4. Juni 2012

Aktueller Stand der Energiewende (1): Stromimporte

Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Ludwig Hartmann, Bündnis 90/Die Grünen, vom 20.04.2012, mit den Antworten der Staatssekretärin im Ministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie, Katja Hessel, vom 04.06.2012 (kursiv dargestellt)

Bezugnehmend auf die Pressekonferenz des Bayerischen Wirtschaftsministers Martin Zeil vom Februar 2012 zum aktuellen Stand der Energiewende, frage ich die Staatsregierung:

1. Seit wann importiert Bayern Atomstrom aus dem benachbarten Ausland?
zu 1.: An Bayern grenzen die Länder Österreich und Tschechien. Über das europäische Verbundnetz tauscht Bayern mit dem benachbarten Ausland Strom entsprechend der jeweiligen Lastsituation aus. Sofern dort Kernkraftwerke betrieben werden, sind entsprechende Erzeugungsanteile in den Stromlieferungen enthalten. Die grenzüberschreitende 380-kV-Leitung von Etzenricht nach Tschechien wurde 1993 in Betrieb genommen. Im Kernkraftwerk Dukovany wird seit 1985 Strom erzeugt. In Österreich wird und wurde bisher kein Strom in Kernkraftwerken erzeugt. Über mögliche Transitströme aus Drittländern können keine Aussagen getroffen werden.

2. Wie hat sich die Höhe der Importe in den vergangenen 15 Jahren entwickelt?
zu 2.: Die Importe von Österreich und Tschechien nach Deutschland haben sich in den vergangenen 15 Jahren wie folgt entwickelt (Angaben in GWh):
Jahr   AT > DE CZ > DE
1997  3653      3174
1998  3954      4802
1999  5343      5693
2000  5608      8932
2001  5489      9261
2002  4270      10557
2003  3333      12794
2004  4465      13116
2005  6995      13022
2006  5842      12054
2007  4511      9421
2008  5607      7940
2009  7061      8687
2010  6750      9400
2011  5357      9408
Leitungsverbindungen zwischen Tschechien und Deutschland bestehen
auch außerhalb, zwischen Österreich und Deutschland nur innerhalb Bay-
erns.

3. Ist es richtig, dass der Stromimport aus Tschechien zu Beginn des letzten Jahrzehnts wesentlich höher war als im Jahr 2011?
zu. 3.: Nein, aber Mitte des letzten Jahrzehnts lag er bis zu 40 % über dem heutigen Niveau.

4. Wie will die Bayerische Staatsregierung die Importe aus Tschechien unterbinden?
zu 4.: Die Leitungsverbindung zwischen Tschechien und Bayern ist Teil des europäischen Transportnetzes im Rahmen des EU-Binnenmarktes. Der Lastfluss in dieser (und somit Import und Export) stellt sich in Folge der gesamteuropäischen Erzeugungs- und Lastsituation ein. Um direkte Importe aus Tschechien zu unterbinden, müsste die Leitung faktisch gekappt werden. Dies wäre unvereinbar mit europäischem Recht und für die elektrische Versorgungssicherheit in Europa und insbesondere in Bayern schädlich. Im Ergebnis können daher weder direkte noch indirekte Stromimporte aus Tschechien oder Österreich unterbunden werden.

5. Welche Unternehmen beziehen Strom aus Temelin?
zu 5.: Unternehmen, die direkt Strom aus Temelin beziehen, sind der Staatsregierung nicht bekannt.

6. Wie begründet die Staatsregierung die Behauptung, dass Stromimport aus Tschechien Strom aus Temelin sei, nachdem Atomkraftwerke als Grundlastkraftwerke betrieben werden und es in Deutschland nicht an Grundlastkraftwerken mangelt?
zu 6.: Für den Strommix eines Landes sind lediglich Erzeugungsanteile relevant, für den Stromaustausch lediglich Erzeugungsdefizite und -überschüsse und die daraus resultierenden Lastflüsse. Die Zuordnung von Kraftwerken zu ökonomischen Kategorien, wie Grund-, Mittel- oder Spitzenlast, steht in keinem Zusammenhang zu den vorgenannten Größen. Der tschechische Strommix – und in der Folge auch der aus Tschechien ausgeführte Strom – weist aufgrund des Kraftwerksbetriebs in Temelin entsprechende Anteile aus diesem Kraftwerk auf.

Um Beantwortung gemäß Geschäftsordnung und Drucklegung wird gebeten.

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Anbei habe ich Ihnen meine Schriftliche Anfrage und die Antworten der Staatsregierung als pdf-Datei im Drucksachenlayout des Bayerischen Landtags hinterlegt.

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