Offener Brief an den Präsidenten des Bayerischen Bauernverbandes Walter Heidl
Sehr geehrter Herr Heidl,
die Bäuerinnen und Bauern gehören zu den Leidtragenden der derzeitigen Hitzewelle. Vor allem beim Mais und beim Getreide dürfte es Einbußen beim Ertrag geben. Mittlerweile ist es leider fast schon an der Tagesordnung, dass durch extremes Wetter die Ernten beeinträchtigt werden;
Dieses Jahr, weil es zu heiß und zu trocken ist, letztes Jahr, weil es zu nass war.
Schätzungen besagen, dass sich die Ernteausfälle der letzten 15 Jahre in Deutschland auf rund sieben Milliarden Euro summieren.
Was wir erleben, ist längst kein schlechtes Wetter mehr, sondern die beginnende Überhitzung des Erdklimas mit allen ihren negativen Folgen: Hitze, Trockenheit, Starkregen, Überschwemmungen.
Wer geglaubt hat, das betrifft uns nicht oder es würde schon nicht so schlimm, ist jetzt mit der Wirklichkeit konfrontiert. Und es wird noch deutlich schlimmer, wenn wir nichts dagegen tun. Noch haben wir es in der Hand, ob die globale Durchschnittstemperatur um zwei, drei oder vier Grad steigt – mit den entsprechenden Folgen für uns in Bayern.
Kaum ein Bereich erfährt diese Veränderungen so unmittelbar wie die Landwirtschaft. Genau wie beim ausufernden Flächenverbrauch haben die Bäuerinnen und Bauern ein vitales Interesse daran, dass wir schonend mit unseren natürlichen Lebensgrundlagen umgehen. Kein Betrieb kann es sich auf Dauer leisten, wenn Jahr für Jahr Missernten drohen und zudem die Pachtpreise für landwirtschaftliche Flächen immer weiter steigen.
Leider ist die Art, wie wir hierzulande Landwirtschaft betreiben, einerseits für die Klimaveränderungen mitverantwortlich und andrerseits die Ursache dafür, dass die Agrarwirtschaft in der Bevölkerung keinen besonders guten Ruf genießt. Im Jahr 2015 war die Landwirtschaft in Deutschland für den Ausstoß von 67 Mio. Tonnen CO2-Äquivalenten verantwortlich, vor allem durch Methan aus der Tierhaltung und Lachgas aus der Verwendung von Mineraldünger.
In der Bevölkerung sind es vor allem der Umgang mit Nutztieren und die ausufernde Verwendung von Pestiziden mit ihren negativen Folgen für die Artenvielfalt, die den Landwirtinnen und Landwirten Akzeptanz kosten.
Die Situation ist verfahren und kennt fast nur Verlierer.
Die Verbraucherinnen und Verbraucher, die zunehmend skeptisch sind, die natürlichen Lebensgrundlagen, die gefährdet werden und vor allem die Bäuerinnen und Bauern selbst, die unter hohem wirtschaftlichen Druck stehen.
Es ist Zeit für einen Neuanfang, der sich am Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen ebenso orientiert wie an der Tatsache, dass Bäuerinnen und Bauern ein gutes Auskommen brauchen.
Das ist kein Widerspruch, sondern bedingt einander.
Denn für die Landwirtschaft gilt noch mehr als für andere Bereiche der Wirtschaft, dass sie auf Dauer nicht gegen die Umwelt arbeiten kann, sondern nur im Einklang mit ihr. Und wie in der Industrie oder im Dienstleistungsgewerbe brauchen die Betriebe eine wirtschaftliche Perspektive.
Wir Grüne sind bereit, gemeinsam mit den Landwirtinnen und Landwirten an einem solchen Neuanfang zu arbeiten. Eine gute Zukunft für uns alle wird es nur geben, wenn wir erhalten, was uns erhält und das gilt erst recht in Zeiten der Klimaerhitzung.
Über den besten Weg dahin können wir gerne leidenschaftlich streiten.
Beste Grüße
Ihr
Ludwig Hartmann