FDP-Antrag: Erdgasversorgung Bayerns (Drs. 16/338)
Meine Rede in der Plenarsitzung vom 4. Februar 2009 zum Dringlichkeitsantrag der FDP
Ludwig Hartmann (GRÜNE):
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Die FDP hat mit ihrem Dringlichkeitsantrag einen wichtigen Punkt auf die Tagesordnung gesetzt. Ob der Antrag wirklich dringlich ist, kann man in Frage stellen.
Wegen einer jahrzehntelang verfehlten Energiepolitik ist die Abhängigkeit von importierten Energieträgern gewaltig gestiegen. Das betrifft Öl, Gas, Kohle und Uran. Immer auf der Suche nach dem billigsten Energieträger, hat die Politik vergessen, auf regionale und nachhaltige Energieträger zu setzen.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Dazu kommt das katastrophale Versagen bei der Liberalisierung des Gasmarktes. Wir haben praktisch keinen Wettbewerb im Gasnetz. Der Punkt, den die FDP zu Recht in ihrem Antrag unterbringt, ist die echte Liberalisierung des Gasmarktes, weil die Stärkung des Wettbewerbs vor allem der kommunalen und kleinen Gasversorger dringend gegeben sein muss. Die GRÜNEN sind für mehr Transparenz bei der Zusammensetzung des Gaspreises. Über die Erweiterung der Speicherkapazitäten kann man sicherlich diskutieren.
Es geht auch darum, alternative Leitungsnetze und Pipelines zu schaffen. Man sollte aber die Sache nicht überdramatisch sehen. Man hat das Gefühl, dass jedes Jahr wieder das gleiche Spiel gespielt wird: Russland und die Ukraine streiten um den Gaspreis. Das ist kein Grund zur Panik; denn es ist ein Trugschluss, dass Deutschland nur alleine von Russland abhängig ist. Wir haben eine Reihe von Lieferanten aus dem westlichen Bereich. Hinzu kommt, dass Deutschland über 20 Milliarden Kubikmeter Zwischenlager für Erdgas verfügt. 3,5 Milliarden Kubikmeter sind bereits im Bau. Die Jahresmenge, die Deutschland verbraucht, beträgt dabei 88 Milliarden Kubikmeter. Wir haben einen relativ großen Puffer. Wir hatten auch noch keine ernsten Versorgungsengpässe.
Wir haben also noch Zeit zum Handeln, das heißt, uns Gedanken zu machen, wie wir von der Abhängigkeit vom Gas wegkommen. Dieses Thema, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, taucht in Ihrem Antrag nicht auf. Das ist traurig.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Die Beobachter der Weltenergiemärkte sprechen selten davon, wie lange die fossilen Energieträger noch reichen werden. Es geht auch darum, was sie eines Tages kosten werden, wann das Maximum der Förderung erreicht sein wird und die Förderung wieder abfällt.
Manche Studien gehen für das Erdgas von 10 bis 15 Jahren aus, bis der Höchstpunkt der Förderung erreicht sein wird. Beim Öl werden wir den Höchstpunkt der Förderung bereits in den nächsten Jahren erreichen. Es muss also klar sein, dass wir letztendlich vom Gas wegkommen müssen.
Der Ansatz der FDP ist interessant. Seit Jahren wurde die Abhängigkeit vom Gas politisch vorangetrieben. Wir importieren mehr Gas als früher. Das kann nicht der Ausweg aus der Energiekrise sein.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Einiges ist bereits auf den Weg gebracht worden. Ich erinnere an das Erneuerbare-Energien-Gesetz – EEG -, das von der rot-grünen Bundesregierung auf den Weg gebracht wurde. Es hat die Abhängigkeit von fossilien Energieträgern deutlich reduziert. Auf dem Gebäudesektor kommt man langsam, leider sehr langsam, voran. Gerade hier müsste mehr Tempo kommen. Es ist erstaunlich, dass die neue Energieeinsparverordnung – EnEV – weiter verzögert wird. Das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz – EEWärmeG – gilt bisher nur für Neubauten. Wir alle wissen aber, dass die Altbauten der große Bereich sind, wo wir Energie sparen könnten.
Die Landesregierung hätte Möglichkeiten, etwas in die Wege zu leiten. Bis jetzt wird nicht gehandelt.
Mit einer konsequenten Energiewendepolitik wäre es möglich, für eine ökologische Energieversorgung zu sorgen und sie ökonomisch sinnvoll zu gestalten. Die Wertschöpfung soll in der Region bleiben. Die Gelder sollen nicht in den Weltmärkten verschwinden.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Letzte Woche legte der Bundesverband Erneuerbare Energien e.V. – BEE – eine Studie vor, die davon ausgeht, dass bei dem konsequenten Ausbau der erneuerbaren Energien bis 2020 der Anteil der erneuerbaren Energien im Stromsektor bereits bei 47 % liegen könnte. Dies gilt trotz Atomausstieg und ohne einen weiteren Neubau von Kohlekraftwerken.
Bereits im Jahr 2001 hat die Deutsche Energie-Agentur in der sogenannten Netzstudie darauf hingewiesen, dass der Gasverbrauch im Strombereich durch den Anstieg der erneuerbaren Energie rückläufig sein wird.
Ganz kurz noch konkret zu Ihrem Antrag: Ich weiß nicht, was sich die Kollegen von der FDP bei der folgenden Formulierung denken: „… sich in geeigneter Weise mit Nachdruck dafür einzusetzen, …“. Schwammiger kann man es kaum formulieren. Fällt Ihnen denn keine konkrete Maßnahme ein, kein konkretes Instrument, mit dem Bayern hier aktiv werden kann? Oder soll die Staatsregierung hier Gelder bereitstellen, um den Pipelinebau voranzutreiben? Möchte die Staatsregierung per Gesetz die Lagerkapazitäten der Versorger hochschrauben? Gerade von einer Regierungsfraktion kann man doch wirklich konkrete Maßnahmen erwarten.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Oder haben Sie vor, nur schöne Ziele zu formulieren, während die konkrete Umsetzung durch die alte Garde der CSU im Ministerium erfolgt?
Ich komme zum Schluss noch auf Punkt 6, den letzten Punkt Ihres Antrags zu sprechen. Dort wird das Märchen vom angeblich ausgewogenen Energiemix in Bayern geschrieben. Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, wir haben einen Atomstromanteil von 60 %. Bei aller Liebe – wie kann man da von einem „ausgewogenen Energiemix“ sprechen?
(Beifall bei den GRÜNEN)
Das ist doch eine Vergewaltigung der Sprache. Sicher, wir haben verschiedene Ansätze, was die Atomkraft angeht. Ich will die Debatte hier gar nicht anstoßen. Sie können sich gerne zum Atomstaat Bayern bekennen, Sie können sich zur Atomabhängigkeit Bayerns bekennen. Aber lassen Sie diese Wortdreherei bitte sein.
Wir lehnen den Antrag ab, weil die entscheidende Frage der künftigen Energieversorgung darin nicht beantwortet wird. Man hat das Gefühl, an einem Tropf zu hängen und schauen zu müssen, wie man sich weiter in Zukunft versorgen kann. Das kann es nicht sein. Wir brauchen Lösungen, wir brauchen mutige Wege in Richtung einer Energiewende, kein „Weiter so“, bei dem man nur auf die Atomkraft setzt.
(Beifall bei den GRÜNEN)
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