28. November 2019

Meine Erwiderung auf die Regierungserklärung von Hubert Aiwanger

Für uns Grüne ist das Ziel bei der Stromerzeugung ganz klar: 100% erneuerbar bis 2030. Denn wir sind die erste Generation, die die Folgen der Erdüberhitzung zu spüren bekommt. Wir sind aber auch die letzte, die etwas dagegen tun kann. Wir müssen jetzt die Segel anders setzen und heute daran zu arbeiten, dass wir unsere Energieversorgung auf sichere und saubere Füße stellen können!

Meine vollständige Antwort auf die Regierungserklärung des Staatsministers für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie zum Thema „Bayerisches Aktionsprogramm Energie“:

„Sehr geehrtes Präsidium, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe der Debatte mehrere Stunden gelauscht und muss feststellen, dass die Söder-Regierung im reichsten Bundesland ein wirklich armseliges Konzept für die Energiewende liefert. Ich bin wirklich tieftraurig. Das muss ich ganz ehrlich sagen. Ich bin auch enttäuscht. Was heute abgeliefert worden ist, wird unserem innovativen Wirtschaftsstandort in keiner Weise gerecht.

Schauen wir ins ganze Land. Jeder von Ihnen ist draußen in Bayern unterwegs. Von Mittenwald bis Aschaffenburg haben wir motivierte Bürgerinnen und Bürger und Stadtwerke, die um Zukunftslösungen ringen und etwas voranbringen möchten. Wir haben innovative Unternehmen, die einen Beitrag leisten wollen, damit die Energiewende in Bayern gelingt. All denen präsentieren Sie heute Klein-Klein-Maßnahmen. Die große Linie sind Sie heute jedoch schuldig geblieben.Man kann auch einfach sagen: Bayern hätte alles, damit der Kampf gegen die Erdüberhitzung zu einer Erfolgsgeschichte in Bayern wird. Bayern hat dafür alles bis auf eine Staatsregierung, die das wirklich möchte.

Ich möchte deutlich sagen: Für uns GRÜNE ist das Ziel bei der Stromerzeugung ganz klar „100 % erneuerbar bis 2030“. – Ich komme gleich zu Baden-Württemberg. – Wir wollen dieses Konzept möglichst dezentral umsetzen, damit jedes Haus, jedes Dorf und jede Stadt seinen bzw. ihren Beitrag leisten kann. Dadurch wird das nicht nur ein sicheres und sauberes Energiesystem, sondern es wird auch das demokratischste Energiesystem, das die Welt je gesehen hat. Damit machen wir Bayern wirklich zum Land der Energiegewinner.

Was Sie heute hier gezeigt haben, wird dem nicht gerecht. Sie haben doch nicht den Anspruch diesen großen Umbau eines Wirtschaftsstandorts mit dem, was Sie gerade geleistet haben, voranzubringen.Ich komme zum Iststand in Bayern, bevor ich auf die anderen Bundesländer ein-gehe. Man muss feststellen: Es ist richtig, dass wir einen starken Zubau beim Sonnenstrom hatten. Das ist vollkommen richtig. Wir hatten ihn 2010 bis 2013. – Ich kann mich gut an die Debatten hier im Landtag erinnern – Sie sich sicher auch, Herr Minister –; Markus Blume und Co. damals. Mit jedem Antrag ging es darum, das EEG weiter zu beschneiden, und diesen Ausbau eigentlich zu bremsen und ihn nicht anzufeuern. Wir hatten das gleiche beim Thema Biomasse. Der Erfolg ist 2009 gelegt worden. Seitdem tut sich nicht mehr viel.Sehen wir uns das im bundesweiten Vergleich an – vorher kamen die Zahlen von dem Kollegen Blume, was sich in den letzten Jahren getan hat –: Vor 20 Jahren hatte Deutschland einen Anteil an der Stromerzeugung – erneuerbar – von 5,2 %. Im Jahre 2018 waren wir bei 37,8 %. Das ist eine Steigerung von 630 %.Was hat Bayern in diesen 19 Jahren geliefert? Eine Steigerung – historisch bedingt – der Wasserkraft. Keiner, der heute noch hier im Raum ist, hat entschieden, dass man diese damals ausgebaut hat.(Zuruf von der CSU)Wirklich historisch bedingt hat Bayern dann bereits im Jahre 2000 Anteil von fast 20 % erneuerbarem Strom gehabt. Heute haben wir ungefähr 44 %. Das entspricht einer Steigerung von 130 %. Daran sehen wir doch, dass uns die anderen Länder in den letzten Jahren deutlich überholt haben. Wir müssen hier deutlich besser werden. Wir wollen nicht länger auf der Reservebank der Energiewende sitzen. Wir wollen wieder vorne mitspielen.

Jetzt zum Vergleich mit Baden-Württemberg: Ich finde das ganz wichtig, so ehrlich müssen wir in Bayern sein. Wir haben die Ehre, im größten Flächenbundesland in Deutschland zu leben. Wir müssen uns daher auf der Basis der Quadratkilometerzahl vergleichen, auf der Basis dessen, was dort entsteht, und nicht nur einfach mit der Anzahl der gebauten Anlagen. Nehmen wir die installierte Leistung der Windenergie pro Quadratkilometer 2018. In Bayern sind das 35,5 Kilowatt. Baden-Württemberg: 44,8 – mehr als Bayern.Ganz interessant sind die Länder, die von den GRÜNEN mitregiert waren oder sind: Hessen verzeichnet das Dreifache. Rheinland-Pfalz hat das Fünffache. Da haben wir doch deutlich gezeigt, dass der Ausbau der Windkraft funktionieren kann – auch mit den Menschen vor Ort –, wenn man das wirklich möchte.Bei dem Vergleich vom DIW, der heute schon mehrfach zitiert wurde, muss man sich die Zahlen auch genauer ansehen. Einmal gab es einen Gesamtindex. Darin liegt Schleswig-Holstein auf Platz eins, dann kommt Baden-Württemberg. Auf Platz drei folgt Bayern. Das ist nicht schlecht, aber wir sind nicht ganz vorne mit dabei; das muss man einmal zur Kenntnis nehmen.Es geht weiter. Ausgewertet wurde dort nach verschieden Kriterien. Bei den Anstrengungen zur Nutzung erneuerbarer Energien liegt Baden-Württemberg ganz deutlich auf Platz eins, während Bayern auf Platz sieben liegt. Da werden wir unserem eigenen Anspruch nicht gerecht. Da kann Bayern deutlich mehr!

Dann kurz zum Kollegen Markus Blume: Ein grün regiertes Bundesland wie Schleswig-Holstein hatte bereits im Jahre 2016 – damals haben Sie noch diskutiert, ob wir Stromleitungen bauen sollen oder nicht – einen erneuerbaren Stromanteil am Bruttostromverbrauch von – was denken Sie? – 127 %. Sie haben dort einen gewaltigen Beitrag geleistet, weil sie die Windkraft massiv ausgebaut haben. Wenn man diesen Punkt erreicht hat, ist es selbstverständlich, dass die Steigerung dann irgendwann etwas langsamer wird. Es geht nicht um legitim oder nicht, sondern es geht darum, dass jedes Bundesland zum Gelingen der Energiewende seinen Beitrag leisten muss.Ich möchte noch einmal kurz aufrufen, weil ich vor allem bei den Rednern der CSU das Gefühl hatte, dass Ihnen gar nicht so bewusst ist, warum wir die Energiewende vorantreiben:

Wir alle wissen, dass wir die erste Generation sind, die die Folgen der Erdüberhitzung zu spüren bekommt. Wir sind aber auch die letzte, die etwas dagegen tun kann. Ergreifen wir deshalb doch endlich die Chance, die Weichen anders zu stellen, die Segel anders zu setzen und heute daran zu arbeiten, dass wir unsere Energieversorgung auf sichere und saubere Füße stellen können. Ich möchte noch einmal deutlich die Kollegen der FREIEN WÄHLER ansprechen. Es ist richtig, Kollege Hubert Aiwanger, dass wir mehrere Baustellen haben. Wir haben beim Kampf für mehr Klimaschutz den Strom- und den Wärmebereich, wir haben die Mobilität, und wir haben die Agrarwende. Ich möchte heute auf den Strombereich eingehen; mein Kollege Martin Stümpfig hat schon einiges zum Bereich Wärme gesagt. Der Strombereich, da ist sich die Wissenschaft einig, ist der einfachste Bereich. Bei der Mobilität und im Wärmebereich ist es deutlich schwieriger; das haben auch die Zahlen von Herrn Aiwanger deutlich belegt. Sie schaffen es aber nicht einmal in diesem einfachen Bereich, ein Konzept vorzulegen, von dem man weiß, dass das der Weg ist, damit das funktionieren kann. Wie soll es dann mit den drei anderen Baustellen weitergehen? Es ist doch entscheidend, hier endlich voranzukommen und zu zeigen, was man mit Ambitionen wirklich machen kann. Was Sie vorgelegt haben, ist enttäuschend.Leider ist Markus Söder nicht mehr da und hört sich die Debatte an. Ich habe mir seine Rede auf dem Parteitag der CDU teilweise angehört. Man kann sagen, es war durchaus eine interessante Rede. Ich fand aber interessant – und übrigens auch sehr lehrreich, Herr Kollege –, dass er davon gesprochen hat, man könne von den GRÜNEN lernen, dass wir begeistern können. Der Kollege Martin Stümpfig hat doch vorher genau gezeigt: Wenn man für ein Thema brennt, wenn man eine Lösung findet, wenn man Herausforderungen als Chance begreift und sie anpackt, dann kann man begeistern. Wenn man jedoch so etwas abliefert wie Sie heute, dann kann man nicht begeistern. So einfach ist das Ganze!

Ich möchte für die FREIEN WÄHLER noch einmal zurückblicken – Sie können nichts dafür, im Jahre 2000 waren Sie nicht im Bundestag vertreten, so, wie auch heute noch nicht –, und darstellen, warum es so wichtig ist, Wind und Sonne auszubauen. Ihre Zwischenbemerkung zu meinem Kollegen kam vorhin so herüber, als würde Sie das gar nicht interessieren, das sei alles nicht neu. Es ist richtig, Wind und Sonne auszubauen ist an sich nicht neu. Wir müssen aber das Tempo gewaltig erhöhen. Wir haben damals, im Jahre 2000, alle erneuerbaren Energien auf die gleiche Startlinie gesetzt. Jeder hat eine relativ hohe Vergütung bekommen, und wir haben ein Wettrennen der erneuerbaren Energien eröffnet. Jetzt haben wir festgestellt, dass wir nur zwei wirkliche Gewinner haben – Wind und Sonne. Die Ingenieure haben uns genau das geliefert, was wir brauchen. Die Anlagen wurden effizienter, die Kosten gingen nach unten.Wir wissen auch, dass bei der Biomasse die Fläche begrenzt ist. Die Biomasse hat eine Grenze. Die Wasserkraft hat eine natürliche Grenze. Das heißt, wenn wir mehr sauberen Strom möchten, wird das nur mit Wind und Sonne als Rückgrat der Versorgung funktionieren. Das ist eine ganz einfache Rechnung.

Es ist aber entscheidend, bei einem neuen Energiesystem daran zu denken, dass der Ausdruck Grundlast aus Energiesystemen des letzten Jahrhunderts stammt.
Wir müssen ein Energiesystem schaffen, das die Lastnachfrage jederzeit decken kann. Darum wird es gehen. Darum geht es.Natürlich machen es die Stromleitungen deutlich einfacher, wenn man das Strom-netz zukunftsträchtig ausbaut und es nicht begrenzt. Für uns in Bayern heißt das aber auch, die Sonnenkraft voranzubringen. Darüber sind wir uns eigentlich einig. Machen wir es aber doch konkret! Machen wir es wie Baden-Württemberg. Dort wird gerade darüber diskutiert – und ich bin gespannt, ob die CDU dort, ihre Schwesterpartei, mitmachen wird –, bei Neubauten eine Nutzungsverbindlichkeit für Sonnenstrom festzuschreiben, sodass bei jedem Neubau Solaranlagen sozusagen als Standard, als Beitrag für den Klimaschutz aufs Dach kommen.Nehmen wir die öffentlichen Liegenschaften, da ist einiges zu tun. Nehmen wir die 4.800 Schulen, die wir in Bayern haben. Das wären für Sie, Herr Aiwanger und für Markus Söder, wenn Sie sich die Fototermine aufteilen, im nächsten Jahr pro Tag sechs Fototermine. – Sie könnten einen konkreten Beitrag leisten und überall eine neue Solaranlage installieren.Ich komme noch einmal zum Thema Windkraft; das ist auch so eine Debatte. Es wurde gerade von der FDP die Versorgungslücke angesprochen, die geschlossen werden muss. Ich glaube, es unstrittig ist, dass eine Versorgungslücke kommen wird, die wir irgendwie decken müssen.

Wenn wir jetzt wissen, dass Wind und Sonne das Rückgrat der Versorgung sind und sich Wind und Sonne gegenseitig ergänzen, dann kann ich nicht nur Sonnenstrom zubauen, sondern ich muss auch die Windkraft zubauen.Aktuell hat Bayern knapp über 1.200 Windkraftanlagen. Um die Leistung der Windkraftanlagen zu vervierfachen, müssten wir, weil die Technik besser geworden ist und die Anlagen mehr Ertrag bringen, zu jeder bestehenden Windkraftanlage gerade einmal 1,2 Anlagen zubauen. Das ist nicht zu viel und im Flächenland durchaus möglich. Das müssen wir auch leisten. Ich bin felsenfest davon überzeugt, unsere Kinder werden uns eines Tages nicht vorhalten, wir hätten zu viele Windkraftanlagen gebaut. Sie werden uns verzweifelt in die Augen schauen und einfach nur fragen: Warum habt ihr nicht mehr getan, um unsere Lebensgrundlagen zu schützen? – Daran werden wir uns messen lassen müssen. Dazu leistet die Windkraft einen ganz entscheidenden Beitrag, wie auch zur Versorgungssicherheit, die wir dringend voranbringen möchten.

Ich möchte aber noch zwei weitere Punkte ansprechen, bevor ich auf den Wasserstoff zu sprechen komme, nämlich zum einen auf das Thema Versorgungssicherheit. Mit dem Konzept, das die Söder-Regierung vorgestellt hat – oder die Staatsregierung vorgestellt hat –, haben wir im Jahre 2022 in Bayern eine Versorgungslücke, die wir zwar nicht zu 100 % decken müssen, da bin ich bei Ihnen, aber zu ungefähr einem Drittel. Das heißt dann aber auch, dass wir, wenn wir Wind und Sonne nicht massiv ausbauen, Zeitfenster haben werden, in denen die Versorgungslücke an die 50, 60 bis 70 % heranrückt und wir auch auf Strom aus anderen Ländern angewiesen sind. Natürlich kann man das teilweise abdecken, aber das System wäre doch allemal verlässlicher, wenn zumindest ein Teil des Stroms bei uns in Bayern produziert wird. Damit bleibt die Wertschöpfung in der Region, und wir haben Strom aus der Heimat für die Heimat. Das sollten wir voranbringen, und das kann die Windkraft deutlich leisten. Ein Wort zum Thema Biomasse. Herr Aiwanger, da verstehe ich Sie manchmal nicht. Ich habe vollen Respekt davor, dass Sie Ihre Rede ganz frei halten. – Richtig, das ist nicht schlecht. Aber beispielsweise haben Sie gerade mal vor zwei Monaten gesagt, Sie wollten den Solarstrom um 500 Megawatt pro Jahr nach vorne bringen. Jetzt sind wir bei 800. Sie haben vor zwei Monaten gesagt, die Energieerzeugung aus Biomasse werde gleich bleiben. Jetzt aber wollen Sie diesen Bereich erweitern. Sie haben vor zwei Monaten auch gesagt, es sei gut, wenn wir die Wasserkraft halten können. Jetzt wollen Sie sie auch ausbauen. Verlässlichkeit in der Planung strahlen Sie da nicht aus, Herr Minister. Das fehlt Ihnen. Das fehlt Ihnen komplett in diesem Bereich. Wir brauchen einen Rahmen, auf den man sich verlassen kann. Wir wollen doch alle gemeinsam einen Wettstreit der Ideen und nicht weiter das Klima anheizen.Aber um einen Wettstreit der Ideen anzuheizen, muss ich mir doch Ziele setzen, damit dieser Wettstreit endlich einmal anfangen kann. Da kann man nicht einfach den Status quo verwalten und so weitermachen wie bisher.

Ich möchte zum Schluss die Punkte noch einmal kurz zusammenfassen: Wind und Sonne sind deutlich auszubauen; anders wird das nicht funktionieren. Das ist ein ganz entscheidender Baustein, um die anderen Bereiche wie zum Beispiel die Mobilität zügig voranzubringen. Egal ob Batterie oder Wasserstoff, die Grundlage ist immer sauberer Strom aus Wind und Sonne. Sonst funktioniert das Ganze nicht.Für die Wasserstoffgewinnung brauche ich auch sauberen Strom, sonst haut das physikalisch einfach nicht hin.Das heißt für uns auch: Der Umbau der Energieförderung im Stromsektor ist der erste Baustein. Es ist ein ganz entscheidender Baustein für unsere Unternehmen, die sauberen Strom benötigen. Im Interesse unseres Automobilstandortes Bayern möchten wir den Antrieb der Zukunft voranbringen. Im Interesse des ganzen Landes Bayern ist es, wirklich eine regionale Stromerzeugung zu haben und damit die Wertschöpfung im Lande zu lassen.Was Sie uns heute vorgelegt haben, ist eines reichen Staates wie unseres Landes nicht würdig. Ich hätte mir da deutlich mehr erwartet; denn aus Stärke erwächst Verantwortung. Wir sollten die Weichen so stellen, dass wir das Ziel erreichen, Bayern bis 2030 im Strombereich 100 % erneuerbar zu versorgen. Diesen Anspruch haben wir an ein starkes Land. Bayern kann das leisten.“

(Plenarsitzung des Bayerischen Landtags am 27.11.2019)