26. Juni 2013

Ausbau der Windenergie in Bayern (2): Planungsgrundlagen des Freistaates

Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Ludwig Hartmann, Bündnis 90/Die Grünen, vom 17.05.2013, mit den Antworten der Staatssekretärin im Ministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie, Katja Hessel, vom 26.06.2013 (kursiv dargestellt)

Aufgrund der mehrmaligen Ankündigung eines neuen Windatlasses und weiterer Planungsgrundlagen im Zusammenhang mit der Windenergie in Bayern durch verschiedene Staatsminister, frage ich hiermit die Staatsregierung:
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
die Schriftliche Anfrage beantworte ich in Abstimmung mit dem Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit wie folgt:

1. a.) Wann wird ein neuer Windatlas erscheinen?
zu 1. a): Der derzeitige Bayerische Windatlas aus dem Jahr 2010 zeigt die Potenziale zur Nutzung der Windenergie in Bayern auf und gibt Planern, Regionen, Gemeinden sowie denjenigen Bürgerinnen und Bürgern, die sich an einer Windkraftanlage beteiligen möchten, hilfreiche Informationen. Er dient der Erarbeitung regionalplanerischer Windkraftkonzepte, ersetzt jedoch nicht eine umfassende Standortanalyse und ein detailliertes Windgutachten. Da inzwischen verbesserte Berechnungsmethoden und Datengrundlagen vorliegen, wird der Bayerische Windatlas neu aufgelegt. Mit der Fertigstellung des neuen Bayerischen Windatlas wird im Herbst 2013 gerechnet.

1. b) Wann wurde mit der Ausarbeitung der Ausschreibung zur Erstellung der Datengrundlage für einen neuen Windatlas durch das Staatsministerium für Wirtschaft, Verkehr, Infrastruktur und Technologie begonnen?
zu 1. b) Vor der Vergabe der Neuauflage des Bayerischen Windatlas wurde ein runder Tisch aus Sachverständigen einberufen. Die Bekanntmachung des Öffentlichen nationalen Teilnahmewettbewerbs im Rahmen des Vergabeverfahrens im bayerischen Vergabeportal www.auftraege.bayern.de erfolgte am 4. Dezember 2012.

1. c) Wenn die Ausschreibung bereits abgeschlossen ist, wer erhielt den Zuschlag?
zu 1. c) Der Zuschlag wurde am 2. April 2013 Sander + Partner erteilt.

2. a) Wie lange dauert die Ausarbeitung von Ausschreibungen des Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr, Infrastruktur und Technologie in dieser Größenordnung in der Regel durchschnittlich?
zu 2. a): Zeiten zur Vorbereitung von Vergabeverfahren werden nicht systematisch erfasst. Abhängig vom Thema und Umfang der Vergabe dauert eine Vorbereitung zwischen drei Tagen und mehreren Monaten.

2. b) Welches Verfahren zur Erstellung der Datengrundlage für einen neuen Windatlas gibt das Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Infrastruktur und Technologie vor?
zu 2. b): Die bei der Berechnung der Windverhältnisse anzuwendende Methodik wurde vom Auftraggeber nicht vorgegeben. Eine Vielzahl von Berechnungsmodellen ist auf dem Markt. Die vom Dienstleister ausgewählte Methodik musste für die Berechnung von Windgeschwindigkeiten ausgelegt sein sowie speziell für die Anwendung in Bayern geeignet sein, d.h. für eine stark orographisch gegliederte Topographie. Bei den Zeiträumen der verwendeten Datenreihen war darauf zu achten, dass diese so lang wie möglich sind.

3. a) Zu welchen Ergebnissen hinsichtlich der verschiedenen Wertstufen kommt die „Bayernweite Landschaftsbildbewertung gemäß den Hinweisen zur Planung und Genehmigung von Windkraftanlagen in Bayern („Windkrafterlass“)“, die das Landesamt für Umwelt in Auftrag gegeben hat?
b) Wie groß ist insgesamt die Fläche der jeweiligen Gebiete, die unter die verschiedenen Wertstufen fallen (bitte zusätzlich auch den prozentualen Anteil an der Gesamtfläche Bayerns angeben)?
zu 3. a) und b): Für den einheitlichen Vollzug des Bayerischen Windenergieerlasses in Bezug auf die Ermittlung der Ersatzzahlungen wurde das LfU beauftragt, im Maßstab 1:100 000 eine Bewertung des Landschaftsbildes für ganz Bayern vorzunehmen. Die Studie ist noch nicht abschließend bewertet. Sie soll eine Grundbewertung der bayerischen Landschaften in vier Wertstufen gemäß Windenergieerlass liefern.

4. a) Wann werden diese Ergebnisse in den Windkrafterlass eingearbeitet?
b) Welche Änderungen ergeben sich dadurch zur ursprünglichen Regelung hinsichtlich der Landschaftsbildbewertung?
zu 4. a) und b): Die Ergebnisse der Studie müssen nicht in den Windenergie-Erlass eingearbeitet werden. Die Studie liefert eine Grundlage für die Anwendung der Matrix des Kapitels 9.3.3 des Windenergie-Erlasses. Es ergeben sich daher auch keine Änderungen der Landschaftsbildbewertung.

5. Welche Behörde hat bisher bei je welchem konkreten Bauprojekt entschieden, welcher Wertstufe der Standort unterliegt (bitte einzeln auflisten)?
zu 5.: Zuständige Behörde für die Genehmigung von Windkraftanlagen bis einschließlich 50 Meter Gesamthöhe ist die untere Bauaufsichtsbehörde gemäß Art. 53 Abs. 1 Satz 1 BayBO. Bei einer Gesamtanlagenhöhe von mehr als 50 Metern bedarf es einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung (Nr. 1.6., Spalte 2 des Anhangs der 4. BImSchV) durch die Kreisverwaltungsbehörde bzw. untere Immissionsschutzbehörde (Art. 1 Abs. 1 lit. c) BayImSchG). Im jeweiligen Genehmigungsverfahren wird u.a. die Höhe der zu leistenden Ersatzzahlung nach § 15 Abs. 6 Satz 1 BNatSchG einheitlich durch die verfahrensführende Behörde festgelegt (§ 17 Abs. 1 BNatSchG).  Auch die Einordnung in die gemäß Windkrafterlass maßgeblichen Wertstufen erfolgt jeweils durch die o.g. verfahrensführende Behörde, diese beteiligt im Regelfall die untere Naturschutzbehörde als Träger öffentlicher Belange am Verfahren.

6. a) Welche Ersatzzahlungen wurden seit Erscheinen des Windkrafterlasses für welche Anlagen geleistet (bitte einzeln auflisten)?
zu 6. a): Vgl. anliegende Tabelle. Diese wurde aus den beim Bayerischen Naturschutzfonds vorliegenden Daten erstellt.

6. b) Wie hoch wären die in Frage 6. a) abgefragten Ersatzzahlungen nach der neuen Landschaftsbildbewertung, in Auftrag gegeben vom Landesamt für Umwelt, gewesen (bitte einzeln auflisten)?
zu 6. b): Eine fiktive Neubewertung aller Ersatzzahlungen entsprechend dem Projekt zur bayernweiten Bewertung des Landschaftsbilds ist nach Angaben des zuständigen Umweltministeriums mit vertretbarem Aufwand – auch vor dem Hintergrund, dass für die Anwendung weiterhin die jeweils verfahrensführende Behörde zuständig ist – nicht möglich.

6. c) Werden etwaige Differenzen im Nachhinein mit den Betreiber*innen der Windkraftanlagen verrechnet?
zu 6. c): Mit Schreiben des StMUG vom 29.02.2012 wurden die Genehmigungsbehörden angehalten, für Windkraftanlagen, die nach dem 20.12.2011 beantragt wurden, einen Widerrufsvorbehalt nach Art. 36 Abs. 2 Nr. 3 BayVwVfG für die Höhe der naturschutzrechtlichen Ersatzzahlung aufzunehmen. Der Vorbehalt gilt für den Fall, dass sich nach der Erstellung der bayernweiten Einwertung des Landschaftsbildes durch das LfU eine für den Antragssteller günstigere Sachlage ergibt. Der Widerruf erfolgt auf Antrag des Antragstellers durch die jeweilige Genehmigungsbehörde.

7. a) Welche tatsächlichen und prozentualen Anteile an der gesamten Landesfläche haben die in der „Gebietskulisse Windkraft als Umweltplanungshilfe für Kommunen“ genannten Kategorien Hellgrün, Grün, Gelb, Orange, Rot und ohne Farbe heute?
zu 7. a): In der Gebietskulisse Windkraft als Umweltplanungshilfe für Kommunen betragen die tatsächlichen und prozentualen Anteile an der gesamten Landesfläche im Einzelnen:
hellgrün (Windkraftnutzung (WK) voraussichtlich möglich, mittlere Windgeschwindigkeit 4,5 – 4,9 m/s): 57.187 ha, 0,8 %
dunkelgrün (WK voraussichtlich möglich, mittlere Windgeschwindigkeit größer 4,9 m/s): 77.880 ha, 1,1 %
gelb (WK im Einzelfall möglich): 883.750 ha,  12,5 %
orange (WK ausgeschlossen, wenn Erhaltungsziel erheblich beeinträchtigt): 84.979 ha, 1,2 %   
rot  (WK voraussichtlich nicht möglich): 4.838.728 ha, 68,6 %      
ohne Farbe  (nach Bayerischer Windatlas 2010 nicht ausreichend windhöffig): 1.112.908 ha, 15,8 % 

7. b) In welchen Kommunen haben sich seit Einführung der Gebietskulisse auf Basis welcher Begründung Änderungen bei der Einteilung in die verschiedenen Kategorien ergeben (bitte einzeln auflisten)?
zu 7. b): Seit der Veröffentlichung der Gebietskulisse Windkraft  als Umweltplanungshilfe für Kommunen im Mai 2012 haben sich die Flächenanteile nicht geändert. Das LfU sammelt derzeit alle Änderungswünsche der Kommunen und wird diese bei der Neuberechnung der Gebietskulisse Windkraft nach Vorliegen des neuen Bayerischen Windatlas einpflegen. 

7. c) Wenn aufgrund genauer Windmessungen Anlagen auf Standorten der „Gebietskulisse Windkraft als Umweltplanungshilfe für Kommunen, Kategorie ohne Farbe“ errichtet werden und es sich herausstellt, dass es sich bei diesem Standort, abgesehen von der in der Gebietskulisse zugrunde gelegten Windgeschwindigkeit, um einen Standort der Kategorie grün handeln würde, reduziert sich dann die Ersatzzahlung um 50 %?
zu 7. c): Entsprechend Kapitel 9.3.3 des Windenergie-Erlasses reduziert sich die Ersatzzahlung um 50 %, wenn die Windkraftanlage im Rahmen der vom LfU ermittelten „Gebietskulisse Windkraft als Umweltplanungshilfe für Kommunen, Kategorie grün“ oder in einem im Regionalplan ausgewiesenen Vorranggebiet für Windenergie errichtet wird. Aus Gründen der Rechtssicherheit und -klarheit stellt der Windkrafterlass auf eine formale Einordnung des Gebiets ab. Einzelfallprüfungen vor Ort finden daher nicht statt. Sobald der neue Bayerische Windatlas vorliegt, wird auch die Gebietskulisse neu berechnet. Sofern sich im Rahmen dieses Verfahrens neue windhöffige Gebiete abzeichnen, werden diese geprüft und – bei Vorliegen aller hierfür erforderlichen Voraussetzungen – gegebenenfalls als grün eingeordnet.

Um Beantwortung gemäß Geschäftsordnung und Drucklegung wird gebeten.

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Anbei habe ich Ihnen meine Schriftliche Anfrage und die Antworten der Staatsregierung als pdf-Datei im Drucksachenlayout des Bayerischen Landtags hinterlegt.