Gemeinsame 1. Lesung auf Änderung des Gaststättengesetzes und des Ladenschlussgesetzes beantragt durch die SPD-Fraktion
Meine Rede zu den SPD-Gesetzentwürfen Gaststättengesetz für den Freistaat Bayern und zum Bayerisches Ladenschlussgesetz im Plenum vom 22.04.2010
Ludwig Hartmann (GRÜNE):
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn man den bisherigen Rednern in der heutigen Debatte aufmerksam zugehört hat, stellt man fest, dass zwei Personengruppen bei diesem Thema zu unterscheiden sind: auf der einen Seite die Personen unter 18 Jahren oder unter 16 Jahren, deren Alkoholkonsum wirklich zugenommen hat, und auf der anderen Seite die große Gruppe von jungen Erwachsenen in diesem Land, deren Alkoholkonsum in den letzten Jahren zurückgegangen ist. Das zeigen uns die Zahlen; da wurde aber nicht unterschieden.
(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der FDP)
Wenn wir über dieses wichtige Thema reden, ist es doch unser aller Anspruch, diese Gruppen zu unterscheiden.
Von den Freien Wählern haben wir eben gehört: Wir bräuchten ein Verkaufsverbot. Das wurde ausführlich dargestellt. Aber für diese tragischen Fälle, in denen Jugendliche, teilweise sogar Kinder betroffen sind, gibt es ein Verkaufsverbot, und zwar 24 Stunden am Tag sieben Tage in der Woche. Für diese Zielgruppe gibt es ein Verkaufsverbot in diesem Land. Das ist einfach Fakt.
(Beifall bei den GRÜNEN und der FDP)
Deshalb finde ich es schade, dass in dieser Debatte so wenig darauf eingegangen wird. Diese Jugendlichen hätten gar nicht an Alkohol kommen dürfen. Am meisten erstaunt mich, welche Möglichkeiten man schon nach der aktuellen Gesetzeslage hat, um dagegen vorzugehen. Zum Beispiel ist hinsichtlich der Flatrate-Partys im Gaststättengesetz eindeutig geregelt, dass die Berechtigung zum Ausschank von Alkohol entzogen werden kann, wenn alkoholische Getränke an offensichtlich angetrunkene Personen verabreicht wurden. Bei einer Flatrate-Party wird das häufig vorkommen. Es gibt also bereits jetzt Möglichkeiten. In letzter Zeit ist die Anzahl der Flatrate-Partys, vor allem auf dem flachen Land, zurückgegangen, weil man nach Lösungen gesucht hat.
Ein bisschen wundert mich diese Debatte, was die Tankstellen angeht. Sicher kann man sagen: Es kann verführen, wenn man rund um die Uhr an Alkohol kommt. Ich habe es vorhin erwähnt: Jugendliche unter 18 Jahren dürften gar nicht an branntweinhaltige Getränke kommen, und zwar rund um die Uhr, nicht erst nach 22.00 Uhr und auch nicht davor.
Erstaunlich ist, wenn man sich anschaut, wo es zum „Vorglühen“ kommt, was vorhin erwähnt wurde. Eine ganze Reihe von Studien und Zahlen belegt ganz deutlich, dass der Großteil im privaten Kreis stattfindet, meistens vor 22.00 Uhr. Bevor man weggeht, findet das „Vorglühen“ statt, wie der Name schon sagt. Ein Verbot ab 22.00 Uhr würde auch nicht weiterhelfen, um dies einzudämmen.
(Dr. Paul Wengert (SPD): Die haben alle Schnapsbrennereien zu Hause! Was glauben Sie denn, woher die das Zeug haben?)
Sie haben das Zeug, weil sie es teilweise vorher kaufen und weil sie es trotz des bestehenden Jugendschutzgesetzes bekommen. Die Frage ist: Warum wird das bestehende Jugendschutzgesetz nicht hinreichend angewandt? Warum macht man das nicht?
(Beifall bei den GRÜNEN)
Für mehr Kontrolle würde mehr Personal benötigt. Wenn ein Gesetz verschärft wird, trotzdem aber nicht besser kontrolliert werden kann, bringt doch die Verschärfung des Gesetzes nichts.
(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der FDP)
Das bringt doch nichts.
Apropos Kontrolle: Ich möchte etwas zur Kontrolle bei Gaststätten sagen. Wir haben beim Strafmaß die Möglichkeit, bei Verstößen gegen das Jugendschutzgesetz Geldstrafen bis zu 50.000 Euro zu verhängen, die wirklich abschrecken. Wenn die Zahlen zutreffen sollten und wenn stimmt, dass im Durchschnitt Strafen von 200 Euro verhängt werden, ist dies entsetzlich und beschämend. Wie kann es sein, dass die Bußgelder in diesem Bereich im Durchschnitt bei 200 Euro liegen, wenn das Höchstmaß bei 50.000 Euro liegt? Das hat keine abschreckende Wirkung. Daher ist zu fragen: Muss in den Bußgeldkatalog nicht eine Mindesthöhe des Bußgeldes aufgenommen werden, um wirklich eine abschreckende Wirkung zu erzeugen? Bei durchschnittlich 200 Euro wird keiner etwas machen; da drücken Sie die Augen zu, auch die Gastronomen. Das liegt nicht daran, dass die Gastronomen den Jugendschutz nicht kennen darum geht es gar nicht -; sie wissen hinreichend Bescheid. Das aktuelle Bußgeld hat aber keine abschreckende Wirkung. Hier muss es zu einer Änderung kommen.
Ich komme zu einem weiteren Bereich, den man immer bedenken sollte, wenn man über das Thema spricht. Wir als Erwachsene haben hinsichtlich unserer Vorbildfunktion Verantwortung; das darf man nicht ganz verkennen. Aus unserer Gesellschaft ist Alkohol sicher nicht wegzudenken; in dieser Hinsicht bin ich durchaus Realist. Wir Erwachsene sollten aber schon unser Augenmerk darauf richten, mit Alkohol verantwortungsbewusst umzugehen und Vorbilder zu sein.
Bei Jugendlichen ist auch entscheidend, dass sie in der Regel nicht alleine, sondern in der Gruppe trinken. In einer Gruppe von Jugendlichen gibt es immer ein paar Personen, die sich profilieren müssen, um sich der Gruppe zugehörig zu fühlen oder um dazuzukommen. Wenn es mit einem Verkaufsverbot ab 22.00 Uhr zu einer Verschärfung der Gesetze kommt, wird dies genau für diese Jugendlichen ein Anreiz sein, sich zu profilieren, indem sie versuchen, vorher Alkohol zu besorgen und diesen dann mitzubringen. Jeder von Ihnen, der einmal im Ausland studiert hat oder einen Freund in einer Studentenstadt im europäischen Ausland oder in den USA besucht hat, wo es schwieriger ist, an Alkohol zu kommen, muss nur einmal in die Küchen der Studentenheime schauen. Dort ist ein riesiger Vorrat an harten Alkoholika gebunkert, weil sich die Studenten darauf eingestellt haben und wissen, dass es ab bestimmten Uhrzeiten schwieriger wird, Alkohol zu kaufen. Dort wird vorgesorgt, dort stehen dann die Sachen. Das heißt: Damit bekommt man das Problem nicht in den Griff.
(Beifall bei den GRÜNEN und eines Abgeordneten der FDP Zuruf von der SPD)
Ich möchte damit nicht das Problem kleinreden, damit mich keiner falsch versteht. Ich habe am Anfang erwähnt: Das größte Augenmerk bei uns muss wirklich auf den Jugendlichen unter 18 Jahren liegen; das ist ganz klar. Jede Einlieferung in das Krankenhaus ist eine zu viel das ist unumstritten. Wir werden das Problem so aber nicht in den Griff bekommen. Wenn man fordert, die Gesetze zu verschärfen, habe ich etwas Angst, dass sich die Politik, wie es leider oft der Fall ist das ist sicher nicht die Motivation der SPD-Fraktion -, dann zurücklehnt und sagt: Wir haben doch etwas getan; wir haben das Gesetz verschärft; schauen wir, wie es sich auswirkt. Zwei Jahre lang wird erst einmal nichts getan. Das darf nicht passieren. Dafür ist das Thema zu akut. Dem wird man aber Vorschub leisten, wenn man sich allein auf weitere Verschärfungen beschränkt.
Es geht auch um das Thema Flatrate-Partys, das hinreichend diskutiert worden ist. Ich habe es vorher kurz angesprochen. Es ist völlig richtig: Ich kann auch nicht ganz nachvollziehen, wie sich das für die Gastronomen rechnet. Ich habe aber am Anfang kurz erwähnt und möchte das wiederholen: Hinsichtlich der Flatrate-Partys ist auch vonseiten des Innenministeriums bzw. des Wirtschaftsministeriums eine klare Vorgabe an die Aufsichtsbehörden zu erlassen, wie das bestehende Gaststättengesetz auszulegen ist. Man kann es so auslegen, um das zu unterbinden. Das heißt, ein Gastronom darf an eine ersichtlich angetrunkene Person keinen Alkohol ausschenken. Das trifft auf eine ganze Reihe von Flatrate-Partys zu. Deshalb muss den Behörden, vor allem auch den Landkreisen und Landratsämtern gezielt der Rücken gestärkt werden, hart durchzugreifen. Unser Ansatz zu diesem Thema ist also, das bestehende Gesetz anzuwenden und besser zu kontrollieren.
Ich komme zu einem Bereich, den ich nachher bei den Anträgen ansprechen werde; ich möchte ihn aber jetzt mit aufnehmen, da noch etwas Redezeit übrig ist. Ich meine das Thema Meldepflicht. Frau Staatsministerin Haderthauer ist gerade da. Wenn man das ernsthaft umsetzen wird, ist das für mich eine ganz gefährliche Sache. Sie haben vorher gemerkt: Ich lege meinen Schwerpunkt auf Jugendliche bis 16 Jahre. Es wird fraglich sein, ob ein Jugendlicher seinen Freund ins Krankenhaus bringt oder ärztliche Hilfe holt, wenn er Angst davor hat, dass etwas gemeldet wird. Vielleicht überlegt er sich: Warten wir erst einmal ab; vielleicht ist es gar nicht so schlimm. Ich muss dazu sagen: Mir ist es lieber, den Arzt einmal zu oft als einmal zu selten zu rufen. Eine Meldepflicht birgt aber die Gefahr in sich, davon Abstand zu nehmen, einen Arzt zu rufen, da sie eine abschreckende Wirkung hat. Es ist sicher besser, wenn der Arzt einmal zu oft gerufen wird als einmal zu wenig.
Noch einmal mein Appell: Der Bußgeldkatalog muss überarbeitet werden. Es kann nicht sein, dass die durchschnittlichen Bußgelder bei 200 Euro liegen. Bei jedem Verkehrsteilnehmer, der zu schnell fährt, geht man härter vor. Es kann nicht sein, dass bei Gastronomen eine so niedrige Messlatte angesetzt wird. Das ist beschämend. Da muss gehandelt werden.
(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der FDP)
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Anbei finden Sie Links zu Videomitschnitten meiner Rede. Außerdem können Sie in der angefügten pdf-Datei den Diskussionsverlauf als Auszug des Plenarprotokolls nachlesen. Die in Verbindung stehende Nachricht führt Sie zu weiteren Informationen über die zweiten Lesungen der SPD-Anträge.
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