Aussagen des Bayerischen Umweltministers Markus Söder zur Endlagerung von Atommüll
Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Ludwig Hartmann (Bündnis 90/ Die Grünen) vom 09.12.2008 mit Antwort des Bayerischen Umweltministers Dr. Markus Söder vom 23.12.2008 (kursiv dargestellt)
Der aktuelle Bayerische Umweltminister hat sich im November 2008 verschiedentlich zu Fragen der Endlagerung des Atommülls in Deutschland geäußert.
Frage 1:
a) Ist der Staatsregierung bekannt, wann die Stadtwerke München beschlossen haben, keinen Strom mehr aus der Kernenergie zu beziehen und wo dieser Beschluss der Stadtwerke veröffentlicht ist?
b) Ist die Staatsregierung darüber informiert, wann die Stadtwerke München beschlossen haben, den Kernenergiestrom durch Kraftwerke zu ersetzen, die Kohle von weit entfernten Ländern zu beziehen und wo dieser Beschluss veröffentlicht ist?
Antwort zu 1a) und b):
Aus einer Sitzungsvorlage des Referats für Arbeit und Wirtschaft der Landeshauptstadt München zur Vollversammlung des Stadtrates vom 09.05.2007 geht hervor, dass die Landeshauptstadt München in der nichtöffentlichen Sitzung am 14.03.2007 die Beteiligung der Stadtwerke München GmbH am Heizkraftwerk Herne 5 mit den Stimmen der Fraktionen von Bündnis 90 / Die Grünen /Rosa Liste und SPD beschlossen hat, um den Wegfall der Kernenergie auszugleichen.
Frage 2:
a) Welche Untersuchungen oder Gutachten liegen der Behauptung zu Grunde, dass eine Laufzeitverlängerung der 17 deutschen Atomkraftwerke um 8 Jahre zu einer CO2-Einsparung von 1 Mrd. Tonnen CO2 führen würde?
b) Welche Annahmen liegen diesen Untersuchungen bzw. Gutachten zu Grunde?
c) Hält die Staatsregierung die zu Grunde gelegten Annahmen für realistisch?
Antwort:
a) Es handelt sich um einen Wert, der auf Daten und Berechnungen der Forschungsstelle für Energiewirtschaft e.V. beruht.
b) Der Wert beruht auf der Annahme, dass ein erheblicher Teil der deutschen Kernkraftwerke durch grundlast- und vergleichsweise wettbewerbsfähige Kraftwerke, also weit überwiegend durch Kohlekraftwerke (vgl. Herne 5-Aktion des Münchner Stadtrats), ersetzt werden müsste.
c) Ja.
Frage 3:
a) Aufgrund welcher Daten kommt die Staatsregierung zu der Einschätzung, dass Bayern den höchsten Anteil an regenerativen Energien hätte?
b) Gilt die Behauptung für frühere Jahre oder ist sie noch aktuell?
c) Ist der Staatsregierung bekannt, dass die frühere Spitzenstellung Bayerns beim Anteil der erneuerbaren Energien in der Stromversorgung seit Jahren mehr und mehr verloren ging und Bayern mittlerweile nur noch den sechsten Platz einnimmt?
Antwort:
a) Aus den Daten der Studie „Vergleich der Bundesländer: Best Practice für den Ausbau Erneuerbarer Energien – Indikatoren und Ranking“ des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin und des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) Stuttgart im Auftrag der Agentur für Erneuerbare Energien e.V., Berlin von 2008“ ergibt sich, dass bei der gesamten Strommengenerzeugung aus erneuerbaren Energien Bayern mit großem Abstand führt. Im Bereich der Stromerzeugung aus Photovoltaik, Wasserkraft, Biomasse und Biogas steht Bayern jeweils auf dem 1. Platz. Lediglich bei der Windkraftnutzung kann Bayern wegen der vergleichsweise ungünstigen Windverhältnisse naturgemäß keinen vorderen Rang einnehmen. Aus der vg. Studie ist außerdem ersichtlich, dass Bayern auch bei der Wärmeerzeugung aus Tiefengeothermie, Solarthermie und Pelletheizungen jeweils den 1. Platz einnimmt. Insgesamt kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass „den größten Erfolg bei der Nutzung Erneuerbarer Energien Bayern verbuchen kann“.
b) Die in Antwort a) genannte Studie wurde Ende 2008 veröffentlicht. Eine neuere Studie mit belastbaren Daten zum Ländervergleich ist nicht bekannt.
c) In Bayern betrug der Anteil der erneuerbaren Energien im Jahr 2007 an der Stromerzeugung ca. 20 %, dies entsprach einer Strommenge von 16 TWh. Das ist mehr als das Vierfache der in Mecklenburg-Vorpommern aus erneuerbaren Energien erzeugten Strommenge. Mecklenburg-Vorpommern nimmt dabei gemessen an den Prozentanteilen mit Abstand den ersten Platz ein. Hieraus wird ersichtlich, dass der in der Frage angesprochene länderübergreifende Vergleich von Strommengenanteilen der erneuerbaren Energien am gesamten Stromverbrauch im jeweiligen Land keine große Aussagekraft hat. Wesentlich aussagekräftiger und für den Klimaschutz wirklich relevant ist die Tatsache, dass ca. 80 % der Stromerzeugung in Bayern weitgehend CO2-frei erfolgt.
Frage 4:
a) Ist der Staatsregierung bekannt, dass in Temelin bereits seit Jahren ein zweiter Reaktor in Betrieb ist?
b) Ist der Staatsregierung bekannt, dass Deutschland und Bayern schon seit Jahren Strom aus Temelin beziehen?
c) Ist der Staatsregierung bekannt, dass Deutschland und Bayern Strom aus Temelin beziehen, obwohl das Stromexportsaldo Deutschlands so hoch wie noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik war?
Antwort:
a) Ja, darüber hinaus wird in Temelin ein zweiter Doppelblock geplant.
b) und c)
Im Jahr 2008 wurden in Deutschland per Saldo 6.614 GWh aus Tschechien importiert (Import aus Tschechien 7.940 GWh, Export nach Tschechien 1.326 GWh) und aus Deutschland per Saldo 22.468 GWh Strom ins Ausland exportiert (nach vorläufigen Angaben des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft e.V.). Der Exportsaldo Deutschlands macht lediglich rd. 5 % des deutschen Nettostromverbrauchs aus. Eine Zuordnung des aus Tschechien exportierten Stroms zu einzelnen tschechischen Kraftwerken ist physikalisch nicht möglich.
Frage 5:
a) Wann begannen die Erkundungsarbeiten in Gorleben?
b) In welchen Zeiträumen wurden sie unterbrochen?
Antwort:
a) Vor über 30 Jahren begannen durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) die Erkundungsarbeiten am Standort Gorleben.
b) Nach Angaben der Deutschen Gesellschaft zum Bau und Betrieb von Endlagern für Abfallstoffe mbH (DBE) waren die übertägigen Erkundungsarbeiten 1985 weitgehend abgeschlossen und 1986 begannen die untertägigen Erkundungsarbeiten. Nach Angaben des Bundesamts für Strahlenschutz fand von 1987 bis 1989 aus technischen Gründen eine Unterbrechung von ca. 1 ½ Jahren statt. Seit 01. Oktober 2000 sind die Erkundungsarbeiten des Salzstocks Gorleben aus politischen Gründen bis heute unterbrochen (Moratorium Gorleben).
Frage 6:
a) Wo hat sich die Staatsregierung bisher dafür eingesetzt, dass die Atomaufsicht unter landeseigene Verwaltung gestellt wird?
b) Welche Initiativen plant die Staatsregierung, um die Atomaufsicht künftig unter landeseigene Verwaltung zu stellen?
Antwort zu 6a) und b):
Die Zuständigkeit für die Aufsicht über Kernkraftwerke und für entsprechende Genehmigungsverfahren liegt grundsätzlich bei den Ländern. Über die Bundesauftragsverwaltung hat der Bund aber eine Reservezuständigkeit. Er kann den Ländern in Einzelfällen Weisungen erteilen. Eine landeseigene Verwaltung würde klare Verantwortlichkeiten schaffen und Reibungsverluste beseitigen.
Frage 7:
a) Ist der Staatsregierung und ihrem zuständigen Minister bekannt, dass bei der derzeit gültigen Bundesauftragsverwaltung die Überprüfung vor Ort nicht durch eine Unterabteilung des Bundesumweltministeriums erfolgt, sondern durch die Behörden der Bundesländer?
b) Ist der Staatsregierung und ihrem Minister bekannt, dass das Bayerische Umweltministerium im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung ein Gespräch von Vertretern des Bundesumweltministeriums mit dem Gutachter TÜV nicht erlaubt hat?
Antwort:
a) Ja. Dem BMU kommen beim Vollzug des Atomgesetzes die in Art. 85 Grundgesetz vorgesehenen Befugnisse zu.
b) Der in der Fragestellung unterstellte Sachverhalt, wonach eine Erlaubnis verweigert worden sei, trifft nicht zu.
Anbei habe ich Ihnen meine Schriftliche Anfrage und die Antwort der Staatsregierung als pdf-Datei im Drucksachenlayout des Bayerischen Landtags hinterlegt.