31. Mai 2011

Unausgereifte Vorschläge – Grafenrheinfeld und Gundremmingen bis 2021 am Netz?

Zu Wochenbeginn hat die Bundesregierung die neuen Eckdaten ihrer Energiepolitik veröffentlicht. In diesem Blogbeitrag kommentiere ich zusammen mit dem Landesvorsitzenden der Bayerischen Grünen, Dieter Janecek, die Auswirkungen auf Bayern und versuche deutlich zu machen, warum wir Grüne diese Energiepolitik auf Basis der uns momentan vorliegenden Informationen aus Berlin nicht mittragen sollten.

Laut den bisher bekannt gewordenen Planungen der schwarz-gelben Bundesregierung sollen die Reststrommengen der AKWs Krümmel und Mühlheim-Kärlich auf die verbliebenen AKWs verteilt werden.  Auf feste Abschaltdaten für die einzelnen Meiler wird jedoch verzichtet. Dies bedeutet in der Konsequenz, dass die bayerischen AKWs Grafenrheinfeld und Gundremmingen bis Ende 2021 am Netz bleiben werden. Die Abschaltung von Isar II war von Schwarz-Gelb schon im Vornherein erst für 2022 vorgesehen.

Zur Verdeutlichung sei auf folgende Zahlen verwiesen:
Die neun neueren bundesdeutschen Reaktoren haben zusammen mit der übertragenen Strommenge von Krümmel und Mülheim-Kärlich insgesamt noch 929 TWh zur Verfügung (zum 1.1.2011).
Die durchschnittliche Stromproduktion der neun Reaktoren betrug im Mittel der letzten 10 Jahren etwa 95,67 TWh. Das heißt, dass bei gleichbleibendem Betrieb, die verbliebenen neun Atomkraftwerke, zu denen auch Gundremmingen und Grafenrheinfeld gehören, noch jeweils 9,71 Jahre laufen dürften, also durchschnittlich bis September 2020.
Diese Reaktoren kommen jedoch allmählich auch in ein kritisches Alter, in dem Reparaturen und Revisionen  häufiger von Nöten sein werden. Bei einem beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren Energien und deren Einspeisevorrang müsste die Leistung dieser Reaktoren zwischenzeitlich weiter gedrosselt werden. Somit reicht die Reststrommenge für die verbleibenden AKWs locker bis zum 31.12.2021.

Welche Auswirkungen eine solche Entscheidung auf den dringend benötigten, forcierten Ausbau der Erneuerbaren Energien haben würde, muss ich wohl nicht weiter ausführen. Denn wer heute in Erneuerbare Energien investieren will, müsste sich darauf verlassen, dass 2021/22 tatsächlich 12 000 MW Atomstrom schlagartig vom Netz gehen. Der Vorschlag der Bundesregierung widerspricht hier dem benötigten, kontinuierlichen Umbau unserer Energieversorgung und verfestigt die Laufzeiten: Alle verbleibenden Reaktoren sollen erst 2021, bzw. 2022 abgeschaltet werden, jedoch keines früher! Die geplante Ballung des Ausstiegs im Jahre 2021/22 verhindert eine schrittweise, kontinuierliche, klima- und umweltfreundliche Umstellung unserer Energieversorgung, da auch keinerlei ökonomische Anreize für Investitionen geschaffen werden.

Ein Problem liegt also im Festhalten der Bundesregierung an der Begrenzung der Restlaufzeiten durch Reststrommengen. Dies war zwar auch ein Teil des 2001 unter rot-grün verhandelten Atomkonsenses. Aber in der Zwischenzeit wurde dieser Konsens von den Betreibern und der Bundesregierung aufgekündigt. Der technologische Fortschritt hat sich weit stärker entwickelt, als 2001 noch anzunehmen war. Dadurch haben wir heute ganz andere Möglichkeiten beim Ausbau der Erneuerbaren Energien.

Das bisherige Muster der schwarz-gelben „Energiewende“ hat sich also nur unwesentlich verändert:
Diejenigen Monopolisten, die über Jahrzehnte einen klimaverträglichen und dezentralen Umbau behindert haben, sollen auch in Zukunft das große Geschäft machen. Der Mittelstand und die Bürgerinnen und Bürger bleiben außen vor. Warum sonst konnte man sich bislang nicht einmal dazu durchringen trotz (halber) Rücknahme der Laufzeitverlängerung das Ausbauziel bei den Erneuerbaren Energien zu erhöhen? Warum sonst wird beim Zubau von angeblich benötigten 10 GW Zusatzleistung ausschließlich in Großstrukturen gedacht? Aus Atom wird so Gas und Kohle; aktiver Klimaschutz sieht anders aus.

Statt einer zehnjährigen Betriebsgarantie für die bundesdeutschen Atomkraftwerke braucht es einen Stufenplan mit eindeutigen Abschaltdaten für jeden Reaktor. Außerdem braucht es einen schnelleren Ausstieg: Etliche Studien zeigen, dass ein wie von uns geforderter Ausstieg aus der Atomenergie bis 2017 problemlos möglich ist – ohne den Import von Atomstrom und ohne Hintertürchen für die Atomlobby. Hinzu muss ein forcierter Ausbau bei den Erneuerbaren Energien stattfinden. Wir brauchen effiziente Pläne zur Stromeinsparung.  Hierauf bleibt uns Schwarz-Gelb leider bisher die Antworten schuldig. Ohne diese Antworten und aufgrund der skizzierten Problematik, können wir dem bislang bekannten Vorschlag nicht zustimmen.

Wir wollen uns weiterhin einem gesamtgesellschaftlichen Energie- und Ausstiegskonsens nicht verschließen, aber an dem bisher bekannt gewordenen Konzept der Bundesregierung sind eine Reihe von Nachbesserungen nötig, für die wir weiterhin, im parlamentarischen Betrieb, aber auch auf der Straße, zusammen mit den vielen Umweltverbänden, Bürgerinnen und Bürgern, eintreten werden.

Ludwig Hartmann, energiepolitischer Sprecher der Grünen Landtagsfraktion

Dieter Janecek, Landesvorsitzender der Bayerischen Grünen

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