringen. Die Neuausweisung von Gewerbegebieten sollte nicht ohne Überprüfung alternativer Ansiedlungsmöglichkeiten erfolgen. Ziel muss ein sparsamer Umgang mit der Ressource „Boden“ sein. Alternative Ansiedlungsmöglichkeiten werden von der Kommune entweder im eigenen Gemeindegebiet gesucht oder alternativ in den umgebenden Nachbargemeinden – gegebenenfalls auch in Form einer interkommunalen Zusammenarbeit. Die tatsächlich örtlich oder in den Nachbarkommunen vorhandenen Gewerbeflächenangebote sind der Gemeinde aufgrund der Bauleitpläne und durch Ortskenntnis durchaus bekannt. Eine Ausweisung erfolgt aufgrund der örtlichen oder in der näheren Umgebung vorhandenen Gewerbeflächensituation – unabhängig von einem für ganz Bayern existierenden Gewerbeflächenangebot. Die Gefahr unzureichender Datengrundlagen und einer Ausweisung von mehr Gewerbeflächen, als von der Wirtschaft benötigt, wird daher nicht gesehen.

7. a) Anhand welcher Faktoren wird die „Gewerbefläche des Monats“ in SISBY bestimmt?
zu 7. a): Die Gewerbefläche des Monats ist ein Serviceangebot im Standortportal an die Kommunen. In einem regelmäßigen Turnus werden wechselnd aus allen Regierungsbezirken qualitativ hochwertige Gewerbestandorte engagierter Kommunen beschrieben und damit verstärkt in den Fokus der Standortvermarktung gerückt.

7. b) Prognostiziert die Staatsregierung mit dem neuen Flächenermittlungsverfahren ALKIS höhere oder niedrigere Ergebnisse als die oben erwähnte Studie des LfU aus dem Jahre 2007?
zu 7. b): Die LfU-Studie „Satellitenbasierte Erfassung der Bodenversiegelung in Bayern“ aus dem Jahr 2007 ermittelt die prozentuale Versiegelung der Siedlungs- und Verkehrsflächen anhand von Satellitenbildern. Der Versiegelungsgrad wird dabei von der Dichte der Bebauung und der Gestaltung befestigter Flächen geprägt und nicht von der Ausdehnung der Siedlungs- und Verkehrsfläche. Da bei der amtlichen Flächenstatistik die tatsächliche Nutzung und nicht die Versiegelung erfasst wird, besteht auch kein Zusammenhang zwischen den Ergebnissen der Studie und der Umstellung auf ALKIS.

7. c) Liegen der Staatsregierung tatsächlich keine aktuelleren Zahlen zur Flächenversieglung in Bayern vor?
zu 7. c): Ja.

8. Wie kann die Staatsregierung ihre oben benannten Aussagen in Einklang bringen, wonach das Gewerbeflächenpotential „im Verlauf der vergangenen 15 Jahre um 10,1% zurückgegangen“ sei, obwohl es laut Antwort auf DS 14/7731 im gleichen Zeitraum um ca. 1100% gestiegen wäre?
zu 8.: In der Antwort der Staatsregierung vom 16.03.2001 auf Landtags-Drucksache 14/7731 wurden bedauerlicherweise fehlerhafte Daten benannt, die Ursache hierfür ist vermutlich ein Übertragungsfehler. Der in Drucksache 17/10212 benannte Rückgang ist korrekt.

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Hier habe ich Ihnen meine Schriftliche Anfrage und die Antwort der Staatsregierung auch als pdf-Datei im Drucksachenlayout des Bayerischen Landtags hinterlegt.