27. Januar 2012

Rückgang der Wasserkraft in Bayern

Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Ludwig Hartmann Bündnis 90/ Die Grünen vom 05.12.2011, mit den Antworten der Staatssekretärin im Ministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie, Katja Hessel, vom 27.01.2012 (kursiv dargestellt)

Während in Bayern seit 2001 mehrere Hundert Wasserkraftanlagen neu gebaut oder erneuert worden sind, ist die Stromeinspeisung aus Wasserkraft deutlich zurückgegangen. In den Jahren 1999 bis 2001 betrug sie durchgängig über 14 TWh pro Jahr, im Jahr 2002 erreichte sie ausnahmsweise über 16 TWh, seither beträgt sie durchschnittlich weniger als 13 TWh.

In diesem Zusammenhang frage ich die Staatsregierung:
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
die Schriftliche Anfrage beantworte ich im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit wie folgt:

1. Wie haben sich die Anzahl und die installierte Leistung der Wasserkraftanlagen in dem Zeitraum entwickelt?
zu 1.: In den letzten zehn Jahren ging die Anzahl der Wasserkraftanlagen leicht zurück, die installierte Leistung ist dabei stetig gestiegen. Derzeit sind in Bayern rund 4220 Wasserkraftanlagen mit einer installierten Leistung von rund 2 940 MW in Betrieb.

2. a) Wie haben sich die Wassermengen in den Flüssen in dem entsprechenden Zeitraum entwickelt?
zu 2. a): Das Abflussgeschehen in den bayerischen Flussgebieten zeichnet sich durch eine hohe räumliche und zeitliche Variabilität aus. Begründet ist diese Variabilität in der vielfältigen landschaftlichen Gliederung und den verschiedenen geologischen, topographischen und klimatischen Gegebenheiten in den verschiedenen Teileinzugsgebieten. Die Entwicklung der Abflussmengen wird im Deutschen Gewässerkundlichen Jahrbuch publiziert. Im Donaugebiet lag der mittlere Jahresabfluss in den Jahren 1999 bis 2002 ca. 10-35 % über dem entsprechenden Mittelwert der langjährigen Beobachtung. In den Jahren 2003, 2005, 2006 und 2009 bis 2010 wurden Jahresabflüsse in der Größenordnung der langjährigen Mittelwerte beobachtet. Im Jahr 2007 traten Unterschreitungen der langjährigen mittleren Abflüsse um ca. 5-15%, im Jahr 2004 um 15-25% auf. Im Maingebiet lag der mittlere Jahresabfluss in den Jahren 1999 und 2002 ca. 30-40 % über dem langjährigen Mittelwert. Im Jahr 2004 traten Unterschreitungen der langjährigen mittleren Abflüsse um ca. 30% auf. Die Jahre 2000, 2001, 2003, 2005-2010 lagen in der Größenordung der langjährigen mittleren Jahresabflüsse.

b) Welche Auswirkungen haben klimatische Erscheinungen, wie z.B. Hochwasser- oder Niedrigwasserperioden in den Jahren auf die Produktionsmöglichkeiten der Wasserkraftwerke?
zu 2. b): Hochwasser- und Niedrigwasserperioden haben Auswirkungen auf das für die Wasserkraftanlagen nutzbare Wasserdargebot. Steht wenig Abfluss zur Verfügung, ist mit Erzeugungseinbußen zu rechnen. Wird bei großen Abflüssen die maximal verarbeitbare Wassermenge überschritten, so wird das Überwasser ungenutzt abgegeben. Bei Hochwasser kann es zu Turbinenabschaltungen kommen. Tendenziell ist bei Laufwasserkraftwerken die jährliche Ausbeute an regenerativer Energie aus Wasserkraft umso größer, je nasser das Jahr ist und je gleichmäßiger sich das Jahresabflussgeschehen darstellt.

3. a) Was ist nach den Erkenntnissen der Staatsregierung Ursache für den starken Rückgang der Stromproduktion aus Wasserkraft im genannten Zeitraum?
zu 3. a): Die Entwicklung der Stromproduktion aus Wasserkraft zeigt nach bayerischer Energiebilanz seit langem weder einen abnehmenden noch einen zunehmenden Trend. Vielmehr stehen Jahren durchschnittlicher Produktion (z.B. 1993-1998 und 2003-2008) Jahre mit überdurchschnittlicher Produktion (z.B. 1999-2001) und unterdurchschnittlicher Produktion (z.B. 1990-1992) gegenüber.

3. b) Ist der Rückgang der Stromerzeugung aus Wasserkraft in bestimmten Regionen Bayerns verstärkt aufgetreten?
zu 3. b): Nein.

3. c) Ist der Rückgang der Stromerzeugung aus Wasserkraft bei bestimmten Stromerzeugungsunternehmen verstärkt aufgetreten?
zu 3. c): Nein.

4. Hatten die durchgeführten Modernisierungsmaßnahmen bei Wasserkraftwerken in den letzten 10 Jahren in der Summe überwiegend Leistungssteigerungen oder Leistungssenkungen zur Folge und in welchem Umfang?
zu 4.: Über die Auswirkungen einzelner Modernisierungsmaßnahmen wird keine öffentliche Statistik geführt. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass Modernisierungsmaßnahmen in der Regel Leistungssteigerungen zur Folge haben. Dies belegt auch die Wasserkraftstatistik, die bei leicht abnehmender Anzahl der Wasserkraftanlagen eine Zunahme der installierten Leistung zeigt (siehe Antwort zu Frage 1). Gewisse Einbußen können auftreten, wenn im Zuge der Modernisierungsmaßnahmen gewässerökologische Verbesserungen durchgeführt werden, die zu einer Minderung der für die Wasserkrafterzeugung nutzbaren Abflussmenge führen, z.B. bei Errichtung von Fischpässen oder Erhöhung der Restwasserabgabe bei Ausleitungskraftwerken.

5. a) Ist auszuschließen, dass die Wasserkraftwerke auf Bitten der Lastverteiler gedrosselt wurden?
zu 5. a): Nein. Netzbetreiber können zur Aufrechterhaltung der Netzstabilität die Stromerzeugung von unmittelbar oder mittelbar an ihr Netz angeschlossenen Anlagen zur Aufrechterhaltung der Netzstabilität regeln.

5. b) wenn ja, in welchem Umfang?
zu 5. b) Über den Umfang dieser Regelungsmaßnahmen wird keine öffentliche Statistik geführt. Soweit Wasserkraftanlagen betroffen sein sollten, die Vergütungen im Rahmen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) erhalten, sind die betroffenen Betreiber zu entschädigen.

6. Ist auszuschließen, dass die Wasserkraftwerke aus marktökonomischen Gründen gedrosselt wurden, weil das vorhandene Stromangebot zu niedrigen Preisen an der Strombörse geführt hat?
zu 6.: Die Frage betrifft nur Anlagen, die keine feste Vergütung aus dem EEG erhalten. Das Bundeskartellamt hat im Rahmen einer im Januar 2011 abgeschlossenen Sektorenuntersuchung die Stromerzeugung und den Stromgroßhandel durchleuchtet. Demnach ergaben sich keine Hinweise auf eine systematische Kapazitätszurückhaltung durch die führenden Anbieter RWE, E.ON, Vattenfall und EnBW. Vor diesem Hintergrund kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass bei den Wasserkraftwerken Kapazitäten zurückgehalten werden, um den Preis an der Strombörse nach oben zu treiben. 

7. a) In welchem Umfang wurden Anlagen in Ihrer Leistung gedrosselt mit der Folge erhöhte Einspeisevergütungen des EEG zu erhalten?
b) In wie vielen Fällen wurden bestehende Wasserkraftwerke juristisch in zwei oder mehrere Anlagen geteilt, mit der Folge, für Teile der Anlage erhöhte Einspeisevergütungen nach dem EEG zu erhalten?
c) Welcher Rückgang an der Stromerzeugung aus Wasserkraft ergibt sich grob geschätzt aus dem unter 7a) und 7b) genannten Vorgehen?
zu 7. a-c): Die Fragen 7a, b und c werden wegen ihres sachlichen Zusammenhangs gemeinsam beantwortet.
Dem StMWIVT liegen zu den Fragen 7a und 7b keine Daten vor. Eine Drosselung der Leistung von Wasserkraftanlagen sowie ein Anlagensplitting lassen sich auch nicht aus den uns vorliegenden Zahlen zur Wasserkraft herleiten. Die nachfolgende Tabelle zur Entwicklung der erneuerbaren Energien in Deutschland zeigt vielmehr eine stetig wachsende installierte Leistung und Einspeisung aus Wasserkraft.
Entwicklung der erneuerbaren Energien in Deutschland:
(Anm.: Tabelle 1 finden Sie in der obigen Bildergalerie und in besserer Auflösung in der unten angehängten pdf-Datei.)
Auch die im Leitszenario 2010 des Bundesumweltministeriums aufgelisteten Zahlen zur Wasserkraft (eingespeiste Jahresarbeit und installierte Leistung) lassen keine Rückschlüsse auf eine Drosselung der Anlagenleistung von Wasserkraftanlagen oder gar ein Anlagensplitting zu. Vielmehr ergibt sich hier, dass Anlagen mit einer installierten Leistung kleiner und größer 1 MW in etwa gleichbleibend zugebaut werden.
(Die Tabellen 2+3 finden Sie ebenfalls in der obigen Bildergalerie und in besserer Auflösung in der unten angehängten pdf-Datei.)
Damit konsistent weist der aktuelle EEG-Statistikbericht 2009 ebenfalls eine moderate aber grundsätzlich konstant steigende installierte Leistung bei EEG-vergüteter Wasserkraft aus.
installierte Leistung in MW                            im Jahr
1049                                                            2003
1103                                                            2004
1156                                                            2005
1211                                                            2006
1260                                                            2007
1270                                                            2008
1340                                                            2009
Auch das spartenspezifische Forschungsvorhaben Wasserkraft zum EEG-Erfahrungsbericht 2011 erwähnt keine Probleme im Hinblick auf eine Drosselung der Leistung von Wasserkraftanlagen oder ein Anlagensplitting bei der Wasserkraft.
Eine Abschätzung des Rückgangs der Stromerzeugung aus Wasserkraft aufgrund einer Drosselung der Anlagenleistung oder eines Anlagensplittings ist daher ebenfalls nicht möglich.

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Die Fristverlängerung zur Beantwortung dieser Anfrage wurde bis zum 31.01.2012 gewährt.

Anbei habe ich Ihnen meine Schriftliche Anfrage und die Antworten der Staatsregierung als pdf-Datei im Drucksachenlayout des Bayerischen Landtags hinterlegt.

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