9. Juli 2020

Abschlussworte vor Sommerpause im Landtag: Für eine Politik mit Weitsicht

Meine Rede zur Sommerpause: Am 9. Juli 2020 war die letzte Sitzung des Bayerischen Landtags vor der sitzungsfreien Zeit. Ich habe in meinen Abschlussworten klar gemacht: Es braucht Weitsicht, damit der Weg aus der Krise nicht gleich in die nächste Krise führt. Corona war ein Warnschuss für Europa. Politik braucht nicht nur Umsicht, sondern auch die Weitsicht, ein gemeinsames Europa zu denken.

Und Weitsicht braucht es auch bei der Kinderbetreuung: Nicht alle coronabedingten Maßnahmen, die beschlossen wurden, haben die gleichen langfristigen Folgen. Es war es richtig, dass die Oppositionsfraktionen im Bayerischen Landtag gleich nach Ostern, als es die Infektionszahlen zugelassen haben, die zügige Öffnung der Kinderbetreuungs- und Bildungseinrichtungen gefordert haben.

 

Hier meine Rede zum Nachhören und Nachlesen:

 

 

Sehr geehrtes Präsidium, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Lassen Sie mich bei den Schlussworten heute einmal etwas anders anfangen als üblich. Ich weiß, wir haben hier protokollarische Richtlinien, an die wir uns meistens halten. Ich möchte heute ein kleines bisschen abweichen. Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, durch die Corona-Gefahr in unserem Land wurden in vielen Bereichen unserer Wirtschaft Fehler im System offen-gelegt, unter anderem, dass es oft die Berufsgruppen sind, die wir am allerwenigsten wertschätzen, auf deren Arbeit wir täglich angewiesen sind. Das gilt auch für uns hier im Hohen Haus. Dass der Parlamentsbetrieb trotz der Corona-Einschränkungen in den letzten Monaten gut funktioniert hat, verdanken wir vielen helfenden Händen im Hintergrund. Wie an so vielen Orten, so gibt es auch hier im Landtag ein ausgefeiltes Hygienekonzept. Hygienekonzepte – das wissen Sie alle – kann man politisch leicht fordern. Dass sie wirklich funktionieren und umgesetzt werden, das verdanken wir dem Reinigungsdienst hier im Bayerischen Landtag, dem ich an allererster Stelle Danke sagen möchte.

 

„Durch die Corona-Gefahr in unserem Land wurden in vielen Bereichen unserer Wirtschaft Fehler im System offen-gelegt, unter anderem, dass es oft die Berufsgruppen sind, die wir am allerwenigsten wertschätzen, auf deren Arbeit wir täglich angewiesen sind.“

 

Auch Ihre Arbeit trägt dazu bei, dass die Arbeit im Landtag weitergehen konnte. Mein Dank gilt natürlich auch den Offiziantinnen und Offizianten, die hier nach jeder Rede das Rednerpult reinigen.Ein ganz herzliches Dankeschön sage ich auch den Damen und Herren, die es im Hintergrund ganz schnell ermöglicht haben, dass unsere Ausschusssitzungen im Internet übertragen wurden; übrigens eine Errungenschaft für mehr Transparenz in der demokratischen Debatte, die wir, die FDP, die SPD und die Fraktion der GRÜNEN, gerne fortsetzen würden. Unser Dank gilt auch dem Stenografischen Dienst. Ihre Protokolle sind noch wichtiger geworden, weil nicht alle an den Sitzungen teilnehmen können. Ich persönlich muss sagen: Ich bin jedes Mal erstaunt, wie die Kolleginnen und Kollegen vom Stenografischen Dienst bei meinem Redetempo mitkommen.Unser Dank gilt natürlich auch den Journalistinnen und Journalisten, die trotz Kurzarbeit Online-Pressekonferenzen und eine umfangreiche kritische Berichterstattung aus dem Landtag ermöglicht haben. Wir alle wissen das zu schätzen. Die Kurzarbeit hat ihre Arbeit eingeschränkt. Trotzdem hat die Berichterstattung darunter nicht gelitten. Das ist ein tolles Verdienst. Danke dafür. Unser Dank gilt den vielen helfenden Händen und klugen Köpfen, die den Parlaments- und Sitzungsbetrieb reibungslos ermöglicht haben, den Sanitätern, der Polizei, der Druckerei, der Telefonzentrale, der Poststelle, der Hausverwaltung, den Ausschussbüros und all denen, die ich jetzt vergessen habe. Ein ganz herzliches Dankeschön! Eine möchte ich aber nicht vergessen, die Chefin der Pforte, Frau Gimpel. Jeder von Ihnen kennt sie. 13 Jahre lang kam an ihr niemand unerkannt vorbei. Sie geht jetzt im August in ihren wohlverdienten Ruhestand. Liebe Frau Gimpel, ich muss Ihnen ganz offen sagen: Ihre charmante Art, Ihre Freundlichkeit und vor allem Ihre Hilfsbereitschaft sind beispiellos. Hervorragend, was Sie hier geleistet haben. Im Namen des Hohen Hauses ein ganz herzliches Dankeschön dafür!

 

„Umsicht in der Krise ist nötig. Es braucht aber auch die nötige Weitsicht, damit der Weg aus der Krise nicht gleich in die nächste Krise führt.“

 

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, als wir hier im März unsere Arbeitsformen anpassen mussten, war es gut zu wissen, dass alle gewillt waren, schnell eine tragfähige Form zu finden. Hier gilt unser ganz besonderer Dank unserer Präsidentin Ilse Aigner und der Landtagsverwaltung, die uns gut eingebunden haben. Ich glaube, wir haben alle gemeinsam bewiesen: Unsere parlamentarische Demokratie ist jederzeit handlungsfähig. Herr Ministerpräsident, auch Ihnen gilt unser Dank. Sie haben in den ersten Wochen der Unsicherheit im März und April immer wieder das Gespräch gesucht, Anregungen angenommen und die Fraktionen gut informiert. Dass es nicht zu der befürchteten Überforderung unseres Gesundheitssystems gekommen ist, ist das Verdienst unzähliger Menschen in unserem großartigen Land, Menschen, die wie Sie, Herr Ministerpräsident, Umsicht gezeigt haben und zeigen.

 

„Es war richtig, dass die Oppositionsfraktion im Bayerischen Landtag gleich nach Ostern, als es die Infektionszahlen zugelassen haben, hier im Hohen Hause die Debatte darüber angestoßen haben, die Kinderbetreuungs- und Bildungseinrichtungen zügig wieder zu öffnen.“

 

Umsicht in der Krise ist nötig. Es braucht aber auch die nötige Weitsicht, damit der Weg aus der Krise nicht gleich in die nächste Krise führt. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, dies an zwei Punkten ganz kurz deutlich zu machen, nämlich Europa und der Kinderbetreuung. Bei der großen Mehrheit in diesem Hause ist es heute unstrittig, dass es ein schwerer Fehler war, dass im März alle europäischen Länder, auch Deutschland, zunächst nur an sich selbst gedacht haben. Italien, Frank-reich oder Spanien, Länder, in denen wir im letzten Sommer noch unseren Urlaub verbracht haben, haben auf unsere Hilfe gewartet. Leider haben sie viel zu lange warten müssen. Corona war ein Warnschuss für Europa. Politik braucht nicht nur Umsicht, sondern auch die Weitsicht, ein gemeinsames Europa zu denken. Ich hätte mir gewünscht, dass die Corona-Krise die Stunde Europas gewesen wäre. Wie es unter Freunden üblich ist: Wenn einer Hilfe braucht, dann hilft man. Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, was war, können wir nicht ändern, aber wir können daraus für die Zukunft lernen. Das meine ich mit der Weitsicht, die die Politik braucht, erst recht in Krisenzeiten.Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, für Europa hat es uns gefreut, dass Sie den Vorschlag der Opposition schnell aufgegriffen haben, Patienten aus Italien aufzunehmen. Auch dafür gilt unser Dank.Weitsicht braucht es aber auch bei der Kinderbetreuung. Weitsicht braucht es auch bei unseren Kindern; denn die haben noch eine lange Zukunft vor sich. Wir brauchen nicht nur Umsicht beim Gesundheitsschutz, sondern auch die Weitsicht, dass nicht alle coronabedingten Maßnahmen, die beschlossen wurden, die gleichen langfristigen Folgen haben. Ich nenne die Bildungschancen von Kindern: Manche Eltern können ihren Kindern beim Lernen daheim nicht wirklich helfen. Mama und Papa können manchmal die Fragen ihrer wissbegierigen Kinder nicht beantworten. Wir müssen auch über die Folgen der Maßnahmen für die Kinder reden, die unsere Sprache hauptsächlich im Kindergarten oder in der Schule lernen. Deshalb war es richtig, dass die Oppositionsfraktion im Bayerischen Landtag gleich nach Ostern, als es die Infektionszahlen zugelassen haben, hier im Hohen Hause die Debatte darüber angestoßen haben, die Kinderbetreuungs- und Bildungseinrichtungen zügig wieder zu öffnen. Mein Dank gilt an dieser Stelle den Kollegen von der SPD und der FDP. Vielen Dank!

 

„Corona war ein Warnschuss für Europa. Politik braucht nicht nur Umsicht, sondern auch die Weitsicht, ein gemeinsames Europa zu denken. Ich hätte mir gewünscht, dass die Corona-Krise die Stunde Europas gewesen wäre.“

 

Ich möchte noch ganz kurz aufgreifen, was Ilse Aigner angesprochen hat, nämlich das Ringen um die besten Lösungen. Das ist wirklich der Wesenszug unserer Demokratie. Gerade wenn unser Land vor großen Herausforderungen steht, brauchen wir diesen Wettstreit um die besten Ideen. Aber gute Ideen kommen meistens dann, wenn man einmal aus dem Alltag herauskommt, wenn man Zeit hat, über Themen nachzudenken. Deshalb habe ich mir überlegt, was ich Ihnen für die sitzungsfreie Zeit mitgeben möchte; denn eine reine Urlaubszeit wird es ja nicht sein. Gerade erkundet ganz Bayern unser schönes Land mit dem Fahrrad. Um Ihnen Tipps für Radtouren zu geben, gibt es leider zwei Probleme: Erstens. Fahrräder sind in vielen Fahrradläden nur mit langen Lieferzeiten zu haben. Zweitens. Bayern hat zu wenig sichere Fahrradwege für all die vielen Fahrradfahrer. Für das erste Problem kann die Staatsregierung ausnahmsweise gar nichts, für das zweite Problem der fehlenden und sicheren Fahrradwege leider schon. Aber genug der Kritik! In Bayern gibt es zum Glück noch andere Möglichkeiten. Ich bitte Sie um Verständnis: Bei der Größe und der Zahl von sieben Regierungsbezirken geht es nicht ganz so schnell wie gewohnt. Ich möchte Ihnen Wandertipps für die sieben Regierungsbezirke in Bayern mitgeben. Frau Ilse Aigner möchte sicher im Tegernseer Tal etwas Ruhe genießen und nicht alle Touristen an der Alpenkette haben. Deshalb fangen wir mit Oberfranken an. Dort gibt es eine schöne Wanderung. Von Zell im Fichtelgebirge lässt sich der Große Waldstein mit circa 900 Höhenmetern erklimmen. Oben angekommen, kann man beeindruckende Felsformationen und ein Naturwaldreservat bewundern. Übrigens: Die Zerschneidung dichter Wälder, kleiner Bäche und Moore durch die Asphaltschneise in der Region, die sogenannte Fichtelgebirgsautobahn, wurde 2009 auf Druck des Naturschutzes verworfen. Sie können dort Ihren Urlaub in aller Ruhe genießen. Kommen wir zum Regierungsbezirk Unterfranken: Sehr empfehlenswert ist hier eine Wanderung in der Nähe der Steigerwaldgemeinde Ebrach, im Hohen Buchener Wald. Dort lassen sich prächtige jahrhundertealte Buchen bestaunen, bei denen man natürlich darüber nachdenken kann, ob in dieser urwüchsigen Waldregion ein Nationalpark sinnvoll wäre. Vielleicht nehmen Sie vorher Kontakt zu Ihrem CSU-Kollegen Gerhard Eck auf. Er freut sich sicher über Ihre Wanderung in dieser Region. Kommen wir nach Mittelfranken. Der Nürnberger Reichswald ist ein beliebtes Naherholungsgebiet im Großraum Nürnberg. Das kann der Ministerpräsident sicher bestätigen. Diverse Wandermöglichkeiten durchziehen das 25.000 Hektar große Waldgebiet. Dort kann man kürzere oder auch längere Wanderungen machen. Dank dem Bund Naturschutz ist der Reichswald seit 1979 zum größten Teil ein Bannwald und wird Jahr für Jahr erfolgreich gegen neue Bauvorhaben verteidigt. Auch dort können Sie in Ruhe die Natur genießen. Kommen wir in die Oberpfalz. Der Landkreis Tirschenreuth, insbesondere die Stadt Mitterteich, haben in der Corona-Zeit traurige Berühmtheit erlangt. Dabei hat die dortige Landschaft viel zu bieten. Bei ausgedehnten Wanderungen durch die sogenannte Tirschenreuther Teichpfanne können Sie Naturlandschaft mit einer Vielzahl von Teichen und natürlichen Moorgebieten erleben. Über einige Jahrzehnte plante die Bayerische Staatsregierung hier einen riesigen Wasserspeicher. 1981 entschieden Richter am Verwaltungsgerichtshof in Regensburg, dass hier ein äußerst wert-volles Stück Natur und eine unverwechselbare alte Kulturlandschaft erhalten bleiben müssen, und stoppten die Planungen. Schauen Sie sich das dort an, und freuen Sie sich über unsere weitsichtige Justiz in Bayern.Kommen wir nach Schwaben. Eine wunderbare, nicht allzu schwere Bergtour können Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen, im Naturpark Nagelfluhkette im Allgäu zum Riedberger Horn unternehmen. Auf dem höchsten Gipfel der Hörnergruppe können Sie den Blick schweifen lassen. Erinnern Sie sich noch, wie heftig die Debatten um die Skiliftschaukel in der Alpenschutzzone C geführt wurden? Nur durch die gemeinsamen Anstrengungen der Naturschutzverbände und des Deutschen Alpenvereins wurde der Bau verhindert. Meine Empfehlung: Wandern Sie dort, und freuen Sie sich über den Erfolg der Umweltschutzbewegung! Sinnieren Sie ein wenig darüber, bei welchen Anliegen Sie unsere Umweltschutzverbände nach der Sommerpause unterstützen können. Kommen wir zum Donaudurchbruch bei Weltenburg in Niederbayern: die Weltenburger Enge. Sie ist über die Grenzen Bayerns hinweg ein Begriff. Der Felsdurchbruch lässt sich vom nahegelegenen Kelheim aus in rund zwei Stunden erwandern. Heute ist der Donaudurchbruch nationales Naturmonument. Dieses Naturschauspiel gäbe es heute so nicht mehr, wenn sich Planer und Politiker in den 50er-, 60er- und 70er-Jahren durchgesetzt hätten.Meine sehr geehrten Kollegen, ich komme zum letzten Bezirk: Oberbayern. Wandern gehen heißt auch in Oberbayern nicht immer hoch hinaus zu müssen, um eine schöne Wanderung zu machen. Von Ohlstadt aus führt ein toller Rundwanderweg über Wiesen und Wälder durchs Blaue Land. Auf dem Weg muss man auch nicht an einem großen leerstehenden Biathlonstadion vorbei, da sich die Bevölkerung zweimal sehr erfolgreich gegen Olympische Spiele in Bayern ausgesprochen hat.

 

„Erinnern Sie sich noch, wie heftig die Debatten um die Skiliftschaukel in der Alpenschutzzone C geführt wurden? Nur durch die gemeinsamen Anstrengungen der Naturschutzverbände und des Deutschen Alpenvereins wurde der Bau verhindert. Meine Empfehlung: Wandern Sie dort, und freuen Sie sich über den Erfolg der Umweltschutzbewegung! Sinnieren Sie ein wenig darüber, bei welchen Anliegen Sie unsere Umweltschutzverbände nach der Sommerpause unterstützen können.“

 

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir sind uns alle einig: Unser Bayern hat zum Glück viel zu bieten. Genießen Sie in der Sommerpause unsere bayerische Landschaft! Wandern Sie über Wiesen, durch Wälder und Felder! Mein Wunsch ist, dass Sie sich dann bei unseren Debatten im Herbst an die schönen Naturerlebnisse erinnern. Ich wünsche Ihnen in diesem Sinne eine erholsame Sommerpause in unserem schönen Land! Danke.