23. Juni 2010

Einführung der Brennelementesteuer unterstützen

Meine Rede zu unserem Dringlichkeitsantrag im Landtagsplenum am 23.06.2010

Ludwig Hartmann (GRÜNE):
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!
Aktuell findet zur Stunde im Kanzleramt der Atompoker statt. Die vier Bosse der großen Atomkonzerne und die Kanzlerin diskutieren über die Brennelementesteuer. Die Brennelementesteuer ist ein Teil des Sparpaketes, das die Bundesregierung vorgeschlagen und auf den Weg bringen will. Dieser Teil des Sparpakets ist durchaus berechtigt und sinnvoll. Einmal ist die Brennelementesteuer dringend notwendig, da sich durch die Einführung des Emissionshandels die Chancengleichheit und die Gleichheit der Besteuerung der fossilen Energieträger im Verhältnis zu den nuklearen Energieträgern verschoben hat. Das heißt, die Kernkraftwerke haben eine zusätzliche Privilegierung bekommen, die man durch eine Brennelementeabgabe bzw. Brennelementesteuer ausbessern müsste.
Bei diesem Thema ist aber nicht nur Gerechtigkeit einzufordern, es geht auch um die Kosten der Kernkraft in diesem Land. Das betrifft zum einen die Frage der Entsorgung. Seitdem die Risikotechnik Kernkraft in diesem Land eingesetzt wird, sind massenweise Kosten auf die Allgemeinheit umgelegt worden. Aktuellstes Beispiel ist Asse. Die Sanierung des absaufenden Bergstocks kostet mindestens 3,7 Milliarden Euro. Kein Cent von der Atomwirtschaft, das soll der Steuerzahler übernehmen. Man könnte die Liste ewig fortsetzen. Ich nenne auch – daran können sich sicher noch einige erinnern; es war nach der Wende – die Sanierung des Uranabbaus in Wismut, die mehrere Milliarden verschlungen hat, bezahlt vom Steuerzahler. Morsleben; das übernimmt der Steuerzahler. Zu Asse ist noch zu sagen: 90 % des Mülls, der in Asse liegt, stammt aus dem Betreiben der Kernkraftwerke, also aus dem Kreislauf der Brennelemente. Die Kernkraftwerksbetreiber wollen aber kein bisschen von diesen Kosten übernehmen. Ein Sechstel dieses Mülls stammt übrigens aus dem Bundesland Bayern.
Ein weiterer Bereich, in dem immer noch die Kernkraft – auch indirekt, auch hier in Bayern – subventioniert wird, ist der von Eon ins Leben gerufene Lehrstuhl für Nukleartechnik in München. Eon wird immer als der große Stifter dieses Lehrstuhls hingestellt. Eon übernimmt ein Drittel der Kosten dieses Lehrstuhls, zwei Drittel übernimmt der bayerische Steuerzahler. Die Kernkraft verursacht also eine Reihe von Kosten, die es durchaus rechtfertigen, dass eine Brennelementesteuer kommen muss.
Das Thema Brennelementesteuer muss unabhängig von der Laufzeitverlängerung behandelt werden. Diese Verzerrung beim Wettbewerb mit fossilen Energieträgern haben wir seit Einführung des Emissionshandels. Die ersten Zertifikate wurden praktisch verschenkt. In Zukunft soll zumindest ein Teil versteigert werden. Ich hoffe, dass eines Tages 100 % versteigert werden. Wenn die Kernkraftwerke keine Kosten für den Nuklearbrennstoff haben, aber auf die anderen Energieerzeuger mehr Kosten durch den Emissionshandel zukommen, muss es zu einem Ausgleich kommen.
Ich komme zu einem weiteren Grund, und zwar zum Hauptgrund für unseren Dringlichkeitsantrag. Es ist an Dreistigkeit kaum zu überbieten, dass die vier großen Kernkraftwerksbetreiber, die gleich sagen, sie wollen diese Steuer nicht, sobald davon in der Zeitung zu lesen ist, sofort einen Termin bei der Kanzlerin bekommen. Ich frage mich schon, ob die anderen, die auch vom Sparpaket wirklich betroffen sind, ähnlich schnell einen Termin bei der Kanzlerin bekommen.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD)

Die Kernkraftwerksbetreiber greifen einfach zum Telefon und sitzen wenig später im Kanzleramt. Das ist wirklich erstaunlich und zeigt, in welche Richtung das Ganze geht. Das ist nicht mit einem demokratischen Grundverständnis zu vereinbaren. Jegliche Steuer oder Abgabe, die man einführt, betrifft irgendwelche Firmen, die nicht alle sofort im Kanzleramt antanzen können. Dann würden wir beim Thema der Sanierung der Staatsfinanzen gar nicht mehr weiterkommen. Die Kernkraftwerksbetreiber lassen über die Medien mitteilen, sie würden klagen, wenn die Steuer kommt. Sie sehen darin ein Aufbrechen des Atomkonsenses, in dem eine weitere Schlechterstellung der Kernkraftwerke ausgeschlossen worden ist. Damals gab es aber den Emissionshandel noch nicht; der kam erst später hinzu. Ich muss ganz klar sagen: Wenn einer den Atomkonsens aufkündigt, dann sind es seit 2005 die Kernkraftwerksbetreiber, die jegliche Möglichkeit nutzen, um daran zu kratzen. Seit dem Regierungswechsel versuchen sie ständig, den Konsens aufzukündigen. Sie können sich also wirklich nicht auf den Atomkonsens berufen, den sie selbst aufkündigen wollen.
Ich gehe noch kurz auf die beiden weiteren Anträge ein, die zu diesem Thema eingereicht worden sind, zunächst auf den Antrag der Regierungsfraktion. Diesem einen Satz, der im Antragstext steht, kann man zustimmen; das muss man ganz offen sagen. Sie hätten sich aber schon zur Formulierung durchringen können, dass das unabhängig von der Laufzeitverlängerung geschehen soll. In der Begründung – ich weiß, dass diese nicht Teil des Antrags ist – gehen Sie auch auf den Emissionshandel ein, den wir mit oder ohne Laufzeitverlängerung haben. Man könnte also durchaus in einem weiteren Satz davon sprechen, dass das unabhängig von der Laufzeitverlängerung geschehen soll; denn Sie können da beim besten Willen nicht von einer Gewinnabschöpfung sprechen, die Sie immer fordern. Sie führen eine weitere Steuer ein, die auf die Kunden einfach umgelegt wird, und Sie gehen nicht an die Gewinne. Sie gehen nicht an die 8,6 Milliarden Gewinne von Eon im letzten Jahr wirklich heran. Das ist keine Gewinnabschöpfung. Die Brennelementesteuer ist ein sinnvolles Instrument, was wir GRÜNEN seit jeher fordern. Deshalb werden wir diesen Antrag von Ihnen unterstützen. Wir glauben aber nicht, dass Sie es damit wirklich ernst meinen. Die Kanzlerin hat immerhin gestern verkünden lassen, dass sie das unabhängig von der Laufzeitverlängerung durchführt. Deshalb könnten Sie leicht einen Schritt weitergehen, der Kanzlerin dabei folgen und das noch in den Antrag schreiben. Das wäre die ehrlichere Methode. Trotzdem stimmen wir zu.
Dem Antrag der SPD stimmen wir selbstverständlich zu.

(Beifall bei den GRÜNEN)

(…)

Meine Zwischenbemerkung zum Vortrag des Staatssekretärs Pschierer (CSU):

Ludwig Hartmann (GRÜNE):
Herr Kollege,
habe ich Sie richtig verstanden, dass nach Ihrer Aussage Bayern auf Platz eins bei der erneuerbaren Stromversorgung steht? Oder habe ich Sie falsch verstanden? Eine weitere Frage – –

Staatssekretär Franz Josef Pschierer (Finanzministerium):
Was die Stromversorgung angeht, Herr Kollege, wissen Sie so gut wie ich, dass knapp – –

Dritter Vizepräsident Peter Meyer:
Herr Staatssekretär, bitte lassen Sie Herrn Kollegen Hartmann seine Zwischenbemerkung im Zusammenhang machen.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Sie können sich jederzeit zu Wort melden, aber nicht dazwischenquatschen! – Georg Schmid (CSU): Der Kollege Dürr muss das sagen, der immer selber dazwischenquatscht! – Weitere Zurufe – Glocke des Präsidenten)

Staatssekretär Franz Josef Pschierer (Finanzministerium):
Herr Kollege Dürr, bei Ihnen fällt mir immer nur ein – –

Dritter Vizepräsident Peter Meyer:
Nein, Herr Staatssekretär, ich bitte Sie – –

Staatssekretär Franz Josef Pschierer (Finanzministerium):
Der Name Dürr ist schlichtweg Programm. Es ist immer – –

Dritter Vizepräsident Peter Meyer:
Herr Staatssekretär, wir lassen jetzt den Kollegen Hartmann seine Zwischenbemerkung machen.

Ludwig Hartmann (GRÜNE):
Meine zweite Frage: Ist Ihnen bewusst, dass Bayern bei den erneuerbaren Energien im Strombereich einmal auf Platz eins stand, aber nicht mehr auf Platz eins steht, weil es bereits von mehreren Ländern überholt worden ist? Weiterhin möchte ich wissen, ob ich Sie richtig verstanden habe, dass die gesamten Ausgaben für die Unterstützung der Kernenergie in den letzten Jahrzehnten unter 25 Milliarden Euro lagen. Gebe ich Sie da richtig wieder? Asse, Wismut, Wackersdorf und der Rückbau bestimmter Anlagen sollen unter 25 Milliarden geblieben sein?

(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)

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Unser Dringlichkeitsantrag und der Antrag der SPD wurden leider aufgrund der Gegenstimmen von CSU und FDP abgelehnt. Der erwähnte Antrag der Regierungsfraktionen, den ich Ihnen auch im Anschluss an diesen Text angehängt habe, wurde mit unseren und den Stimmen von CSU und FDP, bei Enthaltung von SPD und FW angenommen.

Anbei finden Sie Links zu Videomitschnitten meiner Rede. Außerdem können Sie in der angefügten pdf-Datei den Diskussionsverlauf als Auszug des Plenarprotokolls nachlesen. Die in Verbindung stehende Nachricht führt Sie zu weiteren Informationen über unseren Antrag.

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