Bayern digital: Frei, gerecht, sicher und nachhaltig
Positionspapier unserer Grünen Landtagsfraktion
Beschlossen auf unserer Winterklausur am 11.01.2018 in Bayreuth
Die Digitalisierung geht uns alle an. Sie durchdringt alle Lebensbereiche: Die Schule, die Arbeit, unsere Kommunikation, unsere Konsumgewohnheiten, die Verfügbarkeit lebenswichtiger Infrastruktur, sie beeinflusst die Ernährung, unsere Fortbewegung und macht selbst vor dem Tod nicht halt, wie die immer wichtiger werdende Frage nach dem Umgang mit dem digitalen Vermächtnis zeigt. Es geht dabei nicht nur um Äußerlichkeiten, sondern um Identität. Neben die Persönlichkeit in der realen Welt tritt ein virtuelles Ich, das mittlerweile viel zu wichtig ist, um es zu ignorieren. Denn was in den sozialen Netzwerken über uns zu finden ist, welche Spuren wir im Datennetz hinterlassen, kann darüber entscheiden, ob wir den begehrten Job bekommen, welche Raten wir für die Versicherung bezahlen oder wie die Partner*innenwahl funktioniert.
Diese Entwicklung fordert unsere politischen, sozialen, kulturellen und rechtlichen Institutionen heraus, die für die analoge Industriegesellschaft geschaffen wurden. Wie muss der demokratische Rechtsstaat konstituiert, die soziale und kulturelle Teilhabe aller Bürgerinnen und Bürger und die Verantwortung für kommende Generationen und andere Regionen der Welt organisiert sein, dass sie auch unter den Bedingungen einer digitalen Welt das Fundament unseres Zusammenlebens sind?
Wir wollen die Chancen der Digitalisierung nutzen und die Risiken minimieren. Unser Ziel ist es, dass die Digitalisierung zu mehr Lebensqualität für alle führt. Dieses Ziel erreichen wir nicht, wenn wir der technologischen und ökonomischen Entwicklung einfach ihren Lauf lassen. Der Markt bringt Angebot und Nachfrage zusammen. Für Selbstbestimmung, Freiheit und gesellschaftlichen Zusammenhalt zu sorgen, ist dagegen eine originär politische Aufgabe. Wir erreichen das Ziel aber auch nicht, wenn wir den neuen Technologien unbesehen das bestehende Regelwerk überstülpen und damit Innovation und Kreativität ersticken. Stattdessen brauchen wir eine breite politische Debatte und klare Entscheidungen über die richtigen Regeln für die digitale Gesellschaft. Technologische Innovationen können sich schnell durchsetzen. Neue Regeln bedürfen dagegen der demokratischen Willensbildung und benötigen Zeit, um alle einzubeziehen und Kompromisse zu finden. Das ist manchmal langwierig und mühsam, aber im demokratischen Rechtsstaat der einzige legitime Weg. Für uns Grüne ist klar: Es gilt der Primat der Politik. Wir wollen, dass die nötige Debatte in der Gesellschaft und die Entscheidungen in den politischen Gremien auf der Grundlage von Aufklärung und Information, nicht auf der Basis von Angst erfolgen. Daraus ergibt sich ein Handlungsauftrag an Staat und Gesellschaft.
Infrastruktur ist Daseinsvorsorge: Glasfaser für alle, fairen Wettbewerb sicherstellen
Flächendeckender Zugang zu schnellem Internet und leistungsfähigen Mobilfunknetzen ist Grundvoraussetzung sowohl für die Wettbewerbsfähigkeit unseres Wirtschaftsstandortes als auch für die digitale Teilhabe aller Bürgerinnen und Bürger.
In großen Teilen des Landes gibt es keinen Zugang zum schnellen Datennetz. Viel zu lange haben Bundesregierung und CSU-Regierung in Bayern darauf gesetzt, das vorhandene Kupfernetz auszubauen. Die damit erzielbaren Übertragungsgeschwindigkeiten sind bereits heute kaum wettbewerbsfähig. Wenn die Anforderungen in den kommenden Jahren weiter steigen, wächst damit auch der technologische Rückstand auf den internationalen Stand der Technik. Während in weiten Teilen Europas und Asiens Gigabit-Internet Standard ist, dümpelt das Bayerische Förderprogramm bei geförderten 50 Mbit vor sich hin. Wir Grüne fordern stattdessen den flächendeckenden Ausbau des Glasfasernetzes in jedes Gebäude. Nur so bleibt unsere Infrastruktur auch morgen noch konkurrenzfähig.
Gleichzeitig brauchen wir einen schnellen Ausbau von LTE auch in ländlichen Gebieten, in denen das mobile Internet bisher eher spärlich gesät ist. Alle Regionen in Bayern müssen vom Ausbau der Netze profitieren.
Gebührenfreien Zugang zum Internet möchten wir wo immer möglich anbieten, z.B. durch Bereitstellung von freiem WLAN in öffentlichen Einrichtungen und auf öffentlichen Plätzen und im öffentlichen Personennah- und Fernverkehr. Dabei werden wir nicht nur auf staatliche Investitionen setzen, sondern auch bürgerschaftliche Initiativen wie z.B. Freifunkvereine fördern und steuerlich entlasten, beispielsweise durch Anerkennung ihrer Gemeinnützigkeit.
Wir müssen unsere Wettbewerbsfähigkeit stärken und neue Regeln für fairen Wettbewerb etablieren. Für alle Anbieter*innen und Nutzer*innen digitaler Angebote wollen wir einen diskriminierungsfreien Zugang sicherstellen. Geschäftsmodelle, die bestimmten Anbieter*innen eine bevorzugte Behandlung beim Datentransport anbieten, lehnen wir ab. Die Netzneutralität ist unverzichtbarer Bestandteil einer wirksamen Wettbewerbspolitik. Wie auf den traditionellen Güter- und Dienstleistungsmärkten verhindern Monopole und Kartelle den freien Wettbewerb. Sie sind innovationsfeindlich und benachteiligen die Verbraucher*innen. Mit nationalem Recht alleine wird es jedoch nicht gelingen, für fairen Wettbewerb in der digitalen Ökonomie zu sorgen. Wirksame Wettbewerbspolitik muss deshalb bei der Europäischen Union angesiedelt sein. Auch die Entflechtung von monopolartigen Konzernen darf dabei kein Tabu sein.
Für informationelle Selbstbestimmung und freie und sichere Datennetze
Selbstbestimmung, Sicherheit und Vertrauen sind das Fundament für eine zivilisierte digitale Gesellschaft. Wenn über das digitale Ich und die eigene Identität in der digitalen Welt nicht mehr frei bestimmt werden kann, scheitert die Digitalisierung als Treiber gesellschaftlichen Fortschritts.
Das betrifft vor allem den Kernbereich der digitalen Gesellschaft: Die Erhebung, Verknüpfung und Verwendung von Daten. Wie Erdöl für die fossile Wirtschaft sind Daten für die digitale Ökonomie der Grundstoff des Wirtschaftens. Das Prinzip lautet dabei meist: „Zugang im Austausch für persönliche Daten“. Egal ob Informationen, soziale Kontakte oder Erwerb von Gütern und Dienstleistungen über das Netz und seine Plattformen: Wir zahlen mit Daten über uns, unsere Vorlieben, Meinungen, Wünsche und Einstellungen. Oft genug merken wir gar nicht, dass Daten erhoben oder übertragen werden. Wir wissen nicht, welche Algorithmen verwendet werden, um sie zu verknüpfen. Problematisch wird es dann, wenn für den Ratenkredit ein höherer Zinssatz fällig wird, weil in unserer Nachbarschaft weniger zahlungskräftige Menschen wohnen oder Versicherungen mit vermeintlich günstigeren Tarifen locken, wenn dafür über Apps oder Fitnessarmbänder hochsensible Biodaten übertragen werden. Das Internet der Dinge – oft mit Geräten ohne hinreichende Datenschutzerklärung – und moderne Smartphones mit einer Vielzahl an Sensoren stellen den Datenschutz vor ganz neue Herausforderungen, denn selbst für Expert*innen ist kaum mehr nachvollziehbar wie die Datenströme verlaufen. Der Grundsatz der informierten Einwilligung bei der Verwendung persönlicher Daten wird täglich millionenfach unterlaufen.
Die Datensouveränität, also das Recht und die Möglichkeit, über die eigenen Daten und deren Verwendung zu bestimmen, sollte deshalb gleichwertig neben die Unverletzlichkeit der Wohnung, das Brief- und Fernmeldegeheimnis treten. Die 2018 in Kraft tretende europäische Datenschutzgrundverordnung ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg hin zu freiem und sicheren Datenverkehr und zum Schutz der privaten Daten. Nun hängt es an Bund und Ländern, den fortschrittlichen Geist der EU-Datenschutzgrundverordnung auch tatsächlich umzusetzen, anstatt durch Untätigkeit zu blockieren. Dazu brauchen wir in Bayern eine schlagkräftige Datenschutzbehörde, die Datenschutz im privaten und im staatlichen Bereich bündelt und deutlich aufgestockt wird, um ihre Prüf-, Aufsichts- und Beratungspflicht tatsächlich wahrnehmen zu können.
Jeder und jede sollte selbst über seine Daten bestimmen können. Das umfasst auch die Datensicherheit, also den Schutz vor Datenklau, Cyberkriminalität oder auch die Sicherheit persönlicher Daten, die über das Cloud-Computing von Dritten verwaltet werden. Cybercrime sagen wir den Kampf an. Immer neue Hacking-Angriffe auf Kraftwerke, Unternehmen, Parlamente und private Nutzer*innen zeigen: Die Sicherheit im Digitalen geht uns alle an. Auch für ein freies und sicheres Netz steht der Staat in einer Schutzverantwortung. Hier dürfen Unternehmen und Verbraucher*innen nicht alleine gelassen werden. Die IT-Sicherheit muss verstärkt werden, insbesondere zum Schutz kritischer Infrastruktur. Nötig ist eine Meldepflicht bei Angriffen auf kritische Versorgungsleistungen, wie etwa im Gesundheitsbereich oder auf staatliche und politische Institutionen. Die Bekämpfung der Internet- und Computerkriminalität werden wir intensivieren und mehr Expert*innen aus der freien Wirtschaft einstellen und sie falls nötig verstärkt außertariflich bezahlen.
Sicherheitsbehörden sammeln Informationen, die in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit der Gefahrenabwehr oder Verbrechensbekämpfung stehen. Als erstes Landesamt für Verfassungsschutz überhaupt darf der Bayerische Verfassungsschutz auf die Daten aus der Vorratsdatenspeicherung zurückgreifen. Die Vorratsdatenspeicherung ist ein anlassloses Sammeln von Daten aller Bürger*innen und damit ein unverhältnismäßiger, massiver Eingriff in die Grundrechte. Der Verfassungsschutz darf auch Online-Durchsuchungen durchführen, d.h. Computer heimlich ausspähen, was in dieser Form höchst bedenklich ist. Wir wollen einen zielgerichtete Gefahrenabwehr durch unsere Sicherheitsbehörden und keine anlasslose Massenüberwachung.
Hass und Desinformation im Netz wirksam entgegentreten
Hass, Hetze und Falschmeldungen, die sich online verbreiten, sind ein wachsendes Problem für das gesellschaftliche Klima. Dort, wo Hasspostings strafrechtlich relevant sind, sind sowohl die Strafverfolgungsbehörden als auch die Anbieter*innen der sozialen Netzwerke in der Pflicht. Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichte müssen technisch und personell so ausgestattet sein, dass Volksverhetzung oder Mordaufrufe geahndet werden. Die Betreiber*innen der Plattformen sind in der Pflicht, offensichtlich strafrechtswidrige Inhalte umgehend zu löschen. Der respektvolle Umgang miteinander muss Teil der Alltagskultur im Netz sein. Darauf hinzuwirken, ist in unserem Verständnis auch Teil des öffentlichen Bildungsauftrags – schulisch und außerschulisch. Social Bots können zur Generierung und Aufbereitung von Informationen durchaus hilfreich sein. Problematisch wird es dann, wenn als Fakeaccounts getarnte Bots zum Instrument der Meinungs- und Stimmungsmache werden. Deshalb müssen Social Bots gekennzeichnet werden.
Wir wollen eine personell gut ausgestattete Polizei und Justiz, denn das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Zur besseren Ausstattung gehören die einschlägige Weiterbildung der Beschäftigten in Polizei und Justiz sowie eine virtuelle Polizeiwache, bei der auch online Strafanzeigen gestellt werden können. Zusammen mit der konsequenten Anwendung des geltenden Rechts wäre dies ein wichtiger Schritt, um Hate-Speech im Netz wirksam entgegen zu treten.
Lebenslanges Lernen als Schlüssel zu digitaler Souveränität begreifen
Digitalisierung schafft Chancen. Alle sollen die Möglichkeit haben, sie zu nutzen. Unser Leitbild dafür sind nicht die konsumfreudigen User, sondern die digitalen Bürger*innen. Zugangshürden, egal welcher Art, müssen deshalb so niedrig wie möglich sein. Wir wollen die Teilhabe an der digitalen Gesellschaft auch denen ermöglichen, deren Voraussetzungen nicht so gut sind, wie Kindern aus bildungsfernen Elternhäusern oder Menschen mit Einschränkungen. Zugang zum Internet zu haben und dieses zu nutzen, heißt noch lange nicht damit auch selbstbestimmt umgehen zu können. Der Umgang mit digitalen Medien ist eine Kulturtechnik, die erlernt werden muss wie Lesen, Schreiben oder Rechnen. Lebenslange (Weiter-)bildung von den KiTas über Schulen, Hochschulen bis zur Erwachsenen- und Seniorenbildung ist der Schlüssel dafür.
Damit unsere Schulen und Bildungseinrichtungen Kinder und Jugendliche gut auf die digitale Gesellschaft vorbereiten, brauchen sie erstmal schnelle Datenleitungen und eine zeitgemäße Ausstattung mit Hardware. An jeder Schule muss es IT-Fachleute geben, die dafür sorgen, dass die technische Infrastruktur auch funktioniert. Dass dies wie bislang von einer Lehrkraft nebenbei gemacht wird, ist kein haltbarer Zustand. Aber es geht uns nicht nur um die technische Ausstattung. Vielmehr muss die Vermittlung von digitaler Kompetenz integraler Bestandteil des Unterrichts werden. Wie lerne ich zu unterscheiden, welche Fakten richtig sind und welche falsch? Welche Quellen sind vertrauenswürdig? Wie wehrt man sich gegen Cybermobbing der Mitschüler*innen? Wie bewege ich mich verantwortungsvoll in den sozialen Netzwerken? Welche Rolle spielen Algorithmen und auf welchen Prinzipien bauen sie auf? Das Wissen und die Fähigkeiten, die in der digitalen Welt nötig sind, wollen wir bündeln und ein Fach Digitalkunde an allen bayerischen Schultypen einführen. Neben Informatik, Künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen geht es in diesem neuen Fach vor allem um Medienkompetenz. Dafür muss die Ausbildung der Lehrkräfte dem digitalen Zeitalter angepasst werden. Wir wollen, dass die Chancen, die der Gebrauch neuer digitaler Medien bietet, optimal für die Lehr- und Lernprozesse genutzt werden, gerade auch im Sinne einer besseren individuellen Förderung der Schüler*innen und selbstbestimmten Lernens.
Rechtzeitig die Weichen stellen für Gute Arbeit 4.0
Die langfristigen Folgen der Digitalisierung für den Arbeitsmarkt lassen sich nicht seriös abschätzen. Sicher ist aber: Die Digitalisierung führt bereits jetzt zu einem tiefgreifenden Wandel unserer Arbeitswelt.
Die digitale Arbeitswelt macht eine andere Organisation der Arbeit möglich. Acht Stunden Arbeit am Tag, 40 Stunden Arbeit in der Woche – dieses Arbeitszeitmodell wird künftig weiter an Bedeutung verlieren. Durch die Möglichkeit, zeit- und ortsungebunden arbeiten zu können, bieten sich mehr Möglichkeiten für Familie, Pflege, Ehrenamt oder den eigenen Interessen nachzugehen. Dabei stellt sich aber gleichzeitig die Frage nach den Arbeitsbedingungen. Permanente Verfügbarkeit und fehlende Ruhezeiten sind für einen Teil der Beschäftigten bereits heute ein Problem. Mehr Flexibilisierung darf nicht heißen immer verfügbar zu sein.
Gemeinsam mit Unternehmen, Gewerkschaften, den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern werden wir den Weg zur Guten Arbeit 4.0 ebnen. Negative Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt wollen wir frühzeitig erkennen und durch Förderung den Arbeitnehmer*innen Sicherheit geben, in einer sich rasant wandelnden Arbeitswelt sich auf neue Herausforderungen bestmöglich einstellen zu können. Mit einem Weiterbildungsgesetz, bei dem Arbeitnehmer*innen fünf Tage im Jahr Bildungfreistellung erhalten können, setzen wir die Weichen für die Förderung lebenslangen Lernens. Darüberhinaus braucht es eine „lebensbegleitende Beratung für Beschäftigte“ statt der einmaligen Berufsberatung zum Start ins Berufsleben. Gleichzeitig setzen wir uns dafür ein, dass unter dem Deckmantel der Digitalisierung keine weitere Aushöhlung von Arbeitnehmer*innenrechten und Arbeitsschutzstandards geschieht. Formen vernetzten, mobilen Arbeitens wie freie Mitarbeit, Projektbörsen, Arbeiten und Wettbewerb in der Cloud dürfen nicht zur Entstehung eines digitalen Prekariats führen. Dazu brauchen wir strengere Regelungen zur Eindämmung von Scheinselbständigkeit und prekären Beschäftigungsverhältnissen sowie faire Vergabekriterien bei Werkverträgen und Bieterverfahren der öffentlichen Hand.
In der digitalen Ökonomie ist nicht mehr in erster Linie gefragt, Vorhandenes zu perfektionieren, sondern Neues zu entwickeln. Anstatt Fachwissen wird überfachliche und methodische Kompetenz immer wichtiger. Unsicherheit auszuhalten und Fehler zu akzeptieren gehören auch dazu. Wer Ideen hat und etwas ausprobiert, verdient Ermutigung. Und wer dabei scheitert, keine Häme, sondern Anerkennung für den Mut, es versucht zu haben. Zu einer neuen Gründer*innenkultur gehört es im digitalen Zeitalter eben auch, den Mut zu honorieren, nicht nur den Erfolg. Wirtschaftsförderung muss unter diesen Maßgaben besonders auch für Startups und jene kleinen und mittleren Unternehmen, die die Digitalisierung und innovative Geschäftsmodelle vorantreiben, bereitgestellt werden. Wir legen dabei einen Schwerpunkt der Förderung auf die Nachhaltigkeit und Geschlechtergerechtigkeit. Wir werden bayernweite Plattformen insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen initiieren und den Austausch zwischen Forschung, digitalen Pionier*innen und der Zivilgesellschaft stärken.
Intelligente Vernetzung für eine bessere Mobilität und Ressourceneffizienz
Die Digitalisierung und die intelligente Nutzung von Informationen bieten Chancen für mehr Nachhaltigkeit und ökologischen Fortschritt. Insbesondere bei der Mobilität und bei der Energieversorgung können wir Produkte und Prozesse effizienter machen und so Ressourcen schonen und Schadstoffe vermeiden.
Bei der Neuerfindung der Mobilität hilft die Digitalisierung enorm: Wir wollen den öffentlichen Verkehr attraktiver machen und die verschiedenen Verkehrsträger besser vernetzen, so dass die Grenzen zwischen ÖPNV und motorisiertem Individualverkehr in urbanen Gebieten durch die digitale Verkehrssteuerung verschwinden werden. Bei beiden Zielen bringen uns digitale Technologien voran, weil sie für mehr Kund*innenfreundlichkeit sorgen.
Beim autonomen Fahren setzen wir klare technische, rechtliche und ethische Rahmenbedingungen, insbesondere dem Thema Datenübertragung.
Die Digitalisierung bietet die Chance, die Energiewende hin zu sicheren und sauberen Energien zu beschleunigen. Intelligente Messsysteme und Netze helfen bei der Integration der Erneuerbaren Energien in das Stromnetz. Die dezentrale Erzeugung, Speicherung und Nutzung von Energie kann gesteuert und aufeinander abgestimmt werden. Das erhöht die Effizienz und vermeidet die Verschwendung von Energie. Mithilfe digitaler Technologie können wir die Bereiche Strom, Mobilität und Wärme besser miteinander verknüpfen und den Energieverbrauch optimieren. Auch hier gilt die Datensparsamkeit als Maxime, die Vernetzung der Daten muss genau geregelt werden und transparent sein. Mit den gewonnen Daten muss verantwortungsvoll und im Sinne des Datenschutzes umgegangen und Gefährdungen müssen minimiert werden.
Dies gilt auch für die Herstellung und Nutzung der Informationstechnologie selbst. Wir machen die IT-Branche zur Green IT-Branche, wir werden sie deshalb Schritt für Schritt auf die Basis einer konsequent betriebenen Energie- und Ressourcenwende stellen.
Besseren Service durch Digitale Verwaltung bieten
Die Chancen der Digitalisierung für das Verhältnis der Bürger*innen zu Staat und öffentlicher Verwaltung sind groß und bleiben besonders in Bayern weitgehend ungenutzt. EGovernment-Dienstleistungen wollen wir ausbauen: „digital by default“ sollte die Leitlinie einer bürger*innenfreundlichen Verwaltung in Bayern sein. Technische Lösungen alleine reichen dafür nicht aus, das Bayern-Portal des Freistaats ist bisher eine digitale Brache. Um die digitale Verwaltung zum Erfolg zu führen braucht es einen echten Kulturwandel in der Verwaltung und einen Change-Management-Prozess, der Beschäftigte, Kommunen und Dienstleistungsunternehmen einbindet. Damit eGovernment funktioniert, braucht es bundesweit mehr Normierung und einheitliche Schnittstellen, um Insellösungen abzubauen.
Mit zeitgemäßen Open-Data-Regeln und einem Bekenntnis zum Open Government werden nicht nur Bürokratie abgebaut werden und der Datenbestand der öffentlichen Hand – soweit es sich nicht um persönliche und sensible Daten handelt – für soziale, wissenschaftliche und wirtschaftliche Zwecke genutzt. Mehr Offenheit und gleiche Augenhöhe ermöglichen mehr Mitwirkung der Bürger*innen, ihr Vertrauen in die staatlichen und öffentlichen Institutionen wird gestärkt. So wird ein zeitgemäßes Verhältnis zwischen Staat und Bürger*innen etabliert. Dazu gehört auch, dass die Bürger*innen nachvollziehen können, wer auf ihre Daten zugreift. Wir Grüne haben deshalb einen Entwurf für ein Bayerisches Transparenzgesetz vorgelegt, dass die Rechte der Bürger*innen stärkt und die Daten staatlicher Stellen öffentlich zugänglich macht, sofern es sich nicht um personenbezogene Daten handelt.
Maschinen brauchen Aufsicht
Künstliche Intelligenz (KI) und Robotik dringen in immer mehr Lebensbereiche vor. Algorithmen treffen zunehmend Entscheidungen, die vorher von Menschen getroffen wurden. Bei den Sprachassistenten wie Alexa, Siri und Cortana oder den Internet-Suchmaschinen ist das offensichtlich. In anderen Bereichen wie in der medizinischen Diagnostik, bei Banken und Versicherungen laufen die Algorithmen eher im Hintergrund. In den Personalabteilungen großer Firmen spielt die algorithmische Entscheidungsfindung eine wachsende Rolle. Sie können auch diskriminieren und Schaden anrichten – algorithmische Entscheidungssysteme und KI sind immer nur so objektiv, wie es ihre Programmierung und ihre Lernsysteme erlauben.
Wenn Entscheidungskriterien nicht mehr für uns nachvollziehbar sind, wird das zum Problem. Deshalb wollen wir einen Forschungsschwerpunkt in Bayern auf Grundlagenforschung und Technikfolgenabschätzung im digitalen Bereich setzen – nicht nur, aber besonders im Bereich der KI.
Kompetenzen bündeln, europäisch denken: Konsequenzen für die bayerische Landespolitik
Die Gestaltung der Digitalisierung kostet Geld. Die Prämisse darf aber nicht länger heißen „viel hilft viel“ nach dem berühmten Gießkannenprinzip. Nur mit einer sinnvollen, abgestimmten Strategie, klaren Verantwortlichkeiten und einer starken parlamentarischen Kontrolle werden wir den Primat der Politik bei der Gestaltung der Digitalisierung für die Bürger*innen auch ausüben können.
Die Digitalisierung ist und bleibt dabei eine Querschnittsaufgabe, die alle Ressorts betrifft. Eine Bündelung der Zuständigkeiten ist jedoch unabdingbar, um Doppelstrukturen zu verhindern und sinnvoll Prioritäten und Schwerpunkte setzen zu können. Im Landtag muss ein Ausschuss für Digitalsierung eingerichtet werden, in dem die verschiedenen Aspekte der Digitalisierung und Vernetzung fachübergreifend diskutiert und entscheidende Weichen für den digitalen Wandel gestellt werden. Wir brauchen die Abstimmung aller beteiligten Ressorts im Rahmen eines Digitalisierungskabinetts wie in Schleswig-Holstein unter Federführung eines eigenen Digitalisierungsministeriums, das die strategischen Leitlinien vorgibt, die kommunale Ebenen einbindet und die nationale und internationale Abstimmung vorantreibt.
Denn eines ist klar: Die Digitalisierung als globale Herausforderung können wir nicht allein auf bayerischer Ebene gestalten. Digitale Bürger*innenrechte, Verbraucher*innenschutz und gute und transparente Rahmenbedingungen für unsere Wirtschaft lassen sich nur auf europäischer Ebene sinnvoll durchsetzen. Das häufig geforderte „Level Playing Field“, auf dem sich dies abspielen muss, kann angesichts fehlender übergeordneter weltweiter Strukturen nur die EU mit ihrem digitalen Binnenmarkt sein. Wir dürfen uns also nicht scheuen, Kompetenzen an Europa abzugeben zum Wohle unserer Bürgerinnen und Bürger, und die notwendigen Anpassungen vor Ort nicht weiter verschleppen.
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Hier habe ich Ihnen unser Klausurpapier in der gelayouteten pdf-Version hinerlegt.