29. März 2011

Energiewende jetzt!

Aktuelle Stunde gem. § 65 GeschO auf Vorschlag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Landtagsplenum vom 29. März 2011

Ludwig Hartmann (GRÜNE):

Sehr geehrtes Präsidium, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!
Wir haben in Bayern seit drei Jahrzehnten eine verfehlte Energiepolitik, die einseitig auf die Kernkraftwerke gesetzt hat. Seit drei Jahrzehnten liegt der Anteil des Atomstroms bei ca. 60 %. Traurig daran ist, dass die Staatsregierung das immer noch als ausgewogenen Energiemix bezeichnet.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Die Energiewende, die vor uns steht, ist in Bayern schwerer zu verwirklichen als in anderen Bundesländern, weil man jahrzehntelang den falschen Weg gegangen ist. Die Staatsregierung hat in puncto Energiepolitik nur zwei Sachen gemacht: Sie hat sich erstens für die Laufzeitverlängerung eingesetzt, um damit den Anteil des Atomstroms festzuschreiben. Zweitens: Seit 2000 behindert sie jegliche Bemühung, den Einstieg in das Zeitalter der erneuerbaren Energien voranzutreiben. Das begann 2000, als sie im Bundesrat und im Bundestag gegen das Erneuerbare-Energien-Gesetz – EEG – gestimmt hat. Sie haben gezielt gegen den Einstieg in das Zeitalter der erneuerbaren Energien gestimmt. Dass wir in Bayern einen höheren Anteil an erneuerbaren Energien haben, ist alleine das Verdienst der Bürgerinnen und Bürger in diesem Land und nicht das Verdienst der Staatsregierung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, die Energiewende beschränkt sich nicht alleine auf das Thema „Atomausstieg“, sondern bezieht sich auf drei entscheidende Bereiche: Energiesparen, Energieeffizienz und massiven Ausbau der erneuerbaren Energien. Ganz vorne steht der Ausstieg aus der Kernkraft, weil diese Technik definitiv nicht beherrschbar ist. Ich glaube, das ist in diesem Hause jetzt unumstritten. Entscheidend ist aber auch, dass wir endlich in den Stromnetzen Platz bekommen und die Netze nicht mehr vom Atomstrom verstopft werden, damit der Strom aus erneuerbaren Energien fließen kann. Für die erneuerbaren Energien ist entscheidend, dass die abgeschriebenen Kernkraftwerke nicht mehr gegen neue Energieanlagen konkurrieren. Das sind nicht nur die Anlagen für erneuerbare Energien, sondern auch Gaskraftwerke. Die abgeschriebenen Atomkraftanlagen müssen aus dem Strommix verschwinden. Das wird für mehr Wettbewerb und für mehr Wirtschaftlichkeit der neuen Energieanlagen sorgen. Die Betriebsgenehmigung für Isar 1 ist umgehend zu entziehen. Diese Forderung richtet sich an Umweltminister Dr. Söder, der gerade nicht im Hause ist. Er muss nicht nach Berlin blicken; denn es ist die Aufgabe des Umweltministers, der die Atomaufsicht unter sich hat. Die Entscheidung liegt in seiner Verantwortung und in seiner Macht, das zu tun. Sie können das sofort tun. Sie brauchen nicht zu warten. Sie könnten jetzt handeln.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Entscheidend ist die Effizienz bei fossilen Großkraftwerken. Der größte Teil der fossilen Großkraftwerke hat einen Wirkungsgrad von unter 40 %. Das ist ein Armutszeugnis. Neue Kraftwerke wie moderne Gaskraftwerke haben einen Wirkungsgrad von fast 60 %, mit Kraft-Wärme-Kopplung kommen sie auf einen Wirkungsgrad von 80 %. Dahin muss der Weg gehen. Für Energiesparen und Energieeffizienz muss etwas gemacht werden. Ich will aufzeigen, welche falschen Wege die Staatsregierung in den letzten Wochen, nicht nur in den letzten Jahren, gewiesen hat. Ein Beispiel sind die Nachtspeicheröfen in Bayern. Seit über einem Jahrzehnt beantragen die GRÜNEN, anlässlich der Beratung des Doppelhaushalts ein Programm aufzulegen, um die Nachtspeicheröfen auszutauschen und sie vom Markt zu bekommen. Die Nachtspeicheröfen sind ca. 5 % des nächtlichen Strombedarfs in diesem Land verantwortlich. Wir könnten die nächtliche Grundlast um 5 % senken, wenn wir auf die Nachtspeicheröfen verzichteten. Das könnten wir sofort machen. Im Zuge der Beratung zum Doppelhaushalt haben wir einen Antrag gestellt. Die Koalitionsfraktionen haben ihn abgelehnt. Wir haben beantragt, ein Förderprogramm für kleine Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen aufzulegen, damit dieser Markt in Bewegung kommt. Auch das wurde von der Koalition abgelehnt. Weitere Anträge betrafen effiziente Programme zum Austausch von Heizpumpen, Haushaltsgeräten, Elektromotoren usw. bis hin zum flächendeckenden Ausbau von Energieagenturen. Jetzt kann gehandelt werden, jetzt muss etwas passieren.
Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, für das Ziel, 100 % erneuerbare Energie zu erreichen, lohnt es sich zu kämpfen. Wir sollten von den Atomgefahren wegkommen, aber wir sollten auch den Klimawandel möglichst glimpflich ausfallen lassen. Dafür ist der Umstieg auf 100 % erneuerbare Energien unabdingbar. Weitere Bereiche kommen hinzu: Ressourcenschutz, Versorgungssicherheit und Unabhängigkeit von internationalen Energiemärkten können wir nur erreichen, wenn wir auf 100 % erneuerbare Energien setzen. Die regionalen Beschäftigungseffekte werden positiv sein. Ich habe schon oft angesprochen, wiederhole es aber gerne, dass Bayern auf dem Stromsektor eine Spitzenposition einnahm. Vor zehn Jahren stand Bayern auf Platz 1. In den letzten zehn Jahren, als das EEG funktioniert hat und andere Länder viel in erneuerbare Energien investiert haben, fiel Bayern auf Platz 7 ab. Das ist ein Armutszeugnis.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie werden sicherlich wieder ansprechen, dass die GRÜNEN gegen den Ausbau der Windkraft und gegen den Ausbau der Stromnetze seien. Ich habe mir die Arbeit gemacht und nachgesehen, wo in den letzten zwei Monaten Windkraftanlagen abgelehnt wurden. Am 01.02.2011 hat sich der Bürgermeister der GRÜNEN in der Stadt Lauf dafür eingesetzt, dass Windkraftanlagen entstehen. Die Sitzungsvorlage wurde von den Rednern der CSU und der SPD und einem der Freien Wähler gegen die Stimmen der GRÜNEN abgelehnt. Hier waren nicht wir gegen die Windkraftanlagen; wir wollten sie voranbringen. Das wurde abgelehnt.
Eine weitere Sache zieht sich bereits seit Monaten hin. In Weiden in der Oberpfalz hat der SPD-Oberbürgermeister Windkraftanlagen vorgesehen und wollte sie voranbringen. In der Bevölkerung hat sich etwas Widerstand dagegen geregt. Wer waren die Ersten, die auf der Seite der Gegner standen? Die dortige CSU-Fraktion hat sich gegen diese Windkraftanlagen ausgesprochen. Es sind nicht die GRÜNEN. Sie kommen hier nicht heraus: Sie müssen konkrete Beispiele nennen und dürfen nicht pauschal behaupten, dass wir dagegen seien. Sie schieben den Bürgerprotest meistens links zur Seite, wenn es zum Beispiel um die dritte Startbahn oder andere Großprojekte geht. Bei jeder Windkraftanlage sind Sie die Ersten, die auf der Seite derer stehen, die dagegen Bedenken äußern. Das ist sehr schade.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Erster Vizepräsident Reinhold Bocklet: Herr Kollege Hartmann, lassen Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Zeitler zu?

Ludwig Hartmann (GRÜNE): Das mache ich gerne am Schluss. Ich habe noch zwei Minuten.

(Peter Winter (CSU): Lass ihn doch zu Wort kommen!)

Gerne, wenn ich mit meiner Rede fertig bin.

Otto Zeitler (CSU): Darf ich wenigstens sagen, dass Ihre Leute gestern im Kreistag zu Schwandorf gegen Windkraftanlagen gestimmt haben?

Erster Vizepräsident Reinhold Bocklet: Herr Kollege Zeitler, ich habe Ihnen nicht das Wort erteilt. Jetzt hat Herr Kollege Hartmann das Wort. Er kann ungestört fortfahren.

Ludwig Hartmann (GRÜNE):

Darf ich darum bitten, die paar Sekunden zurückzubekommen, in denen die Uhr weitergelaufen ist?

(Tobias Thalhammer (FDP): In der Kürze liegt die Würze! Es zählt nicht die Quantität, sondern die Qualität!)

Zum Schluss möchte ich ganz kurz auf folgende Bereiche eingehen: Klar ist, dass die Energiewende Geld kosten und wahrscheinlich Milliarden verschlingen wird. Sie scheitert nicht am Geld; denn die Investoren stehen bereit. Sie scheitert daran, dass die Politik nicht bereit ist, die Rahmenbedingungen zu schaffen. Im letzten Jahr wurden weit über 15 Milliarden Euro allein für die erneuerbaren Energien investiert. Dieses Geld stammte nicht von den großen Konzernen, sondern von vielen Stadtwerken und Bürgerbeteiligungen. Das Kapital ist also da. Entscheidend ist jedoch, dass wir Kreativität und Ideen dafür bekommen, wie die Energiewende gestaltet werden kann. Hier fehlt es bei der Staatsregierung, der FDP und der CSU massiv. Vor allem fehlt der Mut, sich mit den großen Energiekonzernen anzulegen, sich endlich einmal mit Eon anzulegen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Eon bezieht knapp 45 % seines Stromes aus Atomkraftwerken. Mit diesem Unternehmen müssen Sie sich endlich einmal anlegen und die alten Bändel abschneiden und durchbrechen. Sonst werden wir nie zu einer Energiewende kommen, die den Namen wirklich verdient. Mit Eon wird das nicht funktionieren. Nehmen Sie die Bürgerinnen und Bürger und die Stadtwerke mit. Machen Sie mit denen gemeinsam eine Energiewende. Nur so kann es funktionieren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

+++++++++++++++

Anbei finden Sie Links zu einem Videomitschnitt meiner Rede. Außerdem können Sie in der angefügten pdf-Datei den Diskussionsverlauf als Auszug des Plenarprotokolls nachlesen oder über den entsprechenden Link als Videostream ansehen.

Related Files

Related Links