29. Februar 2012

Die Photovoltaik-Branche erhalten

Meine Rede zu unserem Dringlichkeitsantrag im Landtagsplenum am 29.02.2012

Ludwig Hartmann (GRÜNE):
Sehr geehrtes Präsidium, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!
Unser Dringlichkeitsantrag hat eigentlich nur ein Ziel, nämlich dass die schwarz-gelbe Bundesregierung einhält, was sie versprochen hat. Ich meine damit nicht das, was sie vor der Wahl versprochen hat, sondern das, was sie noch nach der Wahl versprochen hat, nämlich einen deutlichen Ausbau des Solarstroms in Deutschland.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Schauen wir auf die letzten Jahre zurück. Im September 2010 hat die Bundesregierung trotz der Laufzeitverlängerung im Rahmen einer großen PR-Aktion die Energierevolution in den Vordergrund gestellt und sich dafür ausgesprochen, das Zubauziel beim Solarstrom bei 3.500 Megawatt pro Jahr festzuschreiben. Die Bundesregierung hat der EU mit dem nationalen Aktionsplan für Erneuerbare Energien gemeldet, bis zum Jahr 2020 das Ausbauziel von 52.000 Megawatt Solarstromleistung festschreiben zu wollen. Was vor zwei Jahren beschlossen wurde, interessiert die Bundesregierung heute gar nicht mehr. Gott sei Dank wurden der Atomausstieg beschleunigt und acht Kernkraftwerke abgeschaltet. Trotzdem will die Bundesregierung das Zubauziel für den Solarstrom unter das Level bringen, das sie damals zusammen mit der Laufzeitverlängerung beschlossen hat.
Die Bundesregierung lässt noch einen weiteren Bereich total außer Acht; denn sie hat im letzten Herbst mit der Novellierung des EEG eine halbjährliche Absenkung der Vergütungssätze beschlossen. Es soll einen atmenden Deckel geben, der je nach Zubaugeschwindigkeit zu halbjährlichen Stichtagen abgesenkt werden soll. Ich erinnere daran, dass zum 1. Januar 2012 die Vergütung um 15 % gesenkt worden ist.
Das ist die höchste Senkung zu einem Stichtag, die wir bis jetzt hatten. Durch den starken Zubau im Dezember letzten Jahres wird zum 1. Juli erneut eine Absenkung um 15 % erfolgen. Wir haben es somit mit einer Branche zu tun, deren Marktanreizmechanismen in einem gewaltigen Tempo nach unten geschraubt und gesenkt werden. Das ist unumstritten. Nennen Sie mir eine andere Branche, bei der die Unterstützung so zügig nach unten geschraubt worden wäre.
Was jetzt gemacht wird, ist gravierend. Wir alle wissen, dass die Solarbranche die Kürzungen der letzten Jahre recht gut verkraften konnte. Jetzt sollen jedoch drei Maßnahmen zu einem Stichtag eingeführt werden. Das würde der Solarbranche in Deutschland das Genick brechen. Das möchte ich ganz offen sagen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Bundesregierung möchte einen Frontalangriff auf den Solarstrom starten. Zum einen soll die zum 1. Juli vorgesehene Kürzung auf den 9. März vorverlegt werden, zum anderen soll die Kürzung verschärft werden.
Hinzu kommt, dass nicht mehr der gesamte Strom vergütet werden soll, sondern nur noch 85 %. 15 % müssen die Leute selbst verbrauchen. Außerdem soll das Ausbauziel von 3.500 Megawatt pro Jahr bis zum Jahr 2017 aufgegeben und nach unten gefahren werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, man muss erstaunt darüber sein, wie sich die Regierungsfraktionen hier im Hohen Haus plötzlich zu Rettern der Solarbranche machen. Dies geistert momentan durch die Medien. Schauen wir einmal zurück, was im Herbst des letzten Jahres los war: Am 28. November 2011 hat die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe, Gerda Hasselfeldt, an die beiden zuständigen Minister in Berlin geschrieben, man möge doch für das nächste Treffen am 25. Januar 2012 ein Konzept vorlegen, wie die Einspeisevergütung reduziert werden könnte. Sie will also eine höhere Reduzierung als die, die im Gesetz steht. Außerdem will Frau Hasselfeldt den Zielkorridor auf 1.000 Megawatt heruntersetzen oder eine Kombination der beiden von ihr vorgeschlagenen Maßnahmen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn Sie sich jetzt in Bayern als Retter der Solarenergie darstellen, müssen Sie den Leuten sagen, dass die CSU-Landesgruppe das, was jetzt kommen soll, bereits im Herbst letzten Jahres gefordert hat.

(Dr. Martin Runge (GRÜNE): Pfui!)

Ich möchte einmal darstellen, was Sie mit dieser Hü-und-Hott-Politik bewirken. Sie betreiben eine Politik, bei der ein Gesetz, das vor zwei Monaten novelliert wurde, wieder auf den Prüfstand kommt. Jetzt wird wieder am Rad gedreht. Das Gesetz mit den neuen Vergütungssätzen ist gerade einmal zwei Monate in Kraft. Jetzt beginnen Sie eine Debatte über eine vorgezogene Kürzung. Im Hinblick auf die Planungssicherheit ist das eine Katastrophe.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie alle kennen den Ablauf, wenn Leute in eine Solaranlage investieren wollen. Sie erstellen eine Planung und nehmen Geld auf. Die Handwerker geben Angebote ab und schließen Verträge. Dann werden Module zu bestimmten Preisen geordert. Das werfen Sie einfach über den Haufen. Ich sage ganz offen: Ich habe das Gefühl, dass der Bundesregierung bewusst ist, dass der 9. März nicht zu halten ist. Das werden Sie politisch nicht durchstehen und auch juristisch wird das nicht funktionieren. Allein der Umstand, dass die beiden Minister diesen Stichtag in die Debatte gebracht haben, hat für eine reihenweise Stornierung von Aufträgen, für eine Mordsunruhe in der gesamten Branche und für eine riesige Unsicherheit bei den Investoren gesorgt. Diese Leute sollen doch in die Energiewende investieren. Das ist doch von allen Parteien gewünscht.
Bayern ist das Land der Sonne. Das ist unumstritten. 40 % der PV-Anlagen werden in Bayern installiert. Das ist auch gut so. Die Staatsregierung hat sich in ihrem Energiekonzept das Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2020 in Bayern auf 14.000 Megawatt zu kommen. Dieses Konzept ist kein ganzes Jahr alt. Sie können es aber heute schon in die Tonne treten, wenn es zu dieser Kürzung im Solar-Bereich kommen sollte.
Zum Schluss ist zu sagen: Sie betreiben in Berlin alles andere als eine Politik im bayerischen Interesse.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Im bayerischen Interesse wäre es, dafür zu sorgen, dass die Solar-Installateure, also mittelständische Betriebe, Planungssicherheit und Verlässlichkeit bekommen. Verlässlichkeit bedeutet, dass ein halbes Jahr vergehen muss, bis es zur nächsten Kürzung kommt. Erst an diesem Tag darf eine Kürzung vorgenommen werden. Es darf keine vorgezogene Kürzung geben. Vonseiten der Regierungskoalition wird immer wieder behauptet, wir würden die alten Kämpfe der großen bösen Energiekonzerne gegen die kleinen Solar-Installateure aufmachen. Auf der Webseite des „Manager Magazins“ von letzter Woche steht jedoch die Überschrift „Solar-Förderkürzung: Warum RWE, E.on und Co. jetzt aufatmen“. Dies war die Überschrift, als die anstehende Novellierung in die Medien kam. Sie betreiben eine Politik, bei der die kleinen Mittelständler in Bayern bluten müssen, damit E.on das Geschäftsmodell des letzten Jahrhunderts weiterverfolgen kann. Das ist mit uns nicht zu machen. Deshalb bitte ich um deutliche Unterstützung unseres Antrags.
Zum Antrag der Regierungsfraktionen ist zu bemerken, dass es nicht ausreicht, zu sagen, man möchte etwas mehr Zeit haben. Sie wissen so gut wie ich, dass eine große Freiflächenanlage eine längere Planungsphase erfordert. Deshalb kann man nicht in einem bis zwei Monaten mit einem großen Wurf etwas ändern. Das kann nicht funktionieren. Das kann nur heißen, bei dem zu bleiben, was beschlossen ist, nämlich bei der Kürzung um 15 % zum 01.07.2012 und keine zusätzlichen Kürzungen durchzuführen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Den Anträgen der anderen Oppositionsparteien werden wir zustimmen. Sie gehen alle in die gleiche Richtung.
Zum Schluss möchte ich noch ansprechen, dass Ministerpräsident Seehofer zwar kritisiert hat, sich aber nicht durchsetzen konnte. Was ist eigentlich aus dem mächtigen Bayern in Berlin geworden? Künftig wird im Gesetz eine Ermächtigung stehen, dass die zuständigen Minister entscheiden werden, wie die Vergütung angepasst wird. Die gesamte gesellschaftliche Debatte um die Energiewende wird wieder abseits der Parlamente und dadurch abseits der Bevölkerung geführt. Das kann es nicht sein. Man muss dringend dafür sorgen, dass die Entwürfe, die zum EEG in Berlin herumgeistern, definitiv nicht umgesetzt werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

(…)

Meine Zwischenbemerkung auf die Aussagen des Kollgen Thalhammer (FDP):

Ludwig Hartmann (GRÜNE):
Sehr geehrter Herr Kollege,
ich hoffe, dass ich Sie nicht ganz richtig verstanden habe; denn es wäre traurig, wenn ich Sie richtig verstanden hätte. Haben Sie wirklich hier im Hohen Hause gesagt, wir müssten den PV-Bereich drosseln, um den Vorrang nicht infrage zu stellen? Das wäre eine Kapitulation vor dem Thema Energiewende. Wir alle wissen, dass wir das Ziel haben, eines Tages 50 %, später 75 % und eines ferneren Tages 100 % des Bedarfs aus erneuerbaren Energien zu decken. Das würde heißen, Sie wollen sich der Aufgabe der Integration der erneuerbaren Energien ins Stromnetz und ihre Überführung in die Speicherform heute nicht richtig stellen. Sie wollen das Thema vertagen und den zeitlichen Druck herausnehmen. Sie bremsen den Solarbereich, um Zeit zu gewinnen. Sie müssen aber eine Lösung dafür finden. Die Lösung besteht doch nicht darin, den solaren Stromanteil zu begrenzen, weil man da nicht weiterkommt. Wir müssen vielmehr die Netze ausbauen und die Integration in die Netze voranbringen. Das sind doch unsere Aufgaben, und die wollen Sie einfach beiseiteschieben. Es ist wirklich skandalös, wenn man Energiewende so betreiben möchte.

(Beifall bei den GRÜNEN)

(…)

Meine zweite Zwischenbemerkung auf die Rede des Kollegen Reiß (CSU):

Ludwig Hartmann (GRÜNE):
Herr Kollege Reiß,
Sie haben einige sinnvolle Äußerungen gemacht, die ich durchaus unterstützen kann. Es fehlt aber etwas am Gesamtkonzept. Sie haben aus bayerischer Sicht Standpunkte vertreten, die die Offshore-Anlagen und die Freiflächenanlagen in Bayern betreffen. Würden Sie mir zustimmen, dass die neuen Solarstromanlagen, die jetzt installiert werden, gar nicht mehr der wahre Kostentreiber sind, weil die Vergütung in den letzten Jahren um 50 % reduziert wurde und die Vergütungssätze jetzt bei etwa 20 Cent liegen?
Die weitere Frage, auf die Sie gar nicht eingegangen sind, betrifft den Zielkorridor:
Wie weit möchte die Staatsregierung bzw. die CSU-Fraktion mit dem Anteil von Solarstrom kommen? Jetzt hatten wir immer einen Zielkorridor von 3.500 Megawatt pro Jahr. Bei den Anhörungen in der Energiekommission hat die Deutsche Energie-Agentur bei den Energieszenarien immer mit diesem Zubau pro Jahr gerechnet. Diesen Zubau hat man auch an die EU gemeldet. Wo ist die Zubaugrenze oder wo ist der Zielkorridor, den sich die CSU in Bayern vorstellt?
Nachdem darüber aktuell diskutiert wird, reden wir davon, dass wir ab dem Jahr 2017 einen Korridor zwischen 900 und 1.900 Megawatt haben werden. Ist es wirklich der Wunsch der CSU in Bayern, diesen Korridor nach unten zu bringen, ganz abgesehen von der Höhe der Vergütung? Hier geht es um den Korridor des Zubaus.

(…)

Meine Zwischenbemerkung auf den Vortrag des Wirtschaftsministers Zeil (FDP):

Ludwig Hartmann (GRÜNE):
Sehr geehrter Herr Minister, ganz kurz vorweg:
Dass Bayern als Solarland die Nummer eins ist, ist nicht das Verdienst der Bayerischen Staatsregierung, sondern der Bürgerinnen und Bürger in diesem Land. Das möchte ich zunächst klarstellen.
Was mich an Ihrer Argumentation erstaunt, ist, dass Sie die 10-Megawatt-Freiflächenanlagen in den Vordergrund stellen. Machen Sie sich überhaupt Gedanken, wie viele Anlagen das in Bayern sind? Es wäre gut, einmal die Zahl zu wissen.
Außerdem stellt sich die Frage: Wer betreibt diese großen Anlagen? Das sind auch wieder nicht die Bürgerbeteiligungsfonds, sondern es werden die großen Konzerne sein. Warum ist es Merkmal der Staatsregierung, bei der Energiewende immer massiv auf der Seite der großen Konzerne und nicht bei den kleinen Mittelständlern zu stehen? Richtig wäre gewesen, wenn Sie einen Schwerpunkt auf die kleinen Dachanlagen gesetzt hätten und es dort eine Planungssicherheit gäbe. Aber Sie betonen in Ihrer Rede wie auch im Antrag definitiv die 10-Megawatt-Anlagen, bei denen die Grenze gezogen wird. Dass Ihnen die ein Dorn im Auge sind, verstehe ich nicht ganz.

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Anbei finden Sie Links zu Videomitschnitten meiner Rede. Außerdem können Sie in der angefügten pdf-Datei den Diskussionsverlauf als Auszug des Plenarprotokolls nachlesen.
Die in Verbindung stehende gleichlautende Nachricht führt Sie zu weiteren Informationen über unseren Antrag.

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