Grundsätzliche Änderung der Deckungsvorsorge bei nuklearen Unfällen
Meine Rede zu unserem Dringlichkeitsantrag im Plenum vom 12.05.2011
Ludwig Hartmann (GRÜNE):
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die tragischen Ereignisse vor zwei Monaten in Japan haben vielen Menschen in unserem Lande, aber auch im Bayerischen Landtag die Augen geöffnet. Die Debatte über die Kernkraft wird seit diesem Zeitpunkt anders geführt. Auch in der Staatsregierung haben die Eindrücke aus Japan ein Umdenken bei der Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke in die Wege geleitet. Fukushima hat uns ganz deutlich gezeigt, dass der Begriff „Restrisiko“ irreführend ist. Fukushima hat uns weiter gezeigt, dass das Unwahrscheinliche möglich werden kann und es hat uns ganz deutlich gezeigt, dass auch das Unwahrscheinliche in mehreren Reaktoren zur gleichen Zeit möglich werden kann.
Fukushima hat uns außerdem gezeigt, dass die immensen Schäden durch eine Katastrophe in einer atomaren Anlage unvorstellbare finanzielle Folgen haben. Die groben Schätzungen, die bisher in Japan vorliegen, gehen von mindestens 120 Milliarden Euro aus. Das ist eine gewaltige Summe und man kann letzten Endes noch gar nicht sagen, ob sie noch weiter steigen wird. Darüber hinaus ist inzwischen auch bekannt – das ist in der letzten Zeit auch in der Presse zu lesen gewesen -, dass der Betreiber für diese Schäden nicht wird aufkommen können. Er wird die Kosten nicht stemmen können. Der Betreiber Tepco hat bereits um eine staatliche Finanzspritze gebeten. Nach dem, was in Japan passiert ist, wissen wir alle, dass in den 120 Milliarden Euro noch nicht alles enthalten ist. Ich denke nur an die Umsiedlung der vielen Menschen, das verlorene Eigentum dieser Menschen, an den Verlust des sozialen Umfeldes, an den Verlust der Gesundheit oder teilweise auch des Lebens. Damit hat Fukushima erneut ganz deutlich gezeigt: In guten Zeiten werden die Gewinne privatisiert, wenn es aber zur Katastrophe kommt, werden die Kosten sozialisiert.
So kann es nicht weitergehen. Deshalb ist für uns klar, Fukushima muss uns die Augen öffnen und wir müssen das Thema Deckungsvorsorge bei unseren Kernkraftwerken anders diskutieren. Wir müssen ehrlicher werden, als es in der Vergangenheit der Fall war.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Die rot-grüne Bundesregierung hat im Zuge der Erarbeitung des Atomkonsenses, der für uns GRÜNE nur schwer mitzutragen war, die Deckungssumme damals verzehnfacht, und zwar von 250 Millionen Euro auf nun 2,5 Milliarden Euro. Aber wie gesagt, Fukushima zeigt ganz deutlich, dass diese Summe zu niedrig angesetzt ist. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass bei dieser Deckungssumme von 2,5 Milliarden Euro gerade einmal 10 % durch Versicherungen abgedeckt sind. Für die restliche Summe kommen die Betreiber – das haben sie in Verträgen zugesichert – gegenseitig auf.
Das muss man sich einmal vorstellen. Falls dieser Fall, den sich keiner wünscht und der hoffentlich nie eintreten wird, doch Realität werden sollte, wird die finanzielle Leistungsfähigkeit der Kernkraftwerksbetreiber schnell den Bach hinuntergehen. Die Aktienkurse werden einbrechen, die weiteren existierenden Kernkraftwerke werden rapide an Wert verlieren und die Betreiber werden für die Kosten durch die Mittel im Konzern, das heißt ihr Eigenkapital, nicht aufkommen können.
Aus diesem Grund ist eine Änderung der Deckungsvorsorge dringend erforderlich. Die Staatsregierung in Person des Wirtschaftsministers hat bereits letzte Woche angekündigt, das alles zu prüfen. Aber ich muss Ihnen offen sagen: Prüfen ist zu wenig. Man weiß, dass die Summe nicht ausreicht; wir brauchen eine Änderung dahin, dass die Summe abgedeckt ist. Dabei sind zwei entscheidende Bereiche zu berücksichtigen: Erstens geht es um die Festlegung der Deckungssumme. Der aktuelle Betrag ist zu niedrig; das haben uns die Folgen von Fukushima gezeigt. Wir haben in unserem Antrag absichtlich darauf verzichtet, eine Summe zu nennen. Es ist wahnsinnig schwer, eine konkrete Summe auszumachen, denn die Auswirkungen sind ganz unterschiedlich, je nach Wind- und Wetterverhältnissen und danach, in welcher Gegend so etwas passiert. Trotzdem kann es nicht sein, zu sagen, wir wollen uns mit dem alten Betrag zufrieden geben. Es muss eine Erhöhung kommen.
Der zweite zu verändernde Bereich ist, dass die Summe verfügbar sein muss. Es muss dafür gesorgt werden, die Gelder in einem staatlichen Fonds zu sammeln, auf den der Staat einen direkten Zugriff hat. Eine vertragliche Regelung mit einem Zugriff der Atomkonzerne genügt nicht. Dass selbst die größten Energiekonzerne bei einer atomaren Katastrophe in finanzielle Schwierigkeiten geraten, steht fest, wie wir eben ein Japan beobachten können.
Aus all diesen Gründen fordern wir in unserem Antrag zum einen eine deutliche Erhöhung der Deckungssumme und zum anderen geht es darum, Sorge dafür zu tragen, dass die Summe real in einem staatlichen Fonds liegt um jederzeit an das Geld heranzukommen.
CDU- und FDP-Fraktion haben zu unserem Antrag Zustimmung signalisiert, wenn wir bereit sind, eine kleine Änderung vorzunehmen. Dazu sind wir gerne bereit. Satz 2 unseres Antrages lautet: „Ziel soll die Vervielfachung des bisherigen Betrags in Höhe von 2,5 Milliarden Euro …… sein“. Wir sind gerne bereit, statt von einer „Vervielfachung“ von einer „Anpassung“ zu reden. Es hieße dann: „Ziel soll die Anpassung ….sein“. Dazu sind wir gerne bereit, wenn die Regierungsfraktionen mitziehen. Wir haben in unserem Antrag auch im Satz 1 schon zum Ausdruck gebracht, dass es zu einer Erhöhung kommen muss. Das steht außer Frage. Auch dass das Geld real bereit liegt, wenn etwas passiert, ist für uns eine ganz entscheidende Sache. Wenn wir auch hier einen Schritt weiter kommen, passen wir den Antrag gerne an. Den CSU-Antrag werden wir mittragen, auch wenn mich im Absatz 1 die Formulierung stört, dass „geprüft werden soll“. Es ist allgemein bekannt, dass die Summe nicht ausreicht. Da brauche ich nicht mehr zu prüfen. Trotzdem werden wir dem Antrag zustimmen, nicht zuletzt, weil wir uns freuen, dass unser Antrag unterstützt wird. Er geht in die richtige Richtung. Wir brauchen da gar nicht mehr über die Höhe der Summe zu diskutieren; dass sie erhöht werden muss, ist bekannt, nach all den tragischen Ereignissen in Japan.
(Beifall bei den GRÜNEN)
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Unser Dringlichkeitsantrag wurde mit der Änderung von Satz 2 in
„Ziel soll eine Anpassung des bisherigen Betrags in Höhe von 2,5 Milliarden Euro und die tatsächliche mündelsichere Hinterlegung des Betrags in einem öffentlichen Fonds sein.“
einstimmig angenommen.
Anbei finden Sie unseren Dringlichkeitsantrag, einen Videolink zu meiner Rede und die gesamte Diskussion als pdf-Datei.