28. Oktober 2016

Klärende Fragen zur Entwicklung und Finanzierung von Schneekanonen und Skiliften

Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Ludwig Hartmann, Bündnis 90/Die Grünen, vom 04.08.2016 mit den Antworten des Staatssekretärs im Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie, Franz Josef Pschierer, vom 28.10.2016 (kursiv dargestellt)

In der Antwort der Staatsregierung vom 20.04.2016 auf meine Schriftliche Anfrage „Weitere Fragen zur Entwicklung und Finanzierung von Schneekanonen und Skiliften“ (Drs. 17/11170) wird unter der Antwort auf Frage 6 c seitens der Staatsregierung als Begründung für die Subvention von Skigebieten im Alpenraum ausgeführt: „Angesichts des demografischen Wandels, des Rechts auf Teilhabe behinderter Menschen und der familiengerechten Ausrichtung der Angebote soll der Natur- und Wintertourismus dabei generationengerecht und diskriminierungsfrei ermöglicht werden.“
In der Antwort auf Frage 6 b der oben genannten Schriftlichen Anfrage führt die Staatsregierung zahlreiche bezuschusste Nebenanlagen wie „Bergsee mit Ganzjahresnutzung (auch für Beschneiung)“ oder „Erweiterung und Modernisierung eines kostenlosen Parkplatzes“ auf. Laut Antwort zu 2 a sei eine Befristung der Beschneiungsgenehmigungen nicht mehr vorgesehen.

Hiermit frage ich die Staatsregierung:
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
die Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Ludwig Hartmann, Bündnis 90/Die Grünen, vom 4. August 2016 beantworte ich im Einvernehmen mit den Bayerischen Staatsministerien für Umwelt und Verbraucherschutz sowie der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat wie folgt:

1. Welche einzelnen Teil- und Genehmigungsanträge wurden im Rahmen des Seilbahnprogramms seit 2009 wann und mit welchem Inhalt gestellt?
2. a) Wie lange dauerte die jeweilige Bearbeitungszeit dieser einzelnen Schritte?
b) In welchen Fällen seit 1. März 2010 wurde auf den in den Genehmigungen enthaltenen Auflagenvorbehalt und den gesetzlichen Widerrufsvorbehalt
zurückgegriffen?
c) Was bewirkte dies in den jeweils konkreten Fällen?
3. a) In wie vielen der unter 2 b erfragten Fälle wurden dadurch Befristungen vorgenommen?
zu. 1. bis 3. a): Die Angaben bzw. Antworten zu den Fragen 1, 2 und 3 a wurden in der als Anlage beigefügten Übersicht zusammengefasst.
Ergänzend hierzu wird Folgendes angemerkt:
• Die teilweise stark differierende Dauer der Bau- und Betriebsgenehmigungen bzw. der Antragsverfahren ist in erster Linie dadurch bedingt, wie zeitnah die für die Genehmigungs- bzw. Bewilligungsverfahren erforderlichen Unterlagen von den Beteiligten vollständig eingereicht werden.
• Im Rahmen der Verfahren für die Bau- und Betriebsgenehmigungen werden alle betroffenen Träger öffentlicher Belange – wie zum Beispiel Naturschutz- und Forstbehörden – angehört. Insofern sehen die Bau- und Betriebsgenehmigungen für Seilbahnen auch naturschutzrechtliche Auflagen vor. Unabhängig davon enthalten die Bau- und Betriebsgenehmigungen für Seilbahnen u. a. immer den Vorbehalt der Genehmigung der technischen Planung und der Betriebseröffnung, die Bestellung von
Betriebsleitern sowie die Möglichkeit, weitere Auflagen zu ergänzen.
• Bei den Fördervorhaben, die auch Beschneiungsmaßnahmen beinhalten, handelt es sich häufig um Vorhaben zur Optimierung bestehender Anlagen. Für derartige Vorhaben ist eine über die bereits erteilten bzw. bestehenden Genehmigungen hinausgehende separate Genehmigung nicht notwendig. Abgesehen davon sind die Genehmigungen für Beschneiungsmaßnahmen u. a. mit der Auflage verbunden, dass das zur technischen Beschneiung verwendete Wasser keine Zusätze enthalten darf und biologisch und ökotoxikologisch unbedenklich sein muss. Zudem ist i. d .R. eine Auflage enthalten, dass dem zuständigen Wasserwirtschaftsamt eine Aufzeichnung über Datum, Uhrzeit, Außentemperatur und verbrauchte Wassermenge nach Ende der Beschneiungszeit vorzulegen ist. Auch sehen die nach dem 1. März 2010 erlassenen Genehmigungen für die Beschneiung die Möglichkeit des Widerrufs und der nachträglichen Hinzunahme weiterer Nebenbestimmungen/Auflagen vor.

3. b) Ist der Staatsregierung bekannt, in wie vielen Fällen und in welchem Maße ein Rückbau der seit 2009 geförderten Anlagen stattgefunden hat?
zu 3. b): Die im Rahmen des Seilbahnprogramms geförderten Anlagen sind alle noch in Betrieb.

4. a) Ist der Staatsregierung bekannt, welche Fläche jeweils durch jede einzelne geförderte Maßnahme des Seilbahnprogramms bzw. des Bayerischen Regionalen Förderprogramms für die gewerbliche Wirtschaft (BRF) versiegelt wurde?
b) Welcher Anteil der durch diese Maßnahmen betroffenen Flächen befand sich jeweils in der durch die Alpenkonvention festgelegten Schutzgebiete A bis C?
c) Gelten diese Angaben inklusive aller mitfinanzierten Nebenmaßnahmen und -anlagen?
zu 4. a) bis c): Die Frage 4 b zielt vermutlich auf den Alpenplan mit seinen drei Zonen A bis C ab. Der Alpenplan ist Teil des Bayerischen Landesentwicklungsprogramms, d.h. durch die Alpenkonvention wurden keine Schutzgebiete festgelegt. Der Staatsregierung ist nicht bekannt, welche Fläche konkret durch jede einzelne Fördermaßnahme versiegelt wurde. Lediglich für die technische Beschneiung des Rabenkopflifts konnte in Erfahrung gebracht werden, dass durch die Beschneiung eine Fläche von ca. 56 qm versiegelt wurde. Der betroffene Bereich liegt vollständig in der Zone A des Alpenplanes.

5. a) Wie sieht die konkrete Abwägung der Staatsregierung in Bezug auf die Teilhabe mobilitätseingeschränkter Menschen an der touristischen Nutzung der Alpen auf der einen und der Belange des Naturschutzes auf der anderen Seite aus?
b) Aufgrund welcher Fakten wurde diese Abwägung in den jeweils konkreten Förderentscheidungen seit Implementierung des Seilbahnförderprogramms 2009 getroffen?
c) Gilt nach Ansicht der Staatsregierung das Recht auf Teilhabe mobilitätseingeschränkter Menschen uneingeschränkt in allen Schutzzonen der Bayerischen Alpen?
zu 5. a) bis c): Wie die Staatsregierung bereits mehrfach betont hat, ist auf der anderen Seite die Einhaltung des Alpenplans, die Gewährleistung des Umweltschutzes sowie der Raumordnung und Landesplanung vorrangig und wesentliche Grundvoraussetzung für eine Förderung von Bergbahnen und Skiliften einschließlich Nebenanlagen, wie zum Beispiel Beschneiungsanlagen.
Artikel 30 Absatz 2 der UN-Behindertenrechtskonvention beschreibt die staatliche Pflicht, geeignete Maßnahmen zu treffen, um u. a. die Teilnahme behinderter Menschen an Erholungs-, Freizeit- und Sportaktivitäten gleichberechtigt mit anderen zu ermöglichen. Dieser Verpflichtung hat sich der Freistaat Bayern zum Beispiel auch bei der Modernisierung seiner Infrastruktur zu stellen. D.h. Senioren und Menschen mit körperlichen Einschränkungen muss daher grundsätzlich – d.h. nicht uneingeschränkt – auch der Zugang zur Bergwelt durch entsprechende Barrierefreiheit der Aufstiegshilfen ermöglicht werden.

6. a) Falls die Staatsregierung Frage 5 a zumindest teilweise bejaht, ist sie dann der Ansicht, dass das Erreichen von naturschutzrechtlich höchst schützenswerten Gebieten für mobilitätseingeschränkte Menschen von zentralerer Bedeutung ist, als der barrierefreie Ausbau von Bahnhöfen?
b) Ist es ein Anliegen der Staatsregierung, dass jeder Mensch, ungeachtet seiner Kondition oder bergsteigerischen Erfahrung, jeden Winkel der bayerischen Alpen nutzen kann?
zu 6. a) und b): Die Frage 5 a lässt sich bereits von ihrer Formulierung her nicht (auch nicht teilweise) bejahen oder verneinen. Unabhängig davon und ungeachtet der Polemik der Frage 6 a ist die Erreichbarkeit von „naturschutzrechtlich höchst schützenswerten Gebieten“ für Menschen mit eingeschränkter Mobilität für die Staatsregierung selbstverständlich nicht von „zentralerer Bedeutung, als der barrierefreie Ausbau von Bahnhöfen“.

Selbstredend ist es auch kein Anliegen der Staatsregierung, „jeden Winkel der bayerischen Alpen“ für touristische, sportliche oder sonstige Zwecke nutzbar zu machen. Im Übrigen wird auf die Antwort zur Frage 5 Bezug genommen.

7. a) In wie vielen Fällen wurde eine unbefristet erteilte Genehmigung unter Voraussetzungen gemäß Art. 35 Abs. 3 Satz 2 BayWG widerrufen?
zu 7. a): Eine Abfrage bei den Kreisverwaltungsbehörden ergab, dass bisher noch keine Genehmigung unter den Voraussetzungen gemäß Art. 35 Abs. 3 Satz 2 BayWG widerrufen wurde.

7. b) Welche Mittel hat die Staatsregierung, um die diesbezüglichen negativen Auswirkungen durch die Nutzung einer Beschneiungsanlage festzustellen?
zu 7. b): Eine umfassende Prüfung möglicher Auswirkungen erfolgt im Genehmigungsverfahren für die Beschneiungsanlage und im Rahmen einer ggf. erforderlichen Umweltverträglichkeitsprüfung. Die Kreisverwaltungsbehörde beteiligt hierfür im Genehmigungsverfahren alle Behörden, deren Aufgabenbereiche durch die Genehmigung betroffen werden (z.B. untere Naturschutzbehörde, Wasserwirtschaftsamt). Darüber hinaus sind die Kreisverwaltungsbehörden für die sog. Gewässeraufsicht zuständig (§ 100 Abs. 1 Satz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes – WHG, Art. 58 Abs. 1 Satz 1 BayWG). Die Kreisverwaltungsbehörden ordnen nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen an, die im Einzelfall notwendig sind, um Beeinträchtigungen des Wasserhaushalts zu vermeiden oder zu beseitigen, und überwachen die Erfüllung von öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen, die nach oder aufgrund von Vorschriften des WHG oder dem BayWG bestehen (§ 100 Abs. 1 Satz 2 WHG bzw. Art. 58 Abs. 1 S. 2 BayWG). Die Gewässeraufsicht erstreckt sich auch auf die Einhaltung der Verpflichtungen, die sich aus Auflagen und Bedingungen von
wasserrechtlichen Bescheiden ergeben. Die Kreisverwaltungsbehörde kann beispielsweise Maßnahmen nach Maßgabe der Wassergesetze anordnen, wenn die Nutzung einer Beschneiungsanlage gegen wasserrechtliche Verbote oder Auflagen verstößt.

7. c) In welcher konkreten Situation ist ein solcher Sachverhalt gegeben?
zu 7. c): Siehe Antwort zu Frage 7 b.

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Hier habe ich Ihnen meine Schriftliche Anfrage und die Antwort der Staatsregierung auch als pdf-Datei im Drucksachenlayout des Bayerischen Landtags hinterlegt.