20. Dezember 2017

Brennelemente mit Qualitätssicherungsfehlern in Gundremmingen

Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Martin Stümpfig, Christine Kamm und Ludwig Hartmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) vom 21.11.2017, mit den Antworten der Staatsministerin für Umwelt und Verbraucherschutz, Ulrike Scharf, vom 20.12.2017 (kursiv dargestellt)

Nach Medienberichten sind im Atomkraftwerk Gundremmingen (mindestens) zwei Brennelemente im Einsatz, die Qualitätssicherungsfehler aufweisen. In der Schweiz, in der ebenfalls solche Brennelemente zum Einsatz kamen, wurde nach Bekanntwerden die Entfernung dieser Brennelemente angeordnet und führte zu einer längeren Stilllegung des Siedewasserreaktors Leibstadt. Die Herstellung von Brennelementen mit Qualitätssicherungsfehlern ist offenbar über vier Jahre erfolgt, jedoch nicht durchgängig, sondern sporadisch.
Wir fragen die Staatsregierung:

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
die Schriftliche Anfrage beantworte ich wie folgt:
Vorbemerkung:
Beim Brennelementhersteller AREVA kam es in den vergangenen Jahren im französischen Werk „Paimboeuf“ vereinzelt zu Abweichungen bei der Qualitätssicherung von Hüllrohren für Brennstäbe. Bei der automatisierten Ultraschallprüfung wurden sporadisch Prüfdatensätze den Hüllrohren falsch zugeordnet. In der Folge davon wurden von AREVA einzelne Hüllrohre in der Brennelementfertigung eingesetzt, die nicht vollumfänglich der Spezifikation entsprachen. AREVA hat diesen Sachverhalt erst jetzt festgestellt und mitgeteilt.
Im Kernkraftwerk Gundremmingen sind lediglich vier der ca. 70.000 im Reaktorkern des Blocks C eingesetzten Brennstäbe betroffen. Sie sind bereits das fünfte Jahr defektfrei im Einsatz. Drei weitere betroffene Brennstäbe befinden sich nach fünf Einsatzjahren im Lagerbecken des Blocks C, ebenfalls ohne Defekt. Gegen den weiteren Einsatz der vier Brennstäbe im Kern des Blocks C bestehen keine sicherheitstechnischen Bedenken. Das Auftreten von Defekten aufgrund des weiteren Einsatzes ist nicht zu besorgen.
Zu diesem Ergebnis kommt auch der vom Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz beauftragte atomrechtliche Sachverständige TÜV SÜD.
Davon abgesehen, dass die betreffenden Brennstäbe keine Hüllrohrschäden aufweisen, wäre das Kernkraftwerk Gundremmingen auch für den Betrieb mit Brennstab- Hüllrohrschäden ausgelegt, da solche beim Betrieb von Kernkraftwerken grundsätzlich nicht auszuschließen sind. Hierfür bestehen mehrfache Barrieren und mehrfache, unterschiedliche Aktivitätsüberwachungseinrichtungen.
Entscheidend ist die Einhaltung der im Betriebshandbuch festgelegten Aktivitätsgrenzwerte und der in der Betriebsgenehmigung festgelegten Grenzwerte der Aktivitätsableitungen. Dies wird – unabhängig vom Betreiber – auch vom Bayerischen Landesamt für Umwelt laufend überwacht.
Die Grenzwerte der Aktivitätsableitungen werden am Standort Gundremmingen dauerhaft nur zu einem geringen Bruchteil ausgeschöpft.
Die aus den Ableitungen resultierende jährliche Strahlenexposition in der Umgebung ist nicht messbar, rein rechnerisch beträgt sie nur wenige Mikrosievert, unabhängig davon, ob in der Anlage einzelne defekte Brennstäbe vorhanden sind oder nicht. Zu- lässig nach bundeseinheitlicher Strahlenschutzverordnung wären 300 Mikrosievert pro Jahr. Die mittlere natürliche Strahlenexposition in Deutschland beträgt über 2000 Mikrosievert pro Jahr.
Dieser Sachverhalt wurde in der 78. Sitzung des Ausschusses für Umwelt und Verbraucherschutz des Bayerischen Landtags am 30.11.2017 bereits vorgetragen.

1. a) Sind die Medienberichte richtig, wonach im Atomkraftwerk Gundremmingen Brennelemente mit Qualitätssicherungsfehlern – vergleichbar denen in Leibstadt – eingesetzt sind?
b) Wie verteilt sich der Einsatz dieser Brennelemente auf die beiden Reaktoren Block B und Block C?
c) Seit wann sind diese Brennelemente jeweils im Einsatz?
Antwort auf die Fragen 1. a) bis c): Im Reaktorkern des Blocks C sind von den insgesamt rund 70.000 Brennstäben derzeit 2 Brennelemente mit insgesamt 4 betroffenen Brennstäben eingesetzt. Zwei weitere Brennelemente mit insgesamt 3 betroffenen Brennstäben befinden sich im Lagerbecken des Blocks C. Der Ersteinsatz dieser Brennelemente erfolgte im Jahre 2012. Der Block B ist nicht betroffen.

2. a) Seit wann ist die Bayerische Atomaufsicht darüber informiert, dass im Atomkraftwerk Gundremmingen Brennelemente mit Qualitätssicherungsfehlern im Einsatz sind?
b) Wer hat die Bayerische Atomaufsicht darüber informiert?
Das StMUV wurde Anfang November 2017 (KW 44) von der Kernkraftwerk Gundremmingen GmbH (KGG) informiert.
c) Wurde auch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit darüber informiert und wenn ja, von wem (ggf. bitte Zeitpunkt mit angeben)?
Antwort auf die Fragen 2. a) bis c): Auf einer Bund-Länder-Sitzung am 06./07.11.2017 tauschten sich Bund und Länder über die Abweichungen bei der Produktion von Brennelementen aus.

3. a) Von wem hat das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz welche Informationen über die Ursache für die Qualitätssicherungsfehler erhalten?
Antwort auf Frage 3. a): Das StMUV wurde von KGG, RWE sowie AREVA über die Ursache informiert.

3. b) Von wem wurden die Qualitätssicherungsfehler erstmals festgestellt?
Antwort auf Frage 3. b): Von AREVA.

3. c) Von wem wurden die Qualitätssicherungsfehler dem Atomkraftwerk mitgeteilt (bitte Zeitpunkt mit angeben)?
Antwort auf Frage 3. c): Laut Aussage der KGG von AREVA am 30.10.2017.

4. a) Werden die frischen Brennelemente in Gundremmingen vor ihrem Einsatz auf ihre Qualität hin überprüft?
Antwort auf Frage 4. a): Die Brennelemente werden im Rahmen der Fertigungskontrollen auf ihre Qualität hin überprüft.

4. b) Wenn ja, sind dabei Qualitätsfehler festgestellt worden bzw. wurde festgestellt, dass die Qualitätssicherung nicht ordnungsgemäß erfolgte?
Antwort auf Frage 4. b): Nein.

4. c) Wenn nein, warum nicht?
Antwort auf Frage 4. c): Aufgrund eines Softwarefehlers kam es in einigen Fällen zu einer falschen Zuordnung von Prüfdatensätzen zu einzelnen Hüllrohren. Warum dieses Problem nicht früher festgestellt worden ist, befindet sich derzeit in Klärung und ist Bestandteil einer detaillierten Untersuchung des Brennelementherstellers.

5. a) Welche Konsequenzen hat der Betreiber aus der Information über den Einsatz von Brennelementen mit fehlerhafter Qualitätssicherung gezogen?
Antwort auf Frage 5. a): Der Betreiber hat eine sicherheitstechnische Bewertung des Einsatzes der 4 betroffenen Brennstäbe im Reaktor des Blocks C veranlasst und diese dem StMUV vorgelegt. Das Ergebnis der Bewertung ist, dass ein weiterer Einsatz der Brennstäbe uneingeschränkt möglich ist.

5. b) Welche Konsequenzen hat die Bayerische Atomaufsicht aus der Information über den Einsatz von Brennelementen mit fehlerhafter Qualitätssicherung gezogen?
Antwort auf Frage 5. b): Das StMUV hat unter Hinzuziehung des Sachverständigen TÜV SÜD eine Bewertung des Einsatzes der 4 betroffenen Brennstäbe im Reaktor des Blocks C vorgenommen. Das Ergebnis der Bewertung ist, dass gegen den weiteren Einsatz der vier Brennstäbe im Kern des Blocks C keine sicherheitstechnischen Bedenken bestehen und das Auftreten von Brennstabdefekten aufgrund der Spezifikationsabweichung nicht zu besorgen ist.

5. c) Warum werden in Gundremmingen – anders als in Leibstadt – die Brennelemente mit Qualitätssicherungsfehlern bisher nicht aus dem Reaktor entfernt?
Antwort auf Frage 5. c): Auf die Antworten zu den Fragen 5) a) und 5) b) sowie auf die Vorbemerkung wird verwiesen.

6. a) Kann der Brennelementehersteller AREVA genau feststellen, in welchen Zeit- räumen die Qualitätssicherung nicht ordnungsgemäß funktionierte?
Antwort auf Frage 6. a): Laut Aussage von AREVA ja.

6. b) Hat der Brennelementehersteller AREVA bekannt gegeben, welche Atomkraftwerke welche Brennelemente mit fehlerhafter Qualitätssicherung geliefert bekommen haben?
Antwort auf Frage 6. b): Laut Aussage von AREVA wurden alle betroffenen Kernkraftwerke informiert.

6. c) Wie wird in Zukunft vermieden, dass über solch lange Zeiträume der sporadische Ausfall von Qualitätssicherungsmaßnahmen nicht festgestellt wird?
Antwort auf Frage 6. c): Es wurden Sofortmaßnahmen eingeführt. Weitere Maßnahmen sind Gegenstand einer noch andauernden, detaillierten Untersuchung des Brennelementherstellers.

7. a) In welchem Werk ist der Fehler bei der Qualitätssicherung der Brennelemente aufgetreten?
Antwort auf Frage 7. a): Im Werk „Paimboeuf“ in Frankreich.

7. b) Können die bayerischen Atomkraftwerksbetreiber definitiv ausschließen, dass lediglich zwei Brennelemente mit Qualitätssicherungsfehlern in den letzten zehn Jahren zum Einsatz kamen?
c) Kann die Bayerische Atomaufsicht definitiv ausschließen, dass lediglich zwei Brennelemente mit Qualitätssicherungsfehlern in den letzten zehn Jahren zum Einsatz kamen?
Antwort auf Frage 7. b) und c): Laut Aussage von AREVA konnte mittels einer nachträglichen Datenanalyse jedes Hüllrohr mit Spezifikationsabweichungen zweifelsfrei identifiziert werden. Demnach sind die anderen bayerischen Kernkraftwerke nicht betroffen. Hinsichtlich des Kernkraftwerks Gundremmingen wird auf die Vorbemerkung verwiesen.

8.) Wann werden diese Brennelemente aus dem Reaktorkern in Gundremmingen entfernt?
Antwort auf Frage 8: Auf die Antworten zu den Fragen 5) a) und 5) b) sowie auf die Vorbemerkung wird verwiesen.

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Hier habe ich Ihnen meine Schriftliche Anfrage und die Antworten der Staatsregierung auch als pdf-Datei im Drucksachenlayout des Bayerischen Landtags hinterlegt.