1. März 2016

Auftragsvergabe bei der Überwachung von Atomanlagen in Bayern

Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Martin Stümpfig und Ludwig Hartmann, Bündnis 90/Die GRÜNEN, mit den Antworten der Staatsministerin für Umwelt und Verbraucherschutz, Ulrike Scharf, vom 01.03.2016 (kursiv gestellt)

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
die Schriftliche Anfrage beantworte ich wie folgt:

Vorbemerkung:
Die Bayerische Staatsregierung hat bereits bei der Errichtung der ersten kerntechnischen Anlagen in Bayern den damaligen „Technischen Überwachungsverein“, die heutige TÜV SÜD Industrie Service GmbH (TÜV SÜD) zugezogen. Sowohl die Genehmigung für den FRM vom 31.01.1958 als auch diejenige für das Versuchsatomkraftwerk Kahl (VAK) vom 08.11.1960 nahmen auf entsprechende Gutachten des Technischen Überwachungsvereins Bezug.
Angesichts der Komplexität einer kerntechnischen Anlage hat es sich im Interesse einer sachkundigen und effizienten Unterstützung bewährt, in der anschließenden Aufsicht über Errichtung und Betrieb der Anlage denjenigen Gutachter als Sachverständigen nach § 20 AtG zuzuziehen, der bereits das Vorhaben begutachtet hat. Entsprechend hat die Bayerische Staatsregierung (seit 1970 das StMUV) im Laufe der Jahre eine Vielzahl von Verträgen mit dem TÜV SÜD abgeschlossen, darunter unbefristete Rahmenverträge, die die Pflichten der Vertragsparteien unabhängig von konkreten Einzel- und Daueraufträgen regeln. Sie wurden immer wieder an veränderte Randbedingungen angepasst. Die letzte Anpassung erfolgte im Jahr 2009.
Nachdem sich in einem Ausschreibungsverfahren im Jahr 2012 für die Sachverständigentätigkeit im Zusammenhang mit der Stilllegung des Kernkraftwerks Isar 1 keine annähernd gleichwertige Alternative zum TÜV SÜD ergeben hatte, wurde dem TÜV SÜD der Zuschlag erteilt. Anschließend wurden die Daueraufträge für die übrigen Kernkraftwerke gem. § 3 Abs. 4 Buchst. c EG VOL/A im Jahr 2014 um die Begutachtung der Stilllegungsverfahren erweitert. Dies wurde entsprechend § 23 EG VOL/A europaweit bekannt gemacht. Einsprüche wurden nicht eingelegt.
Der TÜV SÜD hat in der Vergangenheit bis zu 300 Spezialisten ausschließlich für den kerntechnischen Bereich beschäftigt. Da der TÜV SÜD nicht nur von der Bayerischen Staatsregierung für die kerntechnischen Anlagen in Bayern kontinuierlich als Sachverständiger nach § 20 AtG zugezogen wurde, sondern in gleicher Weise auch von anderen Landesregierungen z. B. für die Kernkraftwerke in Hessen, war und ist er in der Lage, einen hohen Grad an spezialisiertem Fachwissen zu gewährleisten. Für spezielle Fragestellungen wurden vom StMUV regelmäßig auch andere Sach- verständige beauftragt, z. B. für Fragen der Baustatik die Landesgewerbeanstalt Bayern (LGA) und die Stangenberg und Partner Ingenieur GmbH im Einvernehmen mit der bei Baubeginn zuständigen Baugenehmigungsbehörde sowie für Notfallschutzübungen seit Beginn der 1990er Jahre die EnergieSystemeNord GmbH. Durch die Kontinuität in der Beauftragung konnte außerdem − nicht nur in Bayern − eine umfassende und verlässlich verfügbare Anlagenkenntnis bei den Sachverständigen nach § 20 AtG sichergestellt werden.
Die Kosten für die Sachverständigentätigkeit werden dem StMUV auf der Basis von Stundensätzen und sonstigem Aufwand in Rechnung gestellt und sind von den Betreibern entsprechend den kostenrechtlichen Vorschriften des Atomrechts als Auslagen zu erstatten. Zur Vermeidung von unnötigem Verwaltungsaufwand werden die Kostenaufstellungen vom StMUV geprüft und die Rechnungen unmittelbar von den Betreibern beglichen.

1. a) Welche Unternehmen prüfen und prüften welche Kernkraftwerke in Bayern als Sachverständige nach § 20 Atomgesetz?
Ganz überwiegend der TÜV SÜD, im Übrigen siehe Vorbemerkung.
b) Welche Zahlungen sind in diesem Zusammenhang wann wofür an die Unternehmen geflossen (bitte aufgeteilt nach Unternehmen und Atomanlagen)?

Kosten der Sachverständigenleistungen des TÜV SÜD seit 1990 insgesamt
in 1.000 € (ohne Mehrwertsteuer und gerundet)

160314 SchA Ueberwachung AtomanlagenFür den Zeitraum vor 1990 liegen im StMUV keine Unterlagen vor.

2. a) Wurden entsprechende Aufträge öffentlich ausgeschrieben?
b) Falls ja, in welcher Form fanden diese Ausschreibungen statt und welche Art des Vergabeverfahrens wurde gewählt?
c) Falls nein, aus welchem Grund erfolgte keine Ausschreibung und wie wurde der Verzicht auf eine öffentliche Ausschreibung vergaberechtlich begründet?

3. Was war jeweils mit welcher Gewichtung das Zuschlagskriterium für den vergebenen Auftrag?

4. a) Wurden Rahmenverträge mit Sachverständigenorganisationen abgeschlossen?
b) Welche Laufzeit haben/hatten diese?


Zu den Fragen 2. – 4. wird auf die Vorbemerkung verwiesen.

5. a) Gab es Erstattungen des Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz an die Betreiber von Kernkraftwerken in Bayern für Zahlungen an Sachverständige nach § 20 des Atomgesetzes?

nein

b) falls ja, an welche Betreiber wann in welcher Höhe (bitte aufgeteilt nach Unternehmen und Atomanlagen?

entfällt

6. a) Sind bayerische Kernkraftwerksbetreiber Mitglied des TÜV Süd e.V. und/oder des TÜV Nord e.V.?
b) Falls ja, um welche handelt es sich hierbei?
c) Verfügen diese über ein Stimmrecht in den Gremien des TÜV Süd bzw. TÜV Nord e.V.?

Bei den Betreibern der Bayerischen Kernkraftwerke handelt es sich um die E.ON Kernkraft GmbH, die RWE Power AG sowie die Kernkraftwerk Gundremmingen GmbH. Auf Anfrage hat der TÜV SÜD mitgeteilt, dass in der Mitgliederversammlung des TÜV SÜD e.V. die großen Energieversorger mit ihren Töchtern insgesamt über rund ein Dutzend der insgesamt 13.000 Stimmen verfügen.

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Hier habe ich Ihnen meine Schriftliche Anfrage und die Antwort der Staatsregierung auch als pdf-Datei im Drucksachenlayout des Bayerischen Landtags hinterlegt.