5. Dezember 2022

Für mehr Umweltschutz und einen zukunftsfähigen Wirtschaftsstandort: Jetzt das LEP neu aufstellen!

Fünf Fragen zum Landesentwicklungsprogramm (LEP) mit Antworten von Ludwig Hartmann, Fraktionsvorsitzender der Landtags-Grünen:

 

1. Warum ist das LEP so wichtig?

Ludwig Hartmann: „Mit dem LEP gestalten wir das Bayern von Morgen und Übermorgen! Das Programm mit dem sperrigen Namen ist nichts anderes als das Herzstück der Landesplanung. Es soll die Leitplanken dafür festlegen, wohin sich der Freistaat, seine Regionen mit seinen Dörfern und Städten entwickeln. Wir können mit ihm die wichtigen Fragen für die Menschen in Bayern beantworten: Wie wollen wir im Freistaat leben? Wie schützen und erhalten wir unsere natürlichen Lebensgrundlagen mit seinen einmaligen Landschaften? Welches Bayern hinterlassen wir unseren Enkeln? Mit dem LEP haben wir also ein Instrument in der Hand, das Soziales, Ökologie und Ökonomie zusammendenkt. Richtig genutzt, kann es diese drei Bereiche verweben zu einem dicken roten Faden in eine gute Zukunft für uns alle.“

 

2. Am Donnerstag beschäftigt sich der Landtag in einer Sachverständigenanhörung mit dem LEP. Wieso ist den Grünen diese Anhörung so wichtig?

Ludwig Hartmann: „Wir möchten die Debatte um das LEP in die Öffentlichkeit tragen. Gemeinden, Verbände und öffentliche Stellen sollen die Möglichkeit bekommen, ihre Kritik und ihre Verbesserungsvorschläge so zu äußern, dass sie auch gehört werden. Allein beim ersten Beteiligungsprozess zur Teilfortschreibung des LEP im Frühjahr wurden über 700 Stellungnahmen eingereicht! Das Interesse ist riesig, die Kritik fundamental. Doch die Stellungnahmen sind der Öffentlichkeit bis heute nicht in vollem Umfang zugänglich. Mein Eindruck ist, dass die Staatsregierung versucht, die öffentliche Debatte gezielt kleinzuhalten – obwohl sie sich mit der Einführung des Lobbyregisters zu Jahresanfang selbst das Ziel gesetzt hat, mehr Transparenz zu schaffen. CSU und Freie Wähler haben unseren Antrag auf Anhörung von Expert*innen im Landtag aus genau diesem Grund abgelehnt – wir mussten sie per Minderheitenvotum mit den Stimmen der Oppositionsfraktionen erkämpfen.“

 



3. Was kritisieren die Grünen am aktuellen LEP und seiner Teilfortschreibung?

Ludwig Hartmann: „Das LEP in seiner jetzigen Form öffnet Tür und Tor, um unsere natürlichen Lebensgrundlagen weiter zu zerstören. Wir betonieren weiter Wiesen und Felder zu, wir schützen unser Trinkwasser nur unzureichend, wir bauen weiter Straßen, obwohl wir gleichzeitig eine der bundesweit schlechtesten Bus- und Bahnanbindung haben, und halten an der dritten Startbahn fest. Das LEP besteht fast ausschließlich aus unverbindlichen Grundsätzen, die kaum eine Steuerungswirkung entfalten. Das bemängeln nicht nur wir Grüne. Die Kritik von Verbänden, Vereinen und Kommunen spricht Bände. Das LEP, wie CSU und Freie Wähler es fortführen wollen, verfehlt den Anspruch, den Menschen in Bayern eine lebenswerte Zukunft zu sichern. Inhaltlich fokussiert sich die Landesplanung zu einseitig auf die wirtschaftliche Entwicklung. Ökologische und soziale Herausforderungen bleiben fast flächendeckend auf der Strecke. Die Söder-Regierung hat jetzt, auf den letzten Metern, noch die Chance, eine Kurskorrektur vorzunehmen. Die sollte sie ergreifen.“

 

4. Was würden die Grünen konkret anders machen?

Ludwig Hartmann: „Nehmen wir eines der wichtigsten Ziele des LEPs: gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Bayern. Das bleibt ein hohles Versprechen. Die Staatsregierung hat inflationär sogenannte „Zentrale Orte“ ausgewiesen. Das führt dazu, dass die eigentlich gewollte Steuerungswirkung des Zentrale-Orte-Systems verloren geht: Nämlich sicherzustellen, dass die Bedürfnisse verschiedener gesellschaftlicher Gruppen in Bezug auf Wohnen, Arbeiten, Nahversorgung, Freizeit, Gesundheit überall gedeckt werden. Wir sehen im ganzen Land, wie Ortsmitten aussterben und die Menschen zum Einkaufen im Supermarkt auf der grünen Wiese ans Auto gebunden sind. Unsere Antwort wäre eine gesunde Innenentwicklung. Diese würde auch den Flächenfraß eindämmen. Der lag 2021 bei 10,3 Hektar/Tag und ist damit doppelt so hoch als auch von der Staatsregierung angestrebt. Ohne ein verbindliches Flächenziel von 5 Hektar/Tag wird das ungebremst so weitergehen. Und damit auch das Artensterben. Ganz zu schweigen von der bayerischen Blockadepolitik bei den erneuerbaren Energien (EE). Nur aufgrund entsprechender Vorgaben auf Bundesebene hat die Staatsregierung jetzt das Flächenziel für Windvorranggebiete ins LEP aufgenommen. Ein klarer Plan und klare Ziele für den Ausbau der Erneuerbaren fehlen im LEP weiterhin. Das kritisieren auch viele Verbände. Dabei gefährdet der schleppende Ausbau der EE den Wirtschaftsstandort Bayern. Die CSU ist längst zum Standortnachteil für den Freistaat geworden. Und wenn sich der Fachkräftemangel in Zukunft noch verschärft, werden sich Arbeitsnehmerinnen und Arbeitnehmer immer öfter ihren Wohn- und Arbeitsort klar nach der Attraktivität der Kommunen aussuchen. Die Wahl wird kaum auf Orte fallen, in denen die Internetverbindung marode ist, Bäckereien und Metzgereien vergeblich gesucht werden und die Kinderbetreuung schlecht ist – wer die Daseinsvorsorge vernachlässigt, schadet auf lange Sicht dem Wirtschaftsstandort Bayern. An all diesen Hebeln wollen wir ansetzen – mit verbindlichen Zielen anstatt schwammiger Grundsätze.“

 

5. Wieso fordern die Grünen einen kompletten Neustart in der Landesplanung? 


Ludwig Hartmann: „Wir sind das Herumdoktern der Staatsregierung leid. Sie verändert Teile, schraubt hier ein bisschen, da ein bisschen. Dabei könnte das LEP der Werkzeugkoffer sein, in dem für jede Baustelle das richtige Tool zu finden ist. Da wollen wir hin. Zahlreiche Verbände fordern mit uns einen Neustart. Denn in seiner jetzigen Form bleibt das Programm weit hinter dem zurück, was nötig wäre, um die Grundlagen für eine lebenswerte Zukunft in Bayern zu legen. Statt söder’schem Schlingerkurs wollen wir verbindliche Leitplanken: klare Kante für den Klimaschutz, ein Stoppschild für den Flächenfraß, eine echte Mobilitätswende, wirksamen Schutz unseres Trinkwassers, eine hochwertige Daseinsvorsorge für alle Menschen in Bayern – kurz, wir wollen alles tun, damit Bayern lebenswert bleibt. Ein gutes LEP schützt unsere Umwelt, stärkt den sozialen Zusammenhalt, macht den Wirtschaftsstandort Bayern zukunftsfähig. Daran scheitert der Entwurf, der dem Landtag jetzt vorliegt, auf ganzer Länge.“

 


 

Hintergrundinfos: Das Landesentwicklungsprogramm (LEP) gilt als Herzstück der Landesplanung. Es steuert die räumliche Ordnung und Entwicklung Bayerns. Damit trägt es entscheidend dazu bei, ob beispielsweise das Artensterben gestoppt und die schlimmsten Folgen der Klimakrise noch verhindert werden können. Ziel ist es, soziale und wirtschaftliche Ansprüche mit ökologischen Gegebenheiten in Einklang zu bringen und für gleichwertige Lebensverhältnisse zu sorgen. Das LEP wird in Teilen fortgeschrieben. Das heißt es werden einzelne Passagen geändert und angepasst. Die aktuelle Teilfortschreibung umfasst folgende Themenschwerpunkte: „Gleichwertige Lebensverhältnisse und starke Kommunen“, „Klimawandel“ und „Nachhaltige Mobilität. Die Staatsregierung hatte dazu im Dezember 2021 einen Entwurf vorgelegt. Verbände, Gemeinden etc. reichten dazu mehrere Hundert Stellungnahmen ein. Im August 2022 legte die Staatsregierung einen überarbeiteten Entwurf vor, dem ein erneutes Beteiligungsverfahren folgte. Anschließend beschloss der Ministerrat die zweite Überarbeitung des LEP.

Bevor das LEP nun in Kraft treten kann, muss zunächst der Landtag darüber beraten und es beschließen. Die Beratung des LEP und der dazu eingegangenen Änderungsanträge der Fraktionen im Wirtschaftsausschuss ist für Februar 2023 vorgesehen.