5. Februar 2014

Stromleitungsausbau nur als Teil einer konsequenten Energiepolitik für 100 % Erneuerbare Energien

(die pdf-Version des Fraktionsbeschlusses finden Sie hier)

Der Ausbau des überregionalen Stromnetzes ist sinnvoll für eine Stromversorgung, die zu 100 % auf Erneuerbare Energien setzt. Der Netzausbau senkt den Bedarf an Stromerzeugungsanlagen und an Stromspeichern.

Der verstärkte regionale Ausbau der Erneuerbaren Energien wird den Ausbaubedarf senken, kann ihn aber nicht grundsätzlich ersetzen. Der dezentrale Ausbau der Stromversorgung ist unser vorrangiges Ziel. Trotzdem werden wir auf die überregionale Vernetzung nicht verzichten können. Eine verengte Sicht auf eine rein regionale Energieversorgung hätte massive Landschaftseingriffe zur Folge. Stärker könnte der Netzausbau durch einen deutlich niedrigeren Strombedarf gesenkt werden. Dies kann durch umfassende Beratungsangebote, ordnungsrechtliche Maßnahmen und/oder durch eine Abkehr vom System des ewigen Wirtschaftswachstums erreicht werden. Aber Energieeffizienz und Stromeinsparung sind sowohl bei der Bundesregierung, wie bei der Bayerischen Staatsregierung, seit Jahren nicht an der Spitze der Agenda.

In unseren Augen ist ein Ausbau des Übertragungsnetzes für 100 % Erneuerbare Energien notwendig.

ABER: Der Netzausbau muss an zwei Bedingungen geknüpft werden:

– Der Ausbau der Erneuerbaren Energien muss verstärkt werden.

– Ein nationaler Plan zum Kohleausstieg muss möglichst rasch auf den Weg gebracht und umgesetzt werden.

– Sensible Bereiche sind entsprechend zu schützen (Erdverkabelung, ausreichender Abstand).

Zur HGÜ-Technologie

Die weiträumige Übertragung von Strom durch HGÜ-Leitungen hat im Vergleich zum bisherigen 380- kV-Netz folgende Vorteile:

– Sehr geringe Übertragungsverluste

– Keine Blindleistung

– Deutlich geringere Belastung durch elektrische und magnetische Felder

– Hohe Transportkapazität

– Bessere Möglichkeiten der Erdverkabelung

Die Nachteile:

– Es handelt sich um eine sehr zentrale und damit verwundbare Technologie

– Evtl. ist  ein zusätzlicher Leitungsbau zu den jeweiligen Endpunkten notwendig

Als Grüne sind wir nicht auf die HGÜ-Technologie fixiert. Es ist eine technisch/ökologische Abwägungsfrage. Grundsätzlich halten wir es für richtig, auch in Deutschland Erfahrungen mit der HGÜ- Technik an Land zu gewinnen – zumal die 380-kV-Wechselstromleitungen für viele AnwohnerInnen nicht wirklich eine willkommene Alternative ist.

Die HGÜ-Technologie ist lediglich für Deutschland ein relatives Novum. Weltweit sind seit 2008 weit mehr als 50 HGÜ-Leitungen in Betrieb genommen worden. Auch in Europa gibt es fast 20 HGÜ-Leitungen, die meisten davon als Seekabel.

Emissionen (Strahlenbelastung, Geräusche) und Landschaftsschutz

Die in der Öffentlichkeit zitierte Strahlengefahr wird – auch aufgrund fehlender Sachinformationen – einseitig überschätzt. Grundsätzlich ist die Strahlenbelastung bei HGÜ-Leitungen geringer als bei vergleichbaren Drehstromleitungen. Im Alltag sind viele Menschen von Gleichfeldern umgeben, in Haushaltsgeräten, Maschinen oder bei Stromleitungen für Straßenbahn und U-Bahn.

Magnetfeld: In der 26. BImSchV (Bundesimmissionsschutzverordnung über elektromagnetische Felder) ist bei Gleichstrom (0 Hz) ein Grenzwert für die magnetische Flussdichte von 500 Mikrotesla (μT) festgelegt. Direkt unterhalb der Gleichstromtrassen tritt ein Magnetfeld mit einer Feldstärke von 20-30 μT auf. Das Erdmagnetfeld hat eine Stärke von ca. 40 – 45 μT. Magnetfelder sind durch Erdverkabelung nicht abzuschwächen. Die Feldstärke ist jedoch ohnehin sehr gering und unterhalb des Erdmagnetfeldes.

Elektrisches Feld: Die elektrische Feldstärke unterhalb der Gleichstromtrassen beträgt 7 kV/m (Kilovolt pro Meter). Ein Grenzwert für elektr. Feldstärken bei Gleichstrom ist in der 26. BImSchV nicht festgelegt, da es sich um ein statisches Feld handelt.  Bei gepulstem Strom, also Wechselstrom, legt die 26. BImSchV Grenzwerte fest in Abhängigkeit von der Frequenz. Je höher die Frequenz, desto niedriger der Grenzwert. Dies erklärt auch weshalb bei einer Frequenz gleich Null, also Gleichstrom, kein Grenzwert vorgegeben ist. Durch eine Erdverkabelung werden die elektrischen Felder vollständig abgeschirmt.

Das BImSchG legt generell keine Mindestabstände fest. Diese sind im Einzelfall durch die Immissionsschutzbehörden anhand der Grenzwerte festzulegen.

Geräuschemissionen: Bei Wechselstromleitungen treten häufig Geräuschemissionen auf. Bei Gleichstromtrassen treten die Lärmemissionen lediglich am Ort der Umwandlung auf. Die Trasse selbst emittiert keinen Schall.

Landschaftsschutz: Die Masten haben eine Höhe von 70 m. Die Spannweite (Entfernung Mast zu Mast) beträgt 400 m. Somit ist der Eingriff in das Landschaftsbild groß.

Zur aktuellen Debatte in Bayern

Für viele Bürgerinnen und Bürger ist die Erdverkabelung von Hochspannungsleitungen eine zentrale Frage. Die Erdverkabelung kann aus Grüner Sicht an vielen Stellen eine sinnvolle Alternative sein. Von daher ist es für uns überhaupt nicht nachvollziehbar, dass der Bundestag bei der Beschlussfassung über den Netzausbau die Erdverkabelung bei der Gleichstrompassage Süd-Ost ausgeschlossen hat. Als bayerische Grüne verlangen wir hier eine Novellierung des Bundesbedarfsplangesetzes, die auch bei dieser Trasse die Erdverkabelung ermöglicht.

Der Bedarf der Süd-Ost-Passage ist in den letzten Jahren grundsätzlich in einem relativ transparenten und beteiligungsorientierten Verfahren erhoben worden. Gleichzeitig muss festgestellt werden, dass nun viele Bürgerinnen und Bürger von den Planungen überrascht sind. Deshalb ist es wichtig, dass die Diskussion ausführlich und umfassend geführt wird. Ob der von den Übertragungsnetzbetreibern und der Bundesnetzagentur festgestellte Bedarf tatsächlich zum geplanten Zeitpunkt 2022 eintritt, hängt wesentlich von der weiteren Energiepolitik des Bundes ab. Insbesondere ist er abhängig von der Weiterentwicklung des EEG, einem zu entwickelnden Strommarktdesign für Reservekapazitäten und der weiteren Kohlepolitik.

Die aktuellen Bremsmanöver bei der Energiewende und die Zunahme der Stromerzeugung aus Braunkohle in Verbindung mit dem höchsten Stromexportsaldo in der Geschichte Deutschlands wecken bei vielen Menschen zu Recht Zweifel, ob die Stromtrasse wirklich wegen der Energiewende gebaut wird. Es passt nicht zusammen, die Erneuerbaren zu bremsen, der Braunkohle freie Fahrt zu geben und trotzdem die Stromleitungen zu bauen.

Als Grüne stellen wir daher an die Bundesregierung die Forderung nach einem konsequenten Ausstiegsfahrplan für die Braunkohle und einem klaren Zeitplan für eine Stromversorgung mit 100 % Erneuerbaren Energien.

Unser Fazit: 

Wir brauchen den überregionalen Ausbau des Leitungsnetzes für unser Ziel 100 % Erneuerbare Energien. Auf die Art der Stromübertragung sind wir nicht festgelegt. In jedem Fall muss vor Ort entschieden werden können, wo eine Erdverkabelung realisiert werden soll.

München, 05.02.2014