26. April 2021

Erinnerung an 35 Jahre Reaktorkatastrophe Tschernobyl

Vor 35 Jahren, am 26. April 1986, ereignete sich die Reaktorkatastrophe in Tschernobyl. Ein Reaktor explodierte, radioaktive Stoffe wurden in die Atmosphäre geschleudert. Eine schädliche Wolke zog über Europa hinweg – erst Richtung Schweden, dann nach Österreich und Bayern.

 

„In meiner Familie haben wir früher die Milch immer in der eigenen Milchkanne direkt vom Bauernhof geholt. Nach der Schule bin ich mit meinen Brüdern auf den Bolzplatz, in den Wald oder in den Sandkasten hinaus. Die Pfingstferien haben wir immer da verbracht, wo es am schönsten ist: an den bayerischen Seen oder in den bayerischen Bergen.

Im Frühjahr 1986 war auf einmal alles anders. Die Milch kam plötzlich aus einem großen Sack mit Milchpulver, der bei uns in der Küche stand. Gemüse kam aus der Konserve statt vom Markt, und obwohl wir nicht krank waren, haben wir täglich Jodtabletten bekommen. Der Spielplatz um die Ecke wurde gesperrt, bis der Sand ausgetauscht war. Statt die Pfingstferien in Bayern zu verbringen, bin ich das erste Mal in meinem Leben in einen Flieger gestiegen; es ging nach Spanien, möglichst dahin, wo es nicht geregnet hatte, als die radioaktive Wolke über Westeuropa gezogen war. Es waren die Tage nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl vor 35 Jahren.

Es waren Tage, die ich nie vergessen werde. Es war eine Zeit, in der es so schien, als ob nichts mehr so war wie vorher. Ich war damals sieben Jahre alt; aber, auch mit sieben Jahren hat man sofort verstanden: Da ist etwas passiert, was nie hätte passieren dürfen.“

– Ludwig Hartmann

 

 

Noch heute reichen die Folgen des Unglücks noch weit in die Zukunft. Mit mit dem Regen drangen damals radioaktive Stoffe in den Boden. Die meisten sind längst kein Problem mehr, nur Caesium 137 hält sich hartnäckig. Der Stoff hat eine Halbwertzeit von 30 Jahren, gut die Hälfte davon ist also erst zerfallen. Viele Wildschweine sind deshalb immer noch verstrahlt – selbst 35 Jahre nach dem Super-GAU von Tschernobyl. In einem guten Jahr sind nach Schätzungen des Experten etwa 10 bis 15 Prozent der erlegten Wildschweine aus den betroffenen Gegenden so verstrahlt, dass sie entsorgt werden müssen. Es können regional aber auch bis zu 60, 70 Prozent sein. Es wird wohl noch 70 bis 80 Jahre dauern, bis sich die
 Belastung bei den Wildschweinen zumindest halbiert.