18. Juli 2022

Hintergrundinformationen zur großen bayerischen Wasserkraft

Die Grünen im Bayerischen Landtag setzen sich seit Jahren für die Rückführung der Wasserkraft in die öffentliche Hand ein. Mit dem Auslaufen der Wasserrechte, die an den großen bayerischen Wasserkraftwerken in den kommenden Jahren anstehen, öffnet sich aktuell ein neues Zeitfenster. Dieses gilt es zu nutzen. Der Freistaat kann bei der Neuvergabe der Wasserrechte den sogenannten Heimfall der Kraftwerke ziehen. Die Kraftwerke gelangen so zurück in den Besitz der Allgemeinheit, kommunale Energieversorgungsunternehmen wie Stadtwerke bekommen die Möglichkeit, den Betrieb der Wasserkraftwerke zu übernehmen und vor Ort erneuerbaren Strom zu erzeugen.

Durch die finanzielle Schieflage von Uniper und die fast 100%ige Übernahme durch den vom Bund zugesicherte und notwendige Staatshilfe, besteht jetzt die Möglichkeit einer vorgezogenen Rückgabe der Wasserkraft an den Freistaat. Wasserkrafterzeugung, die Verbesserung der Gewässerökologie und Hochwasserschutz lägen damit in einer Hand, der öffentlichen.

Die großen bayerischen Wasserkraftwerke waren bis in die 1990er/2000er Jahre hinein im Besitz der Allgemeinheit. Die Bayernwerk AG, Betreiber der Kraftwerke, gehörten zu 60% dem Freistaat. In der Liberalisierungs- und Privatisierungsphase zur Zeit von Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) ging die Bayernwerk AG in der neu gegründeten VIAG auf. Damit verlor der Freistaat die Macht über viele bayerische Wasserkraftwerke.

 

Die Wasserkraftwerke der Uniper in Bayern

Die Gesamtstromerzeugung durch Uniper-Großwasserkraftanlagen in Bayern wird auf 4,8 TWh geschätzt.

Zur Uniper-Kraftwerksgruppe Isar gehören 26 Anlagen, darunter das Spitzenkraftwerk am Walchensee. Dort laufen die Wasserrechte 2030 aus; es handelt sich damit um das einzige derzeit laufende wasserrechtliche Verfahren in Bayern.

Der Freistaat hat das Ablaufen der Rechte Uniper 2020 fristgerecht mit zehn Jahren Vorlauf angekündigt. Damit sind die Verhandlungen über die Zukunft des Walchenseekraftwerksystems eröffnet.
Die Kraftwerksgruppe Donau besteht aus 13 Uniper-Laufwasserkraftwerken. Die Uniper-Kraftwerksgruppe Main besteht aus 37 Laufwasserkraftwerken.

Die Uniper-Kraftwerksgruppe Lech aus 22 Laufwasserkraftwerken und dem Speicherkraftwerk Roßhaupten am Forggensee. Zwölf dieser Kraftwerke sind mit einer Heimfallregelung im Erbbaurecht versehen. Die ersten Bescheide laufen dort 2034 aus.

 

Grünen-Anfrage zur Heimfallregelung bei Wasserkraftwerken in Bayern vom 18.03.2022 (Antwort vom 8.4.2022)

Das Heimfallrecht begründet sich im Erbbaurecht. Hier wird zwischen Heimfall bei vorzeitigem Erlöschen der Bewilligung (z. B. infolge Insolvenz oder betriebswirtschaftlich bedingten Verzicht auf die bewilligte Nutzung) und Heimfall bei Fristablauf unterschieden.

Heimfall nach Fristablauf ist nicht vertraglich geregelt, sondern wird in den jeweiligen Wasserrechtsbescheiden begründet. Dies betrifft insgesamt ca. 270 Wasserkraftanlagen in Bayern; bis 2042 ca. 50 Wasserkraftanlagen.

Laut Staatsregierung sollen „bestehende Heimfallansprüche nach Fristablauf grundsätzlich für eine die gesamtgesellschaftlichen Interessen bestmöglich integrierende Lösung eingebracht werden. Dabei sind energiewirtschaftliche, wasserwirtschaftliche sowie natur- und artenschutzrechtliche Aspekte und Rechtstitel sowie eine angemessene regionale bzw. kommunale Wertschöpfung und Partizipation zu berücksichtigen. Ablösen der bisher geltenden Heimfallregelungen werden einzelfallbezogen konstruktiv geprüft.“

 

Grünen-Anfrage zur Heimfallregelung bei Wasserkraftwerken am Lech vom 18.03.2022 (Antwort vom 12.04.2022)

Am Lech ist der Heimfall bei Wasserkraftanlagen im Erbbaurecht begründet. Die Firma Uniper Kraftwerke GmbH ist Bescheidsinhaberin für 12 Wasserkraftanlagen am Lech, die mit einer Heimfallregelung versehen sind. Die ersten Bescheide laufen im Jahr 2034 aus.

Allen Heimfallregelungen am Lech ist gemein, „dass die Unternehmerin oder ihr Rechtsnachfolger nach dem Erlöschen der Bewilligung auf Verlangen des Freistaates Bayern verpflichtet ist, Eigentum, Besitz und sonstige Rechte an den Anlagen für die Benutzung des Gewässers und alle sonstigen zum Betrieb der Kraftwerksanlage erforderlichen Anlagen auf den Freistaat Bayern oder einen von diesem bestimmten Dritten zu übertragen. Zudem sind die Anlagen grundsätzlich in gutem baulichen und betriebsfähigem Zustand zu übertragen.“

 

Bewertung

Der Staatsregierung eröffnet sich am einstigen Wildfluss Lech in den kommenden Jahren vor dem Auslaufen der Wasserrechte ein gewaltiger Handlungs- und Gestaltungsspielraum. Ökologische Verbesserungen für die Flusslandschaft, Maßnahmen zum Hochwasserschutz und nachhaltige Stromerzeugung müssen zusammenlaufen in der öffentlichen Hand! Die Staatsregierung kann auf diese Weise seinem eigenen Anspruch gerecht werden und die „gesamtgesellschaftlichen Interessen“ am besten berücksichtigen und gegeneinander abwägen.

Die Menschen in den Anliegergemeinden profitieren davon in gleichem Maße wie die Natur am Lech.

Der Lech hat durch Staustufen, Kanalisierung und Geschiebemangel seine Dynamik verloren. Im Unterlauf der Kraftwerke droht deshalb der Sohldurchschlag, die Stauseen laufen mit Sedimenten voll. Wertvolle Lebensräume verschwinden, die Artenvielfalt des Lechs und seiner Aue geht zurück.

Dies widerspricht den Ansprüchen der Wasserrahmenrichtlinie. In deren dritter und letzter Bewirtschaftungsperiode (2022–2027) muss auf allen Abschnitten ein guter ökologischer Zustand bzw. ein gutes ökologisches Potenzial erreicht werden. Dazu ist ambitionierter Bewirtschaftungsplan bis 2027 konsequent umzusetzen. Die Wiederherstellung einer naturnahen Fließgewässerdynamik muss Ziel sein; und das, obwohl der Lech einer der energetisch am intensivsten genutzten Flüsse Bayerns ist. Eine Chance, ein Gleichgewicht zwischen energetischer Nutzung und naturräumlicher Bedürfnisse wiederherzustellen ist durch das Auslaufen der Lech-Kraftwerks-Konzessionen nun gegeben. Diese Chance gilt es zu nutzen, die Staatsregierung ist gefragt, mit Weitblick zur handeln.

 

Ludwig Hartmann: „Edmund Stoiber hat die Kronjuwelen der bayerischen Energieversorgung in den 1990er und 2000er Jahren verscherbelt: die Wasserkraftwerke an Donau, Lech, Isar und Main. Jetzt öffnet sich ein Zeitfenster, um diesen Fehler zu beheben. Die Kraftwerke sind jetzt im Eigentum des Bundes. Wir wollen sie wieder in die Hände der Menschen in Bayern legen. So sorgen wir für ein energiesicheres Bayern. Wie wichtig das ist, zeigt sich in der aktuellen Energiekrise. Wir können damit den Dreiklang aus Stromproduktion, Hochwasserschutz und Schutz der Gewässerökologie wieder in öffentlicher Hand vereinen. Das ist eine historische Chance. Auch die Anrainerkommunen sollen davon profitieren – ob durch eine kommunale Beteiligung oder Umweltgelder wie in Südtirol. Zur Umsetzung werden wir jetzt Gespräche mit dem Bundeswirtschaftsministerium aufnehmen.“

 

Historie über die Verkaufserlöse auf Bayernwerk, VIAG, E.ON und Uniper

1988 – erwarb das Bayernwerk, das damals zu 40% der VIAG und zu 60& dem Freistaat Bayern gehörte, über die Börse stufenweise eine Beteiligungsquote von 25% an der VIAG. Das Ergebnis war eine minderheitliche Überkreuzbeteiligung von VIAG und Bayernwerk und in Folge eine gemeinsam abgestimmte Konzernpolitik.

1994 – Übertragung der Anteile von 58,3% an der Bayernwerk AG an die VIAG AG; Erlös: 2,3 Mrd. DM und 25,1% an VIAG

2000 – Fusion der VIAG mit VEBA zu E.ON, von den 25,1 % an der VIAG werden 10 % an die VEBA AG verkauft. Der Kaufpreis beträgt 3,1 Mrd. DM. Nach dem Verkauf und der Fusion bleiben Bayern 5% an E.ON.

Bis 2009 – ist der Anteil an E.ON auf 1,44% gesunken, durch Verkäufe und wegen Kapitalerhöhungen, an denen sich Bayern nicht beteiligt hat.

2016 – E.ON beschließt, das Energiegeschäft, einschl. Wasserkraft, in die Gesellschaft Uniper auszulagern und Uniper abzuspalten. Die Aktionäre von E.ON erhalten dadurch Uniper-Aktien. Bayern hat die ihm zugefallenen Uniper Anteile 2016 umgehend verkauft. Erlös: 34 Mio. Euro.
Bayern hält noch 1,09% an E.ON.