Demokratie stärken – Gewalt vorbeugen – Bürgerrechte schützen!
Unser Dringlichkeitsantrag vom 29.01.2015
Der Landtag wolle beschließen:
Der Anschlag auf die Redaktion des Satiremagazins „Charlie Hebdo“, die Morde an Polizisten und der gezielte Angriff auf die Kunden und Beschäftigten eines jüdischen Supermarkts sind barbarische Akte des Terrorismus. Unser Mitgefühl gilt den Angehörigen der Opfer, den Verletzten, ihren Familien und Freunden. Die brutalen Terrorakte von Paris sind gezielte Anschläge auf unsere freien und demokratischen Gesellschaften.
Der Landtag stellt sich klar gegen die Ideologie und die Gräueltaten terroristischer Organisationen. Gleichzeitig sind wir tief bewegt von den großen Demonstrationen in Frankreich und anderen europäischen Ländern. Viele Millionen Menschen gehen auf die Straße, um die Opfer der Anschläge zu ehren und für Freiheit und gegen den Hass einzutreten. Das ist ein großes und ermutigendes Signal. Unsere Reaktion muss gerade jetzt ein Bekenntnis zum Dialog, zu Demokratie, Freiheit und Solidarität sein. Angriffen auf die Demokratie dürfen wir grundsätzlich nicht mit der Einschränkung demokratischer Grund- und Freiheitsrechte begegnen. Die Anschläge von Paris dürfen daher nicht zu sicherheitspolitischer Instrumentalisierung führen, sie eignen sich nicht für reflexhafte Forderungen nach Strafverschärfungen und der Wiedereinführung der anlasslosen Überwachung der Bevölkerung durch Vorratsdatenspeicherung.
Um dem Sicherheitsbedürfnis in der Bevölkerung Rechnung zu tragen, fordert der Landtag die Staatsregierung vielmehr auf, sich mit den gesellschaftlichen Faktoren der gewaltbereiten, islamistischen Radikalisierung junger Menschen in Bayern auseinanderzusetzen, entsprechenden Tendenzen insbesondere durch präventive und deradikalisierende Maßnahmen entgegenzuwirken und die Arbeit der Sicherheitsbehörden in geeigneter Weise zu unterstützen.
Dazu bedarf es,
– der Erarbeitung eines bayerischen Präventions- und Deradikalisierungsprogramms speziell für den Bereich des gewaltbereiten Islamismus – gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft,
– einer stärkeren finanziellen Unterstützung für schulische und außerschulische Programme zur Demokratieförderung,
– der finanziellen Unterstützung des professionellen Aufbaus von zivilgesellschaftlichen Aussteigerinitiativen,
– der Verstärkung der Sicherheitsbehörden mit Islamismusexpertinnen bzw. -experten, IT-Spezialis- tinnen bzw. -Spezialisten und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Bereich der Radikalisierungsprävention,
– verstärkter Ausreisekontrollen, Ausreiseuntersagungen und Meldeauflagen, um gewaltbereite Personen von einer Ausreise in Richtung des syrisch-irakischen Kampfgebiets oder in Terrorausbildungs-Camps abzuhalten,
– der Verbesserung und Intensivierung der Zusammenarbeit von Justiz- und Polizeibehörden in Europa sowie der Verbesserung der Bund-Länder-Koordination in Deutschland.
Begründung:
Der Anschlag auf die Redaktion des Satiremagazins „Charlie Hebdo“, die Morde an Polizisten und der gezielte Angriff auf die Kunden und Beschäftigten eines jüdischen Supermarkts sind barbarische Akte des Terrorismus. Unser Mitgefühl gilt den Angehörigen der Opfer, den Verletzten, ihren Familien und Freunden. Die brutalen Terrorakte von Paris sind gezielte Anschläge auf unsere freien und demokratischen Gesellschaften. Terrororganisationen wie al-Qaida und der IS erreichen über ihre professionelle Internetpropaganda sehr viele Menschen, vor allem junge Männer, die in unserem Wertesystem aufgewachsen sind und die dennoch aus Deutschland nach Syrien und in den Nordirak reisen, um sich dort den Kampfhandlungen anzuschließen. Der Radikalisierung dieser Menschen können wir nicht durch die Abschiebepraxis der Staatsregierung entgegentreten. Es müssen endlich wirksame Maßnahmen ergriffen werden, um vor allem junge Menschen zu erreichen, die dabei sind sich zu radikalisieren. Andere Bundesländer haben diese Notwendigkeit längst erkannt, so existiert in Nordrhein-Westfalen beispielsweise die Initiative „Wegweiser – Präventionsprogramm gegen gewaltbereiten Salafismus“.
Die Staatsregierung ist hier untätig geblieben: In Bayern gibt es kein Beratungs- und Betreuungsangebot für Betroffene und ihr soziales Umfeld. Wir brauchen jetzt ein bayerisches Präventionsprogramm, das eng mit Netzwerkpartnern zusammenarbeitet und im Austausch mit Moscheegemeinden und muslimischen Verbänden steht.
Mit einer klaren Haltung gegen Antisemitismus und Islamophobie sowie einer konsequenten Antidiskriminierungspolitik müssen gewaltbereiten Radikalisierungstendenzen jeglicher Ausrichtung der Boden entzogen werden.
Die Abwehr konkreter terroristischer Gefahren ist Aufgabe der Sicherheitsbehörden – im Rahmen der bestehenden rechtsstaatlichen Grenzen. Aufgabe der Politik ist es, mit den Mitteln des Rechtsstaates für das größtmögliche Maß an Sicherheit zu sorgen, Grundrechte zu schützen und Bedrohungen effektiv abzuwehren, ohne dabei die Freiheit so weit einzuschränken, dass sie kaum noch erkennbar ist. Deshalb fordern wir statt der Einschränkung von Bürgerrechten eine bessere Ausstattung von Polizei und Sicherheitsbehörden (u.a. mit Islamismusexpertinnen bzw. -experten und IT-Spezialistinnen bzw. -Spezialisten) und die konsequente Anwendung bestehender Möglichkeiten, um gewaltbereite Personen an der Ausreise zu hindern. „Terrorexporte“ aus Bayern darf es nicht geben.
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Aktuelle Informationen zum Beratungsverlauf unseres Antrags im Bayerischen Landtag.
Wie Sie den Unterlagen unter dem oben stehenden Link entnehmen können, wurde unser Antrag in der Plenarsitzung am 29.01.2015 leider durch die Stimmen der CSU und einer Stimme aus der SPD-Fraktion, bei Enthaltung eines Mitglieds der Fraktion der Freien Wähler, abgelehnt.