4. Mai 2009

Gemeinsamkeiten mit der Kernenergiepolitik Tschechiens

Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Ludwig Hartmann und Eike Hallitzky (Bündnis 90/ Die Grünen) vom 20.03.2009 mit den Antworten des Wirtschaftsminiseriums vom 04.05.2009 (kursiv dargestellt)

Bei seiner Reise nach Prag im Februar 2009 hat nach Presseberichten der Bayerische Wirtschaftsminister Tschechien als einen Verbündeten im Zusammenhang mit der Kernkraftnutzung bezeichnet. Nach der jahrelangen Kritik aus Deutschland – und auch von Seiten der Staatsregierung – am Bau der Reaktoren in Temelin – warf diese Äußerung bei besorgten Bürgern in Bayern einige Fragen auf.

Ich frage die Staatsregierung:

Die Schriftliche Anfrage beantworte ich im Einvernehmen mit dem Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit wie folgt:

1. Wie beurteilt die Staatsregierung die Sicherheit der Reaktoren in Temelin?
2. Wie beurteilt die Staatsregierung die Tatsache, dass die Reaktoren in Temelin nicht dem westlichen Sicherheitsstandard entsprechen und nicht nach dem Stand von Wissenschaft und Technik gebaut und betrieben werden?
Zu 1. und 2.:
Für Fragen der internationalen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Kernenergie und damit auch für Fragen der Sicherheit ausländischer Kernkraftwerke wie im tschechischen Temelin ist alleine das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) zuständig.

Die Frage der möglichen Auswirkungen eines schweren Störfalls im Kernkraftwerk (KKW) Temelin auf deutsches Staatsgebiet hat die Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRSmbH) im Auftrag des BMU mit der tschechischen Seite intensiv erörtert. Am 20.12.2004 hat dazu in Prag ein deutsch-tschechischer Workshop über „Severe Accidents Investigations for Temelin NPP“ stattgefunden. Die GRS hat zu diesem Workshop im Auftrag des BMU einen Bericht verfasst, in dem sie zu folgendem Ergebnis kommt:
„Nach Aussagen der tschechischen Experten, die auf teilweise zusammen mit österreichischen Experten durchgeführten Untersuchungen basieren, sind bei … schweren Störfällen im KKW Temelin in Deutschland voraussichtlich keine besonderen Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Diese Aussage wird von der GRS durch eigene Untersuchungen … bestätigt.“ 

3. Wie beurteilt die Staatsregierung die Pläne für den Bau eines dritten und vierten Blocks in Temelin
a) hinsichtlich der Sicherheit der geplanten Anlage?
Zu 3. a):
Es wird auf Frage 1 verwiesen.

3. b) hinsichtlich der Versorgungssicherheit für Tschechien?
Zu 3. b):
Tschechien ist ein souveräner Staat, der selbstverantwortlich über seine Energieversorgung entscheidet. Es obliegt nicht der Bayerischen Staatsregierung, die tschechische Energieversorgungssicherheit zu beurteilen. Allerdings teilt die Bayerische Staatsregierung die Ansicht Tschechiens, dass die Kernenergie gerade auch unter dem Gesichtspunkt der Versorgungssicherheit zu einem ausgewogenen Energiemix gehört.

4. Wie beurteilt die Staatsregierung die eingeleiteten Genehmigungsverfahren für die beiden neuen Blöcke
a) hinsichtlich der Wirksamkeit der Umweltverträglichkeitsprüfung?
Zu 4. a):
Die tschechische Regierung hat Deutschland in einem Vorverfahren zur Umweltverträglichkeitsprüfung für zwei weitere Kernkraftwerksblöcke am Standort Temelin beteiligt.

Dieses Vorverfahren diente der grenzüberschreitenden Öffentlichkeitsbeteiligung und entsprach der Espoo-Konvention, zu der sich deren Vertragsstaaten verpflichtet haben.
Nach der Espoo-Konvention wurde auch den betroffenen Bürgern angrenzender Staaten, in Deutschland in den grenznahen Gebieten Bayerns und Sachsens, Gelegenheit zur Beteiligung gegeben. Im Feststellungsbescheid vom 03.02.2009 hat das Tschechische Ministerium für Umwelt auch alle Einwendungen aus dem Ausland berücksichtigt.
Zweck des Vorverfahrens war es festzustellen, welche Unterlagen in der kommenden Umweltverträglichkeitsprüfung voraussichtlich vom Antragsteller beizubringen sind. Bislang hat die Tschechische Republik das Verfahren in Übereinstimmung mit den internationalen Vorgaben durchgeführt.

4. b) hinsichtlich der Vereinbarkeit der tschechischen Umweltgesetzgebung mit dem EU-Recht?
Zu 4. b):
Für die Überprüfung der Vereinbarkeit der tschechischen Umweltgesetzgebung mit EU-Recht sind die entsprechenden Organe der EU zuständig.

5. Wie beurteilt die Staatsregierung die Pläne für einen Ausbau der Atomkraftwerke in Dukovany hinsichtlich der Versorgungssicherheit für Tschechien?
Zu 5.:
Die Beurteilung von Ausbauplänen der Kernkraftwerke in Dukovany für die Versorgungssicherheit Tschechiens liegt in der ausschließlichen Verantwortung und Zuständigkeit Tschechiens.

6. Ist der Staatsregierung bekannt, dass die Inbetriebnahme der Reaktoren in Temelin dazu geführt hat, dass Tschechien eine deutliche Stromüberproduktion hat und den überschüssigen Strom mit Dumpingangeboten u. a. auf dem deutschen Markt anbietet?
Zu 6.:
Der Staatsregierung ist bekannt, dass im Jahr 2008 aus Tschechien per Saldo 6.614 GWh nach Deutschland exportiert wurden (nach vorläufigen Angaben des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft e.V.).

7. Ist der Staatsregierung bekannt, dass auch Deutschland eine deutliche Stromüberproduktion hat und beispielsweise trotz zweier ganzjähriger Totalausfälle bei den Atomkraftwerken Brunsbüttel und Krümmel im Jahr 2008 einen neuen Höchststand beim Stromexportsaldo erreicht hat?
Zu 7.:
Der Staatsregierung ist bekannt, dass im Jahr 2008 aus Deutschland per Saldo 22.468 GWh Strom ins Ausland exportiert wurden (nach vorläufigen Angaben des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft e.V.). Dieser Exportsaldo macht allerdings nur rd. 5 % des deutschen Nettostromverbrauchs aus. Dieser Exportüberschuss kann sich daher relativ kurzfristig in einen Importüberschuss (wie zu Anfang dieses Jahrzehnts) umkehren.

8. Ist es Ziel der Bayerischen Staatsregierung – ähnlich wie in Tschechien – die Stromerzeugungskapazitäten weit über den Bedarf auszubauen?
Zu 8.:
Die Bayerische Staatsregierung strebt aus Gründen der Versorgungssicherheit, der Netzstabilität, der Wettbewerbsfähigkeit und der heimischen Wertschöpfung an, dass der bayerische Strombedarf auch künftig rechnerisch weitgehend durch Strom aus Erzeugungsanlagen in Bayern gedeckt werden kann. Dies ist durch den Kernenergieausstieg massiv gefährdet. Beim Verzicht auf die Kernenergienutzung müsste ein erheblicher Teil des bayerischen Strombedarfs aus Stromlieferungen aus anderen Teilen Deutschlands sowie aus dem Ausland gedeckt werden. Da die Netzkapazitäten einem dauerhaften physischen Fernbezug von Strom in größeren Mengen Grenzen setzen, wäre in diesem Fall nicht auszuschließen, dass der benötigte Ersatzstrom gerade aus dem unmittelbar angrenzenden Nachbarland Tschechien in einem weit größeren Umfang als heute bezogen werden müsste. Die Staatsregierung setzt sich daher auf Bundesebene dafür ein, dass die Laufzeit der bayerischen Kernkraftwerke durch Änderung des geltenden Atomgesetzes verlängert wird.

Im Übrigen wird auf die Beantwortung der Schriftlichen Anfrage der Abgeordneten Paulig, Dr. Magerl u. a. vom 18.09.2008 verwiesen. 

Die Originalanfrage samt Antworten der Staatsregierung im offiziellen Drucksachen-Layout des Landtags finden Sie in der beigefügten pdf-Datei.

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