15. November 2011

Versorgung von bayerischen Stromkunden durch ausländische Stromversorger

Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Ludwig Hartmann, Bündnis 90/Die Grünen, vom 10.10.2011, mit den Antworten der Staatssekretärin im Ministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie, Katja Hessel, vom 15.11.2011 (kursiv dargestellt)

Ökostromanbieter aus Deutschland bieten grundsätzlich die Lieferung von Strom aus erneuerbaren Energien bundesweit an. Auch wenn man in Deutschland wohnt, gibt es Orte, die durch einen ausländischen Stromversorger als Grundversorger beliefert werden, wie z.B. die Stadt Füssen in Bayern. Ins ausländische Stromnetz, z.B. ins österreichische oder schweizerische Stromnetz, ist aber die Möglichkeit einer Einspeisung für die deutschen Ökostromanbieter rechtlich nicht zwingend möglich.
BewohnerInnen dieser Gemeinde haben daher keinen Anspruch von einem deutschen Ökostromanbieter beliefert zu werden, sondern müssen sich einen Anbieter auf der Seite Österreichs oder der Schweiz suchen.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Staatsregierung:
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
die Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Ludwig Hartmann darf ich wie folgt beantworten:

1.     Welche Gemeinden in Bayern haben einen ausländischen Stromversorger als Grundversorger nach dem EnWG?
2.     Wie viele Stromkunden in Bayern sind davon betroffen, ihren Stromanbieter in Deutschland nicht frei wählen zu können sondern auf ausländischer Seite einen Anbieter in Anspruch zu nehmen?
Zu Frage 1 und 2:
Nach dem derzeitigen Kenntnisstand des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie als Landesregulierungsbehörde (StMWIVT) ist eine Belieferung von vier bayerischen Versorgungsgebieten (Teilnetz Freilassing / Berchtesgadener Land; Teilnetz Rotthalmünster / Weidach; Teilnetz Vorarlberg sowie Teilnetz Reutte und Füssen) aus historischen Gründen ausschließlich über das vorgelagerte österreichische Stromnetz möglich.
Einen ausländischen Grundversorger haben jedoch nur die Gemeinden Balderschwang, Heimenkirch, Hergatz, Hergensweiler, Lindenberg, Oberreute, Opfenbach, Scheidegg, Sigmarszell und Weiler-Simmerberg. In diesen Gemeinden ist die Vorarlberger Kraftwerke AG mit Sitz in Bregenz Grundversorger. Der in der Schriftlichen Anfrage angesprochene Grundversorger der Stadt Füssen hat seinen Firmensitz in Deutschland und ist daher nicht als ausländischer Stromversorger zu betrachten.

3.     Auf Basis welcher Regelungen in der Bundesrepublik, den jeweiligen Nachbarländern bzw. der EU erklärt sich der Umstand dass ausländische Stromversorger die Durchleitung von Strom von deutschen Ökostromanbietern nicht erlauben?
Zu Frage 3:
Die Wechselmöglichkeiten in exterritorialen Versorgungsgebieten sind deshalb eingeschränkt, weil nur wenige Versorgungsunternehmen bereit sind, den damit verbundenen Mehraufwand in Kauf zu nehmen. Dies gilt generell und nicht nur für Ökostromanbieter: Für die Versorgung von exterritorial angeschlossenen Kunden im Wege der Durchleitung müssen sich deutsche Stromanbieter nämlich dem österreichischen Bilanzgruppenmanagement unterwerfen. Hierfür ist neben der Zahlung einer Anmeldegebühr bzw. einer laufenden Gebühr auch die Bereitstellung von Sicherheiten in erheblicher Größenordnung erforderlich. Gleiches gilt für eine Belieferung durch österreichische Stromanbieter. Diese müssen sich für eine Belieferung von exterritorialen Kunden den deutschen Regelungen unterwerfen und insbesondere die vom deutschen Gesetzgeber auferlegten Belastungen wie EEG- und KWK-Abgabe in ihre Strompreise einkalkulieren. Es ist bedauerlich, dass nur wenige Stromanbieter bereit sind, den mit der Versorgung exterritorialer Gebiete verbundenen finanziellen und tatsächlichen Aufwand auf sich zu nehmen, um in grenznahen deutschen Netzgebieten Wechselangebote zu unterbreiten.
Ein Wechsel zu alternativen Stromanbietern ist allerdings auch in den exterritorialen Versorgungsgebieten möglich. So ist beispielsweise in dem Versorgungsgebiet Füssen eine alternative Belieferung durch die Lechwerke AG, die E.ON Bayern Vertrieb GmbH, Vorarlberger Kraftwerke AG, Energieallianz Austria GmbH (Wien) und ENAMO GmbH (Linz) im Wege der Durchleitung möglich. Den betroffenen Verbrauchern steht daneben die Möglichkeit offen, sich im Wege der sog. Beistellung von einem alternativen Stromanbieter beliefern zu lassen. Bei einem Beistellungsverhältnis wird der Strom im Gegensatz zur Netznutzung nicht durch das vorgelagerte österreichische Stromnetz durchgeleitet. Vielmehr kauft der alternative Stromanbieter den Stadtwerken Lindau die benötigte Strommenge ab; er lässt sich den Strom also vom Netzbetreiber vor Ort „beistellen“, um den Kunden überhaupt Strom liefern zu können. Nach Kenntnissen des StMWIVT beliefern im Versorgungsgebiet Füssen gegenwärtig 30 alternative Stromanbieter Kunden auf diesem Wege.
Die Landesregulierungsbehörden von Bayern und Baden-Württemberg erarbeiten derzeit zusammen mit der Bundesnetzagentur und den österreichischen sowie schweizerischen Regulierungsbehörden ein Modell, um die Schwierigkeiten beim Wechsel zu alternativen Stromanbietern in exterritorialen Versorgungsgebieten zu lösen. Eine einheitliche, länderübergreifende Lösung wurde jedoch bislang noch nicht gefunden.
Ausdrücklich ist darauf hinzuweisen, dass Regelungen, die eine Versorgung von exterritorial angeschlossenen Stromkunden durch deutsche Ökostromanbieter verbieten, nicht existieren. Wie bereits ausgeführt, sind nur wenige Stromanbieter bereit, den Mehraufwand für die Belieferung grenznaher Versorgungsgebiete – durch die Notwendigkeit der Einhaltung von österreichischen Marktregelungen – auf sich zu nehmen. In diesem Zusammenhang ist jedoch darauf hinzuweisen, dass sich der über Österreich bezogene Strommix hauptsächlich aus Wasser- und Wärmekraft zusammensetzt. Aufgrund des Atomsperrgesetzes sind in Österreich keine Kernkraftwerke in Betrieb. Damit ist die Anbindung an das österreichische Stromnetz aus ökologischer Sicht sogar vorteilhaft.

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Anbei habe ich Ihnen meine Schriftliche Anfrage und die Antworten der Staatsregierung als pdf-Datei im Drucksachenlayout des Bayerischen Landtags hinterlegt.

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