12. Juli 2017

Nationalparks in Bayern – Bilanz und Entscheidungsfindung

Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Ludwig Hartmann, Bündnis 90/Die GRÜNEN, vom 14.06.2017, mit den Antworten der Staatsministerin für Umwelt und Verbraucherschutz, Ulrike Scharf, vom 12.07.2017 (kursiv dargestellt)

Die Nationale Strategie der Bundesregierung zur biologischen Vielfalt aus dem Jahre 2007 formuliert das Ziel bis 2020 auf 2 % der Fläche Deutschlands möglichst großräumige Wildnisgebiete, in denen sich Natur ungestört entwickeln kann, zu etablieren und auf 5% der Waldfläche bzw. 10% der Waldfläche der öffentlichen Hand eine nicht vom Menschen beeinflusste Waldentwicklung zuzulassen. Aktuell beträgt die Wildnisfläche in Bayern, also der Gebiete, die keinen menschlichen Eingriffen unterliegen, gerade einmal 0,6% der Landesfläche.

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
die Schriftliche Anfrage beantworte ich wie folgt:

1. a) Welche Vorteile erbrachte die Einrichtung der Nationalparks Bayerischer Wald und Berchtesgaden aus Sicht der Staatsregierung den heutigen Nationalparkregionen und ihren BürgerInnen?
zu 1. a): Beide Regionen wurden und werden durch die Einrichtung der Nationalparke wirtschaftlich deutlich gestärkt. Der Tourismus im Nationalpark Bayerischer Wald bringt der Region eine Netto-Wertschöpfung von 21,1 Mio. € pro Jahr. Im Nationalpark Berchtesgaden wird durch den Tourismus eine Netto- Wertschöpfung von 47,5 Mio. € pro Jahr erzielt. Bei der Nationalparkverwaltung Bayerischer Wald sind aktuell rund 200 Mitarbeiter, bei der Nationalparkverwaltung Berchtesgaden rund 90 Mitarbeiter beschäftigt. Beide Nationalparke mit Ihren Infrastruktureinrichtungen wie z. B. Wanderwege oder Informations- und Bildungshäuser sichern attraktive Erholungsgebiete für die einheimische Bevölkerung und ihre Gäste.

1. b) Welche Nachteile entstanden den beiden heutigen Nationalparkregionen und ihren BürgerInnen durch die Schaffung eines Nationalparks aus Sicht der Staatsregierung?
zu 1. b): Aus Sicht der Bayerischen Staatsregierung sind den Nationalparkregionen Bayerischer Wald und Berchtesgaden sowie ihren Bürgerinnen und Bürgern durch die Schaffung der Nationalparke keine Nachteile entstanden.

1. c) Ist der Staatsregierung bekannt, aus welchen potentiellen Nationalpark-Gebieten Kommunalpolitiker, Waldbesitzer, Jäger, Landwirte etc. in den letzten Jahren Informationsbesuche zu den beiden bestehenden bayerischen Nationalparks durchgeführt haben, um sich über Vor- und Nachteile eines Nationalparks und etwaige Bedenken auszutauschen?
zu 1. c): In den Jahren 2013 und 2014 haben sich verschiedene Gruppierungen aus dem Schwarzwald und aus dem Hunsrück im Vorfeld der dortigen Nationalparkgründungen über den Nationalpark Bayerischer Wald vor Ort informiert. Dieses Jahr haben im Zusammenhang mit dem angestrebten 3. Nationalpark in Bayern bisher 17 Informationstermine im Nationalpark Bayerischer Wald mit verschiedenen Gruppierungen (Landräten, Kreisräten, Stadt- und Gemeinderäten sowie Verbandsvertretern) aus der Donauregion, der Rhön und dem Spessart stattgefunden.
Den Nationalpark Berchtesgaden haben Gruppen aus Baden-Württemberg (im Vorfeld der Gründung des Nationalparks Schwarzwald), aus Rheinland-Pfalz und dem Saarland (im Vorfeld der Gründung des Nationalparks Hunsrück Hochwald), aus der Schweiz (im Rahmen der Diskussionen um die mögliche Einrichtung eines Nationalparks Adula in den Kantonen Tessin und Graubünden) sowie aus Italien (im Vorfeld der Neuorganisation des Nationalparks Stilfser Joch in Südtirol) besucht.

2. a) Wie entwickelten sich die Übernachtungszahlen in den Nationalparkregionen vor und nach der Schaffung der Nationalparks Bayerischer Wald (bitte Zahlen für die Jahre 1965 bis 2016 angeben) und Berchtesgaden (bitte Zahlen für die Jahre 1973 bis 2016 angeben) jeweils im Vergleich zu den Nachbarlandkreisen?
zu 2. a): Diese Zahlen lassen sich in der Kürze der Beantwortungsfrist nicht ermitteln.

2. b) Wie viele Arbeitsplätze hängen in den Regionen um die Nationalparks Bayerischer Wald und Berchtesgaden direkt oder indirekt (Hotellerie, Gastronomie, Einzelhandel und Dienstleistungsbereich) von den Nationalparks ab (wenn keine genauen Zahlen vorliegen, bitte Schätzzahlen angeben)?
zu 2. b): Auf die Antwort zur Frage 1.a) wird verwiesen.

2. c) Wie entwickelte sich die Wertschöpfung rund um die beiden bayerischen Nationalparks seit ihrem Bestehen bis heute jährlich?
zu 2. c): Zur Entwicklung der Wertschöpfung durch die beiden bayerischen Nationalparke seit ihrem Bestehen bis heute existieren keine Zahlen. Hinsichtlich der aktuellen Wertschöpfung wird auf die Antwort zur Frage 1. a) verwiesen.

3. a) Durch welche Eigenschaften sollte sich ein Nationalpark laut Bundesnaturschutzgesetz (§24 Abs. 1 BNatSchG) auszeichnen?
zu 3. a): Hierzu wird auf § 24 Abs. 1 BNatschG verwiesen.

3. b) In welchen Gebieten in Bayern sieht die Staatsregierung das Vorhandensein dieser Eigenschaften gegeben (bitte vollständige Liste)?
zu 3. b): Aktuell befindet sich das Bayerische Umweltministerium mit den Regionen Spessart, Donau-Region, Rhön und Frankenwald im Dialog. In dieser Phase werden in Abstimmung mit den jeweiligen politisch Verantwortlichen intensive Gespräche geführt.

4. a) Nach welchen Kriterien entscheidet die Staatsregierung, in welchem Gebiet Bayerns ein weiterer Nationalpark entstehen soll?
zu 4. a): Kriterien für die diesbezügliche Entscheidung sind die Eignung des Gebiets für einen Nationalpark gemäß der gesetzlichen Vorgaben, dass sich die Flächen im Eigentum des Freistaats Bayern befinden und die Bereitschaft der betreffenden Region zur Einrichtung eines Nationalparks besteht.

4. b) Ist die Staatsregierung der Ansicht, dass naturschutzfachliche Aspekte bei Suche nach weiteren Nationalparks in Bayern primär relevant sein sollten?
zu 4. b): Die naturschutzfachliche Eignung ist Grundvoraussetzung für die Suche nach einem dritten Nationalpark in Bayern. Die Entscheidung über die Einrichtung eines Nationalparks wird zusammen mit der Region getroffen.

5. Zu wie vielen Anteilen (bitte prozentual und in absoluten Zahlen angeben) entstanden die beiden bayerischen Nationalparks Berchtesgaden und Bayerischer Wald jeweils auf Fläche in Staats- (Staatsforst) bzw. Privateigentum?
zu 5.: Die Fläche des Nationalparks Bayerischer Wald umfasst ca. 24.250 ha. Davon befinden sich ca. 24.210 ha Fläche (99,84 %) in Staatseigentum. Die restlichen ca. 40 ha Fläche sind Privateigentum (0,16 %). Auf diesen Privatflächen ist gemäß § 11 Abs. 1 Pkt. 8 der Verordnung über den Nationalpark Bayerischer Wald die bisherige ordnungsgemäße land- und forstwirtschaftliche Bodennutzung zugelassen.
Die Fläche des Nationalparks Berchtesgaden umfasst ca. 20.800 ha und befindet sich zu 100 % in Staatseigentum.

6. a) Wurde bei der Schaffung der beiden bayerischen Nationalparks Waldfläche in Privatbesitz in das Gebiet einbezogen?
zu 6. a): Siehe Antwort zur Frage 5.

6. b) Wurden im Zusammenhang mit der Schaffung der beiden bayerischen Nationalparks Privatwaldbesitzer zu irgendeinem Zeitpunkt enteignet?
zu 6. b): Es wurden im Zusammenhang mit der Schaffung der beiden bayerischen Nationalparks keine Privatwaldbesitzer enteignet.

6. c) Wurde die Fläche der beiden bayerischen Nationalparks nach ihrer Einrichtung auf Waldfläche in Privatbesitz erweitert?
zu 6. c): Nach der Einrichtung der Nationalparke Bayerischer Wald und Berchtesgaden bzw. nach der Erweiterung des Nationalparks Bayerischer Wald im Landkreis Regen fand keine Erweiterung auf Waldflächen in Privatbesitz statt.

7. a) Kam es in den beiden bayerischen Nationalparks seit Bestehen zu einem großflächigen Borkenkäfer-Befall?
zu 7. a): Der Nationalpark Bayerischer Wald war zeitweise von einem großflächigen Borkenkäferbefall betroffen. Im Nationalpark Berchtesgaden war die Borkenkäfertätigkeit deutlich geringer.

7. b) Wie haben sich die zeitweise vom Borkenkäfer befallenen Bereiche innerhalb der bzw. des Nationalparks in der Folgezeit entwickelt?
zu 7. b): In der Naturzone des Nationalparks Bayerischer Wald und in der Kernzone des Nationalparks Berchtesgaden finden grundsätzlich keine Eingriffe durch den Menschen statt. Vom Borkenkäfer befallene Bereiche bleiben dort in der Regel der natürlichen Sukzession überlassen. Auf den meisten dieser Flächen hat sich bereits eine neue Waldgeneration eingestellt. Im Nationalpark Bayerischer Wald ergab die 2011 im Rachel-Lusen-Gebiet durchgeführte Hochlageninventur eine durchschnittliche Verjüngung von mehr als 4.000 Einzelbäumen pro Hektar.

7. c) Welche Auswirkungen hatte der Borkenkäfer-Befall auf an die Nationalpark-Gebiete angrenzende Wälder in Privatbesitz?
zu 7. c): Im Randbereich der Nationalparke Bayerischer Wald und Berchtesgaden wird eine intensive und konsequente Borkenkäferbekämpfung durchgeführt, um ein Übergreifen des Borkenkäfers auf angrenzende Wälder in Privatbesitz zu verhindern. Nach den vorliegenden Erfahrungen hat sich dieses Vorgehen in vollem Umfang bewährt.

8. a) Welche privaten oder kommunalen Rechte (z.B. Holznutzung, Weiderechte) gibt es in den beiden bestehenden Nationalparken in Bayern?
zu 8. a): Im Nationalpark Bayerischer Wald existieren Forstrechte (Holzbezugsrechte) in einem Umfang von ca. 523 Festmetern Holz pro Jahr und von zusätzlich ca. 344 Festmetern Holz alle fünf Jahre. Diese Forstrechte werden regelmäßig bedient.
Im Nationalpark Berchtesgaden existieren Forstrechte insbesondere in Form von Licht- und Waldweiderechten. Wie in § 10 Abs. 1 der Verordnung über den Alpen- und Nationalpark Berchtesgaden festgelegt, bleibt die rechtstitelmäßige Ausübung dieser Forstrechte unberührt.

8. b) Wurden private oder kommunale Rechte in den beiden bestehenden Nationalparken abgelöst oder enteignet?
zu 8. b): In den Nationalparken Bayerischer Wald und Berchtesgaden wurden keine privaten oder kommunalen Rechte enteignet. Teilweise wurden Rechte auf freiwilliger Basis abgelöst.

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Anbei habe ich Ihnen meine Anfrage zum Plenum und die Antwort der Staatsregierung als pdf-Datei im Drucksachenlayout des Bayerischen Landtags hinterlegt.