9. Dezember 2020

Betriebsferien über die Feiertage als wirksame Maßnahme zur Pandemieeindämmung

Hier meine Erwiderung auf die aktuelle Regierungserklärung von Ministerpräsident Markus Söder:

 

Sehr geehrtes Präsidium, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
Und schon wieder stehen wir an einem Punkt, den wir alle verhindern wollten. Nach dem sogenannten „Wellenbrecher Lockdown“ der letzten Wochen steht jetzt schon wieder eine Verlängerung und ein Nachschärfen der Maßnahmen an. Durch die Bereitschaft der vielen Menschen, die sich seit Wochen an die geltenden Kontaktbeschränkungen gehalten haben, haben wir es gemeinsam geschafft, das schnelle Wachstum des Infektionsgeschehens zu bremsen. Es stagniert. Aber leider auf zu hohem Niveau. Das müssen wir uns alle eingestehen.

Bayern ist und bleibt auf der Corona-Infektionskarte weiterhin ein tiefrotes Bundesland. Und die Nähe zu Österreich, Herr Ministerpräsident, ist hier nicht der Grund. Tiefrote Gebiete haben wir auch in den Landkreisen Main-Spessart, Günzburg, Nürnberg Land und etlichen mehr. Die sind weit weg von der Grenze zu Österreich. Es ist bitter, aber wahr, was wir bisher getan haben, hat nicht gereicht. Wir hängen weiterhin in der Corona-Falle fest. Das zermürbt, das laugt aus, das ist anstrengend für uns alle. Deshalb habe ich Verständnis dafür, wenn die Menschen in unserem Land sich über die erneute Verlängerung der Maßnahmen ärgern. Ich verstehe den Frust, die Enttäuschung und die Hoffnungslosigkeit, die viele Menschen hier spüren. Zum Beispiel die Kultur- und Kreativschaffenden, die sich seit fast 9 Monaten in einem Dauer-Lockdown befinden.

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
Sie haben 10 Punkte aufgezählt, mit denen Sie glauben, die Zahlen jetzt nach unten zu bekommen. Ein Sammelsurium von Maßnahmen findet sich da. Teils richtige und nötige, teils längs überfällige, und teils unnötige Maßnahmen. Und dann noch solche, die hart klingen sollen und dabei gar nix bringen und nur unnötig einschränken. Wie die nächtliche Ausgangssperre in den Hotspots. Wie vielen Menschen läuft man denn da jetzt im Winter und in der Kälte noch über den Weg?

Ihre zehn Maßnahmen zeigen deutlich:
Es ist immer noch keine Strategie zu erkennen. Die Staatsregierung kämpft sich weiter hektisch durch diese gewaltige Corona-Herausforderung in unserem Land. Es fehlt auch nach neun Monaten Pandemie eine konsequente und zielgerichtete Strategie um das Infektionsgeschehen beherrschbar zu halten. Ihr 10-Punkte-Plan – Herr Ministerpräsident Söder – ist aus der Not, nicht aus einer Strategie geboren. Das ist ein gewaltiges Problem.

Damit sie mich nicht falsch verstehen, dass wir jetzt handeln müssen, und nicht einfach so weiter machen können ist unstrittig. Der Winter hat gerade erst angefangen. Bis zum Frühjahr, bis uns das wärmere Wetter hilft das Infektionsgeschehen zu bremsen, haben wir noch paar Monate vor uns. Und darauf können wir nicht warten, dafür sind die aktuellen Zahlen viel zu hoch. Also muss das Gebot der Stunde sein: Kontakte weiter zu reduzieren. Da haben sie unsere Unterstützung!

Herr Ministerpräsident,
ich muss Ihnen leider recht geben, zum jetzigen Zeitpunkt, kann man kaum anders handeln. Das ist echt bitter. Durch Ihre Versäumnisse der letzten Monate – und damit meine ich auch alle Ihre Ministerinnen und Minister -, können wir bis heute keine zielgerichtete, bessere und fairere Pandemiebekämpfung umsetzen. Weil uns weiterhin das nötige Wissen über das Infektionsgeschehen fehlt.

Wir machen hier im Hohen Haus seit Monaten konkrete Vorschläge, wie wir zielgerichteter die Corona Pandemie meistern können. Aber Sie bevorzugen die Rasenmäher-Methode. Die Methode der härteren Rhetorik. Und wundern sich dann, dass die Akzeptanz für die Maßnahmen schwindet.
Sie haben früh vor der zweiten Welle gewarnt. Aber daran zu arbeiten, wie wir die zweite Welle managen, das haben sie leider komplett verschlafen. Ich werde das Gefühl nicht los, Ihnen, Herr Söder, war es im Sommer wichtiger in allen Zeitungen als erster die Überschrift zu haben „Söder warnt vor der zweiten Welle“ als unser Land konsequent auf die 2. Welle vorzubereiten. Das wäre Ihre Aufgabe und die Aufgabe Ihrer Ministerinnen und Minister gewesen! Konsequent ist aber nur die Inszenierung ihrer Person! Die Politik ihrer Regierung leider nicht. Das ist enttäuschend.

Ihre Unruhe hier im Plenum macht es nicht besser. Sie werden nur laut, wenn es um die Kritik unserer Vorschläge geht, ansonsten hört man von Ihnen nur demütiges Schweigen, wenn der Ministerpräsident ihnen sagt, was Sie jetzt tun sollen. Herr Kreuzer hat nachher wie immer die Gelegenheit, sich an uns abzuarbeiten. Ich kann Ihnen aber jetzt schon mal sagen, sie arbeiten sich an den Falschen ab. Sie wissen genau so gut wie ich, dass wir als Grüne Landtagsfraktion seit Monaten intensiv Vorschläge einbringen, um diese gewaltige Herausforderung gemeinsam zu meistern. Das Ergebnis zählt, nicht die Überschrift.

Für mich gilt hier:
Erst die Menschen, dann das Land, dann die Presse, Herr Ministerpräsident. Ich bin auch keiner, der gleich kritisiert, wenn am Anfang was nicht richtig läuft. Es ist für alle eine herausfordernde Zeit und Fehler passieren. Ich bin es aber langsam leid, Maßnahmen mitzutragen, die aus der Not und nicht aus einer Strategie geboren werden.

Lassen sie mich an vier Beispielen deutlich machen, was ich meine:

1. Die Gesundheitsämter
Zweifellos sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seit Wochen am Limit der Belastbarkeit. Auf der anderen Seite ist es seit den allerersten Coronafällen in Bayern zweifelslos entscheidend, die Infektionsketten zu kennen. Aber wir kennen sie nicht! Warum?

Weil viel zu wenig Personal über Monate versucht hat, diese Infektionsketten mit Hilfe von Stiften, Papier und Faxgeräten nachzuverfolgen. Weil Sie es verschlafen haben, die längst verfügbare Software in den Gesundheitsämtern flächendeckend einzusetzen und damit die Pandemiebekämpfung auf einen zeitgemäßen Stand zu bringen. Jetzt – nach 9 Monaten Pandemie – kündigen Sie an, die Ämter endlich mit der nötigen Software auszustatten. Verdammt spät!

2. Zu den Schulen
Dass es in Bayern immer noch keinen durchgängigen Wechselunterricht ab der 8. Klasse gibt, liegt nicht daran, dass dies nicht sinnvoll wäre, um Kontakte zu reduzieren. Es liegt daran, dass Ihr Kultusminister es Monate lang verschlafen hat, die Voraussetzungen hierfür zu schaffen. Die Voraussetzungen für einen Wechselunterricht, der kein Kind zurücklässt.

3. Die Senioren- und Pflegeheime
Die vielen tödlichen Corona-Ausbrüche in Senioren- und Pflegeheimen sind mit darauf zurückzuführen, dass Ihre Regierung es ewig verschlafen hat, hier schützende Maßnahmen sowohl für die Bewohner*innen als auch für das Personal zu ergreifen – und da ging es um so simple Maßnahmen wir die Anschaffung von FFP2-Masken. Es war nicht so, dass Sie nicht gewusst hätten, was hier zu tun ist. SPD, FDP und wir Grüne sagen es Ihnen seit Monaten. Gut, dass sich jetzt – nach 9 Monaten Pandemie – zumindest etwas tut. Gut dass jetzt endlich engmaschige Testreihen für Beschäftigte kommen sollen.

4. Die Teststrategie
Wir testen viel in Bayern, wohl mehr als in jedem anderen Bundesland. Aber das Entscheidende wird nicht gemacht. Wir sammeln aus den unzähligen Tests so gut wie keine Erkenntnisse, kein Wissen, um das Infektionsgeschehen besser zu verstehen und zu erforschen. So kann Ihr Gesundheitsministerium zum Beispiel bis heute nicht sagen, wie viel Erzieherinnen getestet wurden, und wie hoch die Positiv-Quote ist. Aber genau darauf kommt es an, um endlich eine Cluster-Strategie entwickeln zu können und konkrete und zielgerichtete Maßnahmen ergreifen können.
Arbeiten Sie endlich mit Medizin-Statistiker*innen zusammen und schaffen Sie die Datengrundlage für zielgerichtete Maßnahmen. Die Rasenmäher-Methode, die wir jetzt wieder anwenden müssen, die wäre nicht nötig gewesen, wenn Sie in diesem Bereich in den letzten neun Monaten eine vorausschauende Politik gemacht hätten.

Sie, Herr Ministerpräsident, bezeichnen den Lockdown light ja gerne als „Halbschlaf“ unserer Gesellschaft, den man nicht ewig weiterführen könne. Da gebe ich Ihnen recht. Aber aus einer anderen Perspektive. Im Halbschlaf, teils sogar im Tiefschlaf, befanden sich Ihre Ministerien, als es im Sommer darum ging, das Leben mit dem Virus zu organisieren und das Land auf die zweite Infektionswelle vorzubereiten. Die Liste der Versäumnisse Ihrer Regierung ist lang, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich wiederhole mich, aber ich fordere Sie nochmals auf, diese Versäumnisse anzugehen. Damit wir diese Pandemie endlich zielgerichtet bekämpfen können.

Ich fordere Sie auf
• im Interesse der Menschen in Bayern,
• im Interesse der Menschen, die sich um die Gesundheit ihrer Angehörigen fürchten,
• im Interesse der Menschen, die ihre Existenz gefährdet sehen
• und im Interesse der Eltern, die sich um das Wohlergehen ihrer Kinder sorgen!

– Anrede –
Was können wir jetzt tun, um die Zahlen nach unten zu bekommen und uns Luft zu verschaffen, um die nötige Datenlage für zielgerichtete Maßnahmen erheben zu können? Wir müssen ehrlich zu uns selbst sein: Die jetzt von Ihnen neu vorgelegten Maßnahmen werden uns allein nicht den nötigen Rückgang der Infektionszahlen bringen. Doch den brauchen wir dringend, um unser Gesundheitssystem im leistungsfähigen Korridor zu halten. Deshalb brauchen wir jetzt eine Maßnahme, die wirksam, verhältnismäßig und fair ist.

Für uns Grüne ist unstrittig: Bei den Vorgaben für private Kontakte geht nichts mehr. Denn auch Vereinsamung macht krank! Wir brauchen jetzt eine gesamtgesellschaftliche Kraftanstrengung – kurz und mit starker Wirkung. Das fehlt uns bei den vorgelegten Maßnahmen der Söder-Regierung.
Unser Vorschlag lautet: Betriebsferien über die Feiertage.

 

Die vielen Feiertage zum Jahreswechsel sind ein Geschenk des Kalenders, das wir nutzen sollten. Ein Momentum, was sich zwischen dem 24.Dezember und dem 6. Januar anbietet. Kindergärten und Schulen sind eh zu. Kultur, Gaststätten, Freizeitangebote – alles ist bereits durch die derzeitigen Maßnahmen geschlossen. Was bleibt, sind die hunderttausenden Arbeitsplatzkontakte. Und diese Kontakte können wir mit ein paar wenigen zusätzlichen Tagen an Betriebsurlaub auf ein Minimum herunterfahren. Dank den vielen Feiertagen in diesem Zeitfenster. Wenn es uns gelingt, diese Hunderttausende von Kontakten in dieser Zeit zu reduzieren, dann kommen wir auf mehr als einen ganzen Quarantäne-Zeitraum. Und können so endlich entscheidend die Infektionsketten durchbrechen. Ich weiß, das ist nicht leicht, aber ich bin davon überzeugt, dass dieses Zeitfenster, das uns der Jahreswechsel bietet, das Beste ist, was wir in den nächsten Wochen haben werden. Diese Chance gilt es zu ergreifen. Gemeinsam mit den Arbeitnehmer*innen, Unternehmen, Gewerbetreibenden und Einzelhändler*innen.

Lasst uns alle nicht vergessen: Wir haben in den letzten Monaten, viel Steuergeld in die Hand genommen, um Unternehmen in den schweren Monaten unter die Arme zu greifen. Soforthilfen, Überbrückungshilfen, Ausweitung der Kurzarbeiterregelung und vieles mehr. Das war und ist richtig und nötig. Aber es ist auch ein gewaltiger finanzieller Kraftakt der gesamten Gesellschaft. Jetzt brauchen wir das Entgegenkommen der Arbeitnehmer*innen, Unternehmen und Einzelhändler*innen in unserem Land. Wir sind jetzt auf Ihren Beitrag angewiesen, um die Corona-Pandemie wirkungsvoll eindämmen zu können! Ich appelliere hier an kleine und große Betriebe im produzierenden Gewerbe und im Einzelhandel. Überall da, wo Homeoffice nicht geht, müssen Betriebsferien die Antwort sein – in unserem gemeinsamen Interesse.

Im Privaten werden seit Wochen Kontakte massiv eingeschränkt, die Kreativwirtschaft hat faktisch seit März einen kompletten Lock-Down, Pflegekräfte und Ärzt*innen in den Krankenhäusern arbeiten am Limit. Sie tun dies auch, um Betriebe und Einzelhandel offen zu halten, sie tun dies auch, um dem Einzelhandel das Weihnachtsgeschäft zu ermöglichen. In meinen Augen ist die Zeit ab Weihnachten genau die Zeit, wo all die Unternehmen, die in den letzten Monaten geringere Einschränkungen hatten, jetzt ihren Beitrag leisten können. Ich weiß, das, was ich hier vorschlage, verlangt den Betroffenen einiges ab.

 

Ich sehe schon die Juristinnen und Juristen, die mir heute noch Mails schreiben, warum und wieso das alles rechtlich nicht so einfach geht. Es geht hier aber nicht um rechtliche Vorschriften, es geht darum, was gerecht ist. Und gerecht ist in meinen Augen, wenn wir alle unseren Beitrag leisten.

Ich sehe schon die vielen Mails von Gewerbetreibenden, die wohl auch zurecht schreiben: „Ja aber, warum wir? Unser Betrieb hatte noch keinen nachgewiesenen Coronafall!“ Mag sein. Genau diese E-Mails haben uns von Kulturschaffenden bis Gastronomen erreicht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie kennen alle diese Mails aus Ihrem Stimmkreis. Zwischen dem 24.12 und dem 6.1 ist die Frage nicht „die oder der“, sondern hier geht’s um „wir alle zusammen!“ Ich bin überzeugt, um unsere Gesellschaft in dieser schwierigen Zeit zusammenzuhalten, wären Betriebsferien genau die richtige Antwort. Die Antwort, die Sie, liebe Unternehmerinnen und Unternehmer jetzt bieten können. Die Antwort, die verhindert, dass die Pandemie immer mehr zu einer gesellschaftlichen Zerreißprobe wird. Ich zähle auf Sie!