Volksbegehren Artenvielfalt: Die Bilanz nach einem Jahr
Am 17. Juli 2019 nahm der Bayerische Landtag das Volksbegehren Artenvielfalt „Rettet die Bienen“ an, verabschiedete ein Begleitgesetz und sattelte einen umfangreichen Maßnahmenkatalog drauf. Wie läuft die Umsetzung des Volksbegehrens Artenvielfalt bis jetzt?
In einer Pressekonferenz ziehen Ludwig Hartmann, Fraktionsvorsitzender der Landtags-Grünen, Agnes Becker, Beauftragte des Volksbegehrens und Stellv. Vorsitzende der ÖDP, Dr. Norbert Schäffer, Vorsitzender des LBV, Claus Obermeier, Vorstand der Gregor Louisoder Umweltstiftung und Prof. Dr. Roman Lenz, Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen, eine erste Bilanz.
Grundlage für die Bilanz ist zum Einen ein Monitoring der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen, welches die Umsetzung von Volksbegehren und Begleitgesetz in Bayern beobachtet. Anhand von 32 Indikatoren werden die beschlossenen Maßnahmen auf Wirksamkeit, Überprüfbarkeit und gesellschaftlichem Interesse getestet. Prof. Dr. Roman Lenz von der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen bewertet die ersten Ergebnisse des Monitorings als ersten Schritt, um für die nächsten Jahre die Datengrundlage zu verbessern. Die Entwicklungs- und Testphase zeige, dass es wichtig sei, mit dem Monitoring ein Instrument der Dauerbeobachtung zur Erfolgskontrolle zu haben.
In einigen Bereichen sind die unmittelbaren Auswirkungen des Volksbegehrens bereits ablesbar und auf einem guten Weg, z.B. die Ankündigung, vier größere staatliche Waldgebiete Bayerns als Naturwälder zusätzlich unter Schutz zu stellen. Dadurch werden über 5000 ha nutzungsfreie Schutzgebiete geschaffen, in denen gefährdete Tier- und Pflanzenarten Rückzugsfläche haben. Ein Wermutstropfen ist jedoch, dass der Spessart bisher noch nicht berücksichtigt wurde. Positiv ist ebenfalls zu vermerken, dass Straßenränder später gemäht und von vielen Landwirten Blühflächen angelegt werden.
Auch die Einstellung neuer Wildlebensraumberater und die Bereitstellung von 71,8 Millionen zusätzlichen Finanzmittel für die Naturschutzbehörden können als positive Entwicklung festgehalten werden.
„Ministerpräsident Söder schafft überall dort eine Traumkulisse, wo Menschen und Medien gerade hinschauen. Wo sich die Umsetzung des Volksbegehrens schwieriger gestaltet oder auf Widerstand stößt, drückt sich die Staatsregierung vor der Verantwortung.“ – Ludwig Hartmann
Leider gibt es aber auch noch zu viele Baustellen:
Die Entwicklung beim Ausbau des Ökolandbaus zeigt zwar einen positiven Trend, aber die politischen Maßnahmen der Staatsregierung lassen an der Bereitschaft zur Umsetzung zweifeln. Sichtbar wird das zum einen in der Kürzung der KULAP-Fördergelder für ökologische Landwirte bei der fünfgliedrigen Fruchtfolge: Zukünftig werden nur noch konventionelle Landwirte, die eine gesunde Fruchtfolge einhalten gefördert. Biolandwirte, welche die gleichen Maßnahmen durchführen, erhalten keine Förderung mehr.
Auch die zögerliche Umsetzung der eigenen Einkaufsverantwortung des Staates lässt am Willen der Staatsregierung zweifeln: Das Gesetz sieht z.B. vor, dass mindestens 50 Prozent der in staatlichen Kantinen verwendeten Waren aus biologischer oder regionaler Erzeugung stammen müssen. Faktisch weiß die Staatsregierung aber nicht einmal, wie viel Bio in ihren Kantinen aktuell auf den Tisch kommt. Hier fehlt es letztlich am echten Willen, die Herausforderungen anzupacken und zum Besseren zu lösen.
Die Ankündigung der Staatsregierung, mehr Bestände von Streuobstwiesen unter Schutzcharakter zu stellen, hat sich sogar ins Gegenteil verkehrt: Statt wie bisher 1,60 Meter müssen die Stämme der Bäume nun eine Mindeststammhöhe von 1,80 Meter vorweisen, um einen Biotopschutz zu erhalten. Damit haben wir in Bayern faktisch weniger Streuobstflächen im Biotopschutz als vorher.
„Mit dem willkürlichen Anheben der Mindeststammhöhe für geschützte Streuobstbestände handelte Regierungschef Söder bewusst gegen den Geist des Volksbegehrens. Statt diese Schutzräume der Insektenvielfalt zu bewahren, lieferte er große Teile der wertvollen Baumbestände höchstpersönlich an die Säge.“ – Ludwig Hartmann
Verzögerungstaktik zeigt sich auch bei der Ausweisung von Gewässerrandstreifen für Gewässer der 3. Ordnung: Da manche Gewässer nicht in den Karten eingetragen waren, wurde die Umsetzung daraufhin komplett gestoppt, anstatt regional nach Lösungen zu suchen.
Auch die fehlende Datengrundlage bei anderen Maßnahmen zeigt, dass zwischen der politisch notwenigen Übernahme der Maßnahmen und dem Willen der Staatsregierung, für echten Naturschutz zu sorgen, ein großer Schritt liegt. Um den Pflanzenschutzeinsatz zu halbieren, müsste beispielsweise der Ist-Zustand bekannt sein. Dieser kann jedoch nicht gemessen werden, da die Datengrundlage fehlt.
Ministerpräsident Söder schafft somit überall dort eine Traumkulisse, wo Menschen und Medien gerade hinschauen. Wo sich die Umsetzung des Volksbegehrens schwieriger gestaltet oder auf Widerstand stößt, drückt sich die Staatsregierung vor der Verantwortung.
„Ein Jahr nach dem Inkrafttreten des Artenschutzgesetzes steht somit fest: Die Übernahme durch die Regierung erfolgte aus politischem Kalkül und nicht aus Überzeugung.“ – Ludwig Hartmann
Dennoch kann festgehalten werden, dass der Natur- und Artenschutz in Bayern besser dasteht als vor einem Jahr. Natürlich können nicht alle Natur- und Artenschutzprobleme sofort gelöst werden, wenn aber die teilweise langwierigen Prozesse konsequent umgesetzt und Schwächen, die durch das Monitoring aufgezeigt werden, behoben werden, kann voraussichtlich in 10 Jahren eine Trendwende verzeichnet werden.
Hier geht es zur ausführlichen Präsentation von Prof. Dr. Roman Lenz von der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen:
Indikatoren-Set zur Evaluierung der Gesetzesnovelle zum Volksbegehren „Artenvielfalt & Naturschönheit in Bayern“
Hier geht es zur Pressemitteilung des Trägerkreises:
Pressemitteilung: Volksbegehren Artenvielfalt