18. Januar 2012

Schutzmauern als Allheilmittel?

Die aktuelle Faktenlage zu den geplanten Sicherheitsmaßnahmen um die atomaren Zwischenlager wirft weiterhin mehr Fragen auf, als sie beantwortet.

Die Nachrichten über die baurechtliche Genehmigung von zusätzlichen Schutzmauern rund um das atomare Zwischenlager in Gundremmingen kamen für die Öffentlichkeit sehr überraschend. Dabei ist die Sache schon länger in Planung.

Presseberichten zufolge haben Sicherheits- und Polizeibehörden der Länder und des Bundes bereits Ende 2010 und zu Beginn 2011 Mängel in der Sicherung der Zwischenlager festgestellt. Unter „Sicherung“ wird hier der Schutz vor Einwirkungen von außen oder innen, durch Täter*innen mit kriminellen oder terroristischen Motiven verstanden. Konkret wurden neue Erkenntnisse über „Tatmittel und Täterverhalten“ genannt. Es gibt bisher jedoch keine Hinweise auf eine konkrete terroristische Bedrohungssituation (obwohl ebenfalls gegen Ende 2010 eine erhöhte Alarmstufe zur verstärkten Sicherung von Bahnhöfen geführt hat).

Die Vermutung liegt nahe, dass die Erkenntnisse über die Gefährdung der Zwischenlager im Zusammenhang mit dem möglichen Beschuss durch panzerbrechende Waffen stehen. So hat etwa Greenpeace in Zusammenhang mit der Laufzeitverlängerung im Herbst 2010 ein Gutachten über die Gefahren durch panzerbrechende Waffen vorgelegt, die teilweise Reichweiten bis zu 5500 Metern haben.

Folge der Beratungen der Sicherheitsbehörden war, dass das Bundesumweltministerium das Bundesamt für Strahlenschutz ersucht hat, die Betreiber zu Schutzmaßnahmen aufzufordern. Dies ist wohl am 15. April 2011 erfolgt und hatte sowohl temporäre, als auch langfristige Schutzmaßnahmen zum Ziel.

Temporär kam es ganz sicher in Gorleben, aber vermutlich an allen Zwischenlagern, zu „Umräumaktionen“, d.h. die Castoren wurden neu sortiert. Es gibt Vermutungen, dass die Castoren entweder aus der Schusslinie (weg von den Toren) gebracht, im Raum verteilt oder einfach umgestellt wurden, da von fast allen Lagerhallen öffentliche Innenfotos existieren, die den genauen Standort der Castoren leicht recherchierbar machen.

Für den langfristigen Schutz haben sich die Betreiber der Zwischenlager für die 10 Meter hohen Mauern entschlossen. Dazu laufen jetzt die ersten baurechtlichen Verfahren an, angeblich wird es auch noch atomrechtliche Änderungsgenehmigungen geben, über die vom Bundesamt für Strahlenschutz zu entscheiden sein wird.

Wir Grüne haben schon während unserer Regierungsbeteiligung im Bund (leider erfolglos) die Bauweise der Zwischenlagerhallen kritisiert und berechtigte Zweifel angemeldet, ob sie einem Flugzeugabsturz Stand halten würden. Daher sind zusätzliche Sicherungsmaßnahmen prinzipiell zu begrüßen.

Doch erregen die Pläne zum Bau der Schutzmauern zu Recht erheblichen Unmut. Denn die Information über den unzureichenden Schutz wurde scheinbar zufällig und auf jeden Fall deutlich verspätet veröffentlicht; selbst lokale Verantwortliche waren nicht eingeweiht. Außerdem wurde die tatsächliche Begründung für die Notwendigkeit der Maßnahmen bislang weder von den Betreibern noch von den Sicherheitsbehörden veröffentlicht.

Aus meiner Sicht tauchen jedoch zunehmend neue Fragen auf: Können die Mauern wirklich zu einem ausreichenden Schutz beitragen? Wurde ein Beschuss über die Mauern hinweg ausgeschlossen? Wie verhält er sich mit einem Beschuss aus der Luft? Werden Flugzeugabstürze weiterhin nicht als Sicherheitsproblem erkannt?

Aber die Fragen gehen weit über die Zwischenlager hinaus: Wenn die Zwischenlager nicht mehr sicher sind, warum sind es dann die Castortransporte? Wie steht es denn um die Nasslager bei den Siedewasserreaktoren Isar I und Gundremmingen, die relativ ungeschützt außerhalb der Sicherheitsbehälter angeordnet sind? Und wie steht es schließlich um die Sicherheit der Atomkraftwerke?

Diese Fragen müssen zu unser aller Sicherheit ernsthaft beantwortet werden. Auch und gerade wenn die Antworten zu drastisch erhöhten Sicherheitsmaßnahmen (bis hin zu neuen verbunkerten Zwischenlagern) oder zu einer Beschleunigung der Stilllegungen führen.

Die Beantwortung der Fragen betrifft natürlich zumindest teilweise sicherheitspolitisch sensible Themenbereiche. Die Situation ist in meinen Augen vergleichbar mit der Gemengelage 2003, als kurz nach der Verabschiedung des rot-grünen Atomgesetzes, im Zuge der Diskussion um die Lehren aus den Terroranschlägen des 11. September 2001, eine neue Debatte über die Sicherheit der deutschen Atomanlagen in Gang kam. Nach der Veröffentlichung eines GRS-Gutachtens wurden diejenigen, die über die Gefahren sprechen wollten als potenzielle Helfer von Terroristen diffamiert.

Grundsätzlich muss jedoch gelten: Schweigen und Geheimhaltung sind keine Lösungen, sie erzeugen lediglich eine Illusion von Sicherheit. Außerdem bleibt festzuhalten, dass es keine 100%ige Sicherheit geben kann, da man sich nicht vor allen erdenklichen Anschlagsarten schützen können wird.

Der Unmut über den intransparenten Umgang mit den neuen Sicherheitsmaßnahmen reicht weit in die Kreise der klassischen Atomkraftbefürworter hinein. Das lässt sich aus den Veröffentlichungen des Gemeinderats und des Bürgermeisters von Gundremmingen genauso ablesen, wie aus den Aussagen des Landshuter Landrats oder des Bürgermeisters von Essenbach. Dabei werden zum Teil kuriose Vorschläge gemacht, wie z.B. Resolutionen gegen Zwischenlager, ohne aber auch nur ansatzweise eine Alternative benennen, wo der Atommüll denn sonst gelagert werden soll.

Wir fordern deshalb die Betreiber und das Umweltministerium auf, die Öffentlichkeit über die Hintergründe der beabsichtigten Maßnahmen zu informieren. Dazu werden wir im Landtag einen entsprechenden Bericht einfordern. Die Öffentlichkeit hat ein Recht auf möglichst umfassende Informationen. Sicherheitsrelevante Auskünfte können auch in einer nichtöffentlichen Sitzung gegeben werden.

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