24. November 2015

Meine Rede zur Behandlung unserer Interpellation „Umsetzung der Alpenkonvention in Bayern“

Hier geht es zu einem Videomitschnitt meines Redebeitrags vom 24.11.2015. Über die dortige Playlist können Sie sich auch die gesamte Diskussion zu diesem Tagesordnungspunkt anschauen.

Weitere Informationen zu unserer umfangreichen Interpellation zur Umsetzung der Alpenkonvention in Bayern können Sie hier finden.

Hier meine Rede laut Protokoll der Plenarsitzung vom 24.11.2015:

Ludwig Hartmann (GRÜNE):
Sehr geehrtes Präsidium, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Beim Schutz der Alpen benimmt sich die CSU-Regierung wie ein Skifahrer in der Berghütte: große Reden schwingen, aber draußen nach dem ersten Meter gleich auf dem Hosenboden landen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Selbstwahrnehmung und Wirklichkeit klaffen meilenweit auseinander. Es gab immer vollmundige Ankündigungen zum Schutz unserer Bergwelt, aber Taten sind in den letzten zehn Jahren so gut wie gar nicht wahrnehmbar gewesen.
Im Zuge des deutschen Vorsitzes der Alpenkonvention bis Herbst 2016 wurde von CDU/CSU- und SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag der Antrag mit dem Titel „Die Alpen-Vielfalt in Europa – Ziele der Alpenkonvention voranbringen und nachhaltig gestalten“ eingebracht. Viele hübsche Worte sind darin zu finden, viele schöne Beschreibungen, aber von konkretem Handeln ist man meilenweit entfernt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Gute Politik misst sich nicht an schönen Worten, sondern an konkretem Handeln. Wir haben die Interpellation zum Thema Schutz der Alpen nach zehn Jahren erneut gestellt, um einen Zwischenbericht zu erhalten und zu erfahren, ob irgendetwas besser geworden ist. Man kann dies in ein paar Bereichen zusammenfassen und muss ganz ehrlich sagen, dass sich in diesen Bereichen in den letzten zehn Jahren hier in Bayern so gut wie gar nichts verbessert, sondern vieles noch deutlich verschlechtert hat. Die Verantwortung für den Schutz der Alpen braucht man gar nicht nach Berlin zu schieben. Hier ist Bayern ganz konkret in der Pflicht und hat die Verantwortung, den völkerrechtlichen Vertrag konkret umzusetzen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich möchte mit einem Themenbereich beginnen, der auch vom Finanzminister gerade angesprochen worden ist. Das ist der Flächenverbrauch. In den hochsensiblen Gebieten unseres Alpenraums hat sich der Flächenverbrauch für die Siedlungs- und Verkehrsflächen von 1992 bis 2013 um 5.335 Hektar erhöht. Man kann es auch anders ausdrücken: Dies sind 7.500 Fußballfelder bzw. das ist einmal die Fläche vom Starnberger See, die rein im Alpenbereich neu benötigt worden ist. Das ist deutlich zu viel.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Auch nach der gerade getroffenen Aussage von Minister Söder kann man nur von einem hemmungslosen Flächenfraß der Politik dieser Staatsregierung sprechen. Es ist wirklich hemmungslos, wie Sie mit dem wertvollen Gut Boden in diesem Land umgehen.
Ich möchte einen weiteren Bereich nennen und es damit noch einmal unterstreichen: Wir sind uns sicher alle darin einig, dass die Alpen zu den sensibelsten Gebieten in Bayern gehören. Man kann es eigentlich kaum glauben: In den letzten zehn Jahren wurde im Alpenbereich kein einziges neues Naturschutzgebiet ausgewiesen. Zehn Jahre sind eine verdammt lange Zeit, meine Kolleginnen und Kollegen von der CSU. Vor zehn Jahren hatten Sie noch eine Zweidrittelmehrheit. Auch das ist verdammt lange her.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Kommen wir von den Naturschutzgebieten zu den Landschaftsschutzgebieten. Ihre diesbezügliche Antwort in der Interpellation ist geradezu manipulativ. Das Landschaftsschutzgebiet Inntal-Süd wird als neu geschaffen dargestellt. Fakt ist aber, dass Sie das alte Landschaftsschutzgebiet durch eine neue Verordnung sogar noch um 650 Hektar verkleinert haben. Das wird dann als neuer Erfolg verkauft. Das ist wirklich zum Schämen!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wenn man sich die Zahlen insgesamt anschaut, so ergibt sich, dass die Landschaftsschutzfläche in Bayern im Alpenbereich in den letzten Jahren de facto um 900 Hektar zurückgegangen ist. Das lässt sich nicht mit dem Naturschutzprotokoll der Alpenkonvention in Einklang bringen. So kann das wirklich nicht weitergehen.
Die Beantwortung der Interpellation hat uns leider auch deutlich gezeigt, dass der Erhalt und der Schutz unserer einzigartigen bayerischen Landschaft nicht auf der politischen Agenda dieser Staatsregierung stehen. Sie nehmen weder Rücksicht auf die Natur noch auf den Wirtschaftszweig Tourismus in den Alpen. Ich weiß, dass Sie es kaum noch hören können, aber wenn Sie sich die Zahlen, beispielsweise jene des Tourismusverbandes, anschauen, erkennen Sie: Der Sommertourismus in den Alpen nimmt zu. Das Bedürfnis, die schöne Natur, die einmalige Landschaft, die Ruhe zu genießen und Erholung zu finden, ist der Hauptgrund für diesen Tourismus in den Alpen. Gerade diesen Bereich, der wirklich von unserem Naturwunder Alpen lebt, zerstören Sie mit jedem Eingriff für ein absurdes Wettrüsten der Skigebiete. Jedes Jahr geht es ein Stück weiter, und das alles angeheizt durch Steuermillionen für immer neue Schneekanonen und neuen Skiliftbau. Dieser Umweltvandalismus – so muss man es wirklich nennen – schreitet in immer sensiblere Gebiete voran. Die Interpellation zeigt ganz deutlich, dass Sie in der letzten Zeit bei immer mehr neuen Beschneiungsanlagen eine Umweltverträglichkeitsprüfung gebraucht haben. Sie greifen in immer sensiblere Gebiete ein, und das alles – man kann es nur so deutlich sagen – für ein Tourismuskonzept, das langfristig in Bayern keine Zukunft hat. Es ist absolut unstrittig, dass der Klimawandel, also der Temperaturanstieg, in den Alpenregionen doppelt so schnell voranschreitet wie im Durchschnitt. Das heißt, die Zukunft des Wintersports wird nicht in Bayern liegen. Hier sind wirklich neue Konzepte gefragt. Darauf geben Sie keinerlei Antworten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Man kann es sich so vorstellen: Die CSU-Staatsregierung baut in Bayern mit Steuermillionen eine Sackgasse immer weiter aus, anstatt den Weg in die Zukunft zu weisen.
Ich möchte einen weiteren Bereich ansprechen und habe an Sie, Frau Ministerin Scharf, eine dringliche Bitte. – Der CSU-Fraktionsvorsitzende Kreuzer hat ja leider gerade den Saal verlassen. Ich muss Sie wirklich bitten, standhaft zu sein und dabei zu bleiben, dass wir die Schutzzone C erhalten und dass die Skischaukel am Riedberger Horn nicht umgesetzt wird. Sollte es dazu kommen, können Sie die Alpenkonvention im wahrsten Sinne des Wortes in die Tonne treten. Wenn Sie dort das Fass aufmachen, verstoßen Sie in vielen Bereichen gegen die Konvention. Sie müssen Ihren CSU-Kolleginnen und Kollegen wirklich ins Gewissen reden und Ihnen deutlich machen, dass das dort nicht umgesetzt werden kann.
Zusammenfassend kann man sagen: Ein völkerrechtlicher Vertrag, der fast 25 Jahre alt ist, wird von der Staatsregierung eigentlich nur als reine Feiertagscharta angesehen, als ein Dokument, das man gerne aus der Schublade nimmt, um Umweltverbände zu beruhigen. Unsere Alpenlandschaft wird hingegen in keiner Weise geschützt und erhalten.
Wir fordern die Staatsregierung auf, die Alpenkonvention endlich ernsthaft und konsequent in Bayern umzusetzen. Dies ist ihre Aufgabe. Zehn Jahre hat man vertan. Jetzt ist es wirklich Zeit zu handeln.

(Beifall bei den GRÜNEN)

(…)

Meine Zwischenbemerkung auf die Ausführungen des Kollgen Beißwenger (CSU):

Ludwig Hartmann (GRÜNE):
Danke für Ihre Ausführungen.
Gerade haben Sie gesagt, dass es massenweise Maßnahmen und Projekte zur Unterstützung gäbe, in welche die Kommunen eingebunden werden, die Sie als wichtige Akteure im Alpenschutz erwähnt haben. Ist Ihnen eigentlich bekannt, dass es die Staatsregierung im Rahmen der Beantwortung gerade mal geschafft hat, vier ganze Projekte in zehn Jahren aufzuführen? Ist das nicht etwas wenig? Das sind vier Projekte in zehn Jahren für alle Kommunen am Alpenrand. Das verkaufen Sie als Erfolg. Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich das Gefühl habe, Sie haben das nicht gelesen. Oder geben Sie sich mit vier Projekten in zehn Jahren zufrieden?

(Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Das steht halt auf dem Papier, das er vorgelesen hat!)

Das ist wirklich lächerlich und erbärmlich.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Erster Vizepräsident Reinhold Bocklet: Danke schön, Herr Kollege. – Herr Kollege Beißwenger, Sie haben das Wort.

Eric Beißwenger (CSU): Herr Hartmann, was soll ich dazu sagen?

(Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Nichts!)

Das ist ganz einfach. Die Antwort könnte Sie vielleicht verunsichern. Wir könnten jetzt stundenlang über die Gesamtzahl der Projekte reden. Das wäre überhaupt kein Thema. Die Alpen haben sich fortentwickelt. Glauben Sie mir das, ich lebe da.

(Beifall bei der CSU)

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Die komplette Diskussion zu diesem Tagesordnungspunkt können Sie hier als Auszug des Plenarprotokolls nachlesen.

Bericht anlässlich der Interpellation „Umsetzung der Alpenkonvention in Bayern“ im Online-Angebot der SZ vom 20.11.2015

Bericht im Onlineangebot der „Welt“ vom 24.11.2015