G7-Gipfel – eine Bilanz aus landespolitischer Sicht
Ein völlig überzogenes Sicherheitskonzept, maßlose Kosten und dürftige Ergebnisse: Anlass genug für einen Rückblick auf das Treffen der Regierungschefs auf Schloss Elmau.
Was bleibt vom G7-Gipfel im bayerischen Elmau? Diese Frage stellt sich sowohl mit Blick auf die Abschlusserklärung, als auch landespolitisch mit Blick auf die Kosten für die bayerischen Steuerbürger, das Sicherheitskonzept und die aus Grüner Sicht ärgerlichen Versuche der CSU-Regierung, demokratische Grundrechte zu beschneiden.
Beginnen wir mit Letzterem. Demokratischer Protest ist in der gesamten westlichen Welt einer der Eckpfeiler unseres Staatsverständnisses. Er zählt damit zu den Grundwerten, auf die sich auch die Teilnehmer des G7-Gipfels immer wieder berufen, auf die sie also ihre so genannte Wertegemeinschaft gründen. Und es ist eine Selbstverständlichkeit, dass demokratischer Protest auch im Umfeld eines solchen Gipfeltreffens ermöglicht werden muss. Leider sah das die CSU-Regierung anders und welche Meinung man in der CSU von demonstrierenden Bürgerinnen und Bürgern hat, macht nicht zuletzt das Zitat des CSU-Bundesministers Dobrindt deutlich, der sich freute, dass am Samstagabend in Garmisch „Demonstranten weggeschwemmt“ wurden. Es war letztlich das Münchner Verwaltungsgericht, das ein Protestcamp in Garmisch ermöglichen musste, es waren letztlich zivilgesellschaftliche Gruppen und wir Grüne, die in München friedlichen Protest organisiert haben und es waren die Bürgerinnen und Bürger – immerhin über 40.000 bei den Protestveranstaltungen – die Gegenpositionen zur Politik der G7 auf die Straße getragen haben. Ohne Gewalt, ohne Ausschreitungen, unter Berufung auf ihr Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit. Die versuchten und im Umfeld von Elmau auch durchgesetzten Beschränkungen dieses Grundrechts durch die CSU-Regierung verurteilen wir Grüne scharf. Hier hat der Staat nicht Stärke gezeigt, sondern Schwäche aus Angst vor Kritik der Bürgerinnen und Bürger.
Der Staat wollte Stärke zeigen, präsentiert sich aber schwach und ängstlich
Was das Sicherheitskonzept des CSU-Innenministers Herrmann betrifft, halten wir Grüne an unserer von Beginn an geäußerten Kritik fest. 20.000 Einsatzkräfte waren für jedes nur denkbare Bedrohungsszenario deutlich zu viel. Man muss hier von einem Sicherheits-Overkill sprechen – am deutlichsten wird das sicherlich bei der rechnerischen „Betreuungsquote“ von fünf Einsatzkräften pro Demonstrationsteilnehmer*in bei der Samstags-Kundgebung in Garmisch. Unverhältnismäßig war aus unserer Sicht auch die Einschränkung der Bewegungsfreiheit für die Bürgerinnen und Bürger. Hier wurde mit Kanonen auf Spatzen geschossen, was nicht zuletzt die magere Ausbeute der Polizei bei den gestern präsentierten beschlagnahmten Gegenständen verdeutlicht. Ein Knüppel, drei Taschenmesser, ein Elektroschocker – das Gefährdungspotenzial war doch recht überschaubar. Schon bei einer abendlichen Oktoberfestkontrolle könnte man im Vergleich hierzu mit einigen Hundert Hirschfängern wohl ein deutlich bedrohlicheres Waffenarsenal zusammentragen. Zusammenfassend: Auch hier wollte der Staat Stärke zeigen, hat sich aber schwach und ängstlich präsentiert.
Völliger Unsinn ist in diesem Zusammenhang aus unserer Sicht, über die generelle Wiedereinführung von Grenzkontrollen nachzudenken. Die europäische Idee basiert auf dem Zusammenrücken der Nachbarn auf diesem von Kriegen arg geschundenen Kontinent. Die Wiedereinführung von Grenzkontrollen – womöglich noch nur an bayerischen Grenzen – zeugt vom provinziellen Gedankengut vieler CSU-Politiker. Europäische Anliegen – vom Schutz vor Kriminalität im Schengen-Raum bis zur gerechten Verteilung von Flüchtlingen – löst man am besten auf europäischer Ebene – und nicht mit der lokalen Wiedereinführung kleinstaatlicher Anachronismen.
Bleiben die Kosten. Offiziell spricht man ja bei der CSU-Regierung noch von 135 Millionen Euro, davon 95 Millionen für Bayern. Schon das wäre ein stattlicher Betrag, aber nicht nur der Bund der Steuerzahler, sondern auch wir Grüne befürchten, dass das überzogene Sicherheitskonzept, vor allem aber das übermäßige Protzen und Prahlen der CSU-Regierung vor aller Welt unterm Strich zur großen Belastung für Bayerns Steuerbürger wird.
Hieraus ergeben sich für uns zwei zentrale Forderungen: Die CSU-Regierung muss dem Landtag eine klare Rechnungslegung über alle gipfelbedingt angefallenen Kosten präsentieren; alle Rechnungen sind intern einem entsprechenden Finanzcontrolling zu unterziehen. Und Forderung Nummer zwei: Über die bislang magere Kostenbeteiligung des Bundes sind unbedingt Nachverhandlungen zu führen. Der Bund hat den aus unserer Sicht nicht geeigneten Gipfelstandort ausgewählt, der Bund hat den kostspieligen Rahmen mit zu vertreten und der Bund ist damit auch in der Pflicht, einen größeren Kostenanteil zu tragen.
Unsere landespolitische Bilanz zusammengefasst: Der G7-Gipfel und der demokratische Protest gegen die G7-Positionen verlief erfreulicherweise ohne Zwischenfälle und friedlich; der Dank hierfür geht an die Bürgerinnen und Bürger und an die vor Ort eingesetzten Polizeikräfte, die größtenteils mit viel Fingerspitzengefühl agierten und das durch die CSU-Regierung aufgebaute Einschüchterungspotenzial so abmilderten. Das Sicherheitskonzept und die Gipfelkosten für Bayern waren deutlich überzogen – wir fordern Rechnungslegung und Nachverhandlungen über eine Kostenbeteiligung des Bundes. Die Demokratieverhinderungsmaßnahmen der CSU-Regierung sind aus unserer Sicht nicht hinnehmbar. Sie offenbaren ein furchtsames, obrigkeitsdominiertes Demokratieverständnis der CSU.
Zur Gipfel-Bilanz selbst nur wenige Sätze. Zentraler Punkt aus Grüner Sicht ist natürlich die Bekräftigung des Klimaerwärmungszieles von maximal zwei Grad Celsius. Die Abschlusserklärung ist in punkto Geschlossenheit der G7-Teilnehmer erfreulich, sie gibt aber keinen Grund, die Sektkorken knallen zu lassen. Bis zum gesetzten Ausstiegsziel – Ende des Jahrhunderts – werden die meisten endlichen Energiequellen ohnedies schon verbraucht oder nur noch unter schwersten Bedingungen zu fördern sein. Hier muss Angela Merkel deshalb noch mehr Dampf machen, wenn sie ihrem Ruf als Klimakanzlerin noch gerecht werden will. Deutschland muss eine Vorreiterrolle spielen beim Kohleausstieg – jetzt ist die schwarzrote Koalition gefordert, den hehren Gipfel-Erklärungen auch Taten folgen zu lassen.
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dpa-Pressemeldung vom 09.06.2015 im Internetangebot der „Welt“