Tourismusentwicklung und Arbeitsplätze durch Förderung von Skigebieten
Schriftliche Anfrage des Abgeordneten, Ludwig Hartmann, Bündnis 90/Die Grünen, vom 09.02.2015 mit den Antworten des Staatssekretärs für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie, Franz Josef Pschierer, vom 29.04.2015 (kursiv dargestellt)
Im Artikel “Das große Aufatmen” in der Süddeutschen Zeitung vom 28.01.2015 wird Frau Staatsministerin Aigner im Kontext der vom Freistaat Bayern vergebenen Subventionen zitiert, dass sich die Investitionen bereits auszahlten, was an der Zahl der Gäste ablesbar wäre und dass jeder Arbeitsplatz bei den Bergbahnen etwa vier weitere Arbeitsplätze bei Zuliefer- und anderen touristischen Betrieben sichere. Ziel der staatlichen Förderung sei es zudem, die Skigebiete so zu ertüchtigen, dass sie mit der Konkurrenz aus Österreich mithalten könnten.
In diesem Zusammenhang frage ich die Staatsregierung:
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
die Schriftliche Anfrage beantworte ich im Einvernehmen mit dem Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr, dem Staatsministerium der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat, dem Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz, dem Staatsministerium für Gesundheit und Pflege, dem Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie dem Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration wie folgt:
1. Wie haben sich die Gästeankünfte und Gästeübernachtungen in den aus Bayerischem Regionalförderprogramm, Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“, INTERREG, Bayerischem Seilbahnförderprogramm sowie ggf. weiteren Programmen für Seilbahnen, Beschneiung und sonstige Investitionen in Skigebietsinfrastruktur geförderten Tourismusgemeinden entwickelt?
a) insgesamt seit 2005 im Vergleich zur Gesamtentwicklung in Bayern, aufgeschlüsselt nach Winter- und Sommerhalbjahren?
Geringfügige Abweichungen im Jahr 2005/2006 sind möglich, da erst seit 2006 Gästeankünfte und Übernachtungen auf Campingplätzen in den je- weiligen Gemeinden miteinbezogen wurden.
b) aufgeschlüsselt je Gemeinde und nach Winter- und Sommerhalbjahren seit 2012?
Die Entwicklung seit 2012 ist aus den beigefügten drei Vergleichstabellen ersichtlich (Anlage 1).
2. Für welche Zwecke wurden die in meiner Schriftlichen Anfrage vom 11.11.2014 unter Frage 1 abgefragten Fördermittel jeweils genehmigt? Ich bitte jeweils um Aufteilung nach Lifte, Beschneiungsanlagen und Sonstiges.
3. Inwieweit ist ermittelbar, ob es sich bei den Wintergästen um Alpin-Skitourist*innen handelt?
Laut einer Gästebefragung aus dem Jahr 2011/2012 (Qualitätsmonitor Deutschland-Tourismus) gehen 13 % der Bayernurlauber (mindestens 1 Übernachtung) im Winterhalbjahr (November – April) zum Ski-/bzw. Snowboardfahren, 12 % unternehmen andere Wintersportarten. Bezogen auf die Alpinen Bergregionen in Bayern sind es im gleichen Zeitraum 25 %, die Ski- oder Snowboardfahren und 24 % die andere Wintersportarten betreiben. Außerdem haben laut einer Studie der GfK 8% der Bayernurlauber 2013 aus Deutschland angegeben, dass Wintersport eine Rolle im Urlaub gespielt hat (auf das Gesamtjahr 2013 gesehen).
Eine konkrete und detaillierte Erhebung der Skitouristen in einem geförderten Skigebiet mit einer entsprechenden Entwicklung liegt nicht vor und könnte nur über eine aktuelle vor Ort durchgeführte Gästezählung- bzw. Gästebefragung ermittelt werden.
4. Welche Datengrundlage liegt der Feststellung von Frau Staatsministerin Aigner zugrunde, dass jeder Arbeitsplatz bei den Bergbahnen etwa vier Arbeitsplätze bei Zuliefer- und anderen touristischen Betrieben sichere?
Der Aussage liegt die Grundlagenuntersuchung des Deutschen Wirtschaftswissenschaftlichen Instituts für Fremdenverkehr e.V. (dwif) an der Ludwig-Maximilians-Universität München „Wirtschaftliche Effekte durch Seilbahnen im Winter in Deutschland“ aus dem Jahr 2013 zugrunde. Nach den Berechnungen des dwif schafft bzw. sichert ein Arbeitsplatz bei den Seilbahnunternehmen insgesamt 4,2 Arbeitsplätze.
5. Wie hat sich die Zahl der Beschäftigten im Tourismussektor in den genannten Gebieten seit 2005 entwickelt (insgesamt und aufgeschlüsselt je Gemeinde nach Winter- und Sommerhalbjahren)?
Für die Beschäftigungsstatistik ist die Bundesagentur für Arbeit zuständig, die beigefügte Daten zur Verfügung gestellt hat (Anlage 2). Beschäftigungsdaten zu den Tourismusberufen liegen erst ab Dezember 2012 vor. Vorhergehende Statistiken weisen eine vergleichbar detaillierte Aufschlüsselung nicht aus.
6. Zu welchem Anteil handelt es sich bei diesen um Beschäftigte in folgenden Arbeitsmarktsegmenten:
– befristete Arbeitsverhältnisse
– Arbeitsverhältnisse in Teilzeit
– geringfügig entlohnte Beschäftigte (”450-Euro-Jobs”)
– in Leih-/Zeitarbeit Beschäftigte
Zu den Arbeitsverhältnissen in Teilzeit wird auf die o.g. Anlage 2 verwiesen. Die geringfügig entlohnten Beschäftigten sind der beigefügten Anlage 3 zu entnehmen. Erkenntnisse zu befristeten Arbeitsverhältnissen sowie in Leih- /Zeitarbeit Beschäftigten liegen der Bayerischen Staatsregierung nicht vor.
7. Wie haben sich jeweils die jährlichen, staatlichen Investitionen und Subventionen des Freistaats in den abgefragten und den umliegenden Gemeinden und Landkreisen seit 2005 entwickelt?
Die Angaben zu den staatlichen Investitionen und Subventionen sind entsprechend dem Ressortprinzip in den anliegenden Übersichten (Anlagen 4a bis 4g) dargestellt. Um eine gewisse Vergleichbarkeit zu schaffen, wurden die getätigten Investitionen und bewilligten Zuwendungen jeweils in die Zeitabschnitte 2005 bis 2009 und 2010 bis 2014 untergliedert. Im Einzelnen wird dazu Folgendes angemerkt:
Die vom Staatsministerium für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie im Rahmen der Bayerischen Regionalförderung für die gewerbliche Tourismuswirtschaft und die touristische Infrastruktur gewährten Zuwendungen in den Wintersport-Gemeinden sind der beigefügten Übersicht (Anlage 4a) zu entnehmen.
Die Übersicht der Obersten Baubehörde im Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr enthält Fördermaßnahmen im Bereich des ÖPNV (Anlage 4b).
Die Tabelle des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege (Anlage 4c) gibt Auskunft im Hinblick auf das Förderprogramm zur Steigerung der medizinischen Qualität in den bayerischen hochprädikatisierten Kurorten und Heilbädern sowie anerkannten Heilquellen- und Moorkurbetrieben. Neben den Gemeinden sind auch Unternehmen in diesen Gemeinden, andere Gebietskörperschaften, Verbände und sonstige Institutionen, deren Aktivitäten Zweck und Inhalt dieser Förderrichtlinie verfolgen, zuwendungsberechtigt. Die Förderung hat erst im Jahr 2014 begonnen.
Zu sonstigen staatlichen Investitionen und Subventionen legen wir die landkreisscharfen Übersichten des Staatsministeriums der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat (Anlage 4d), des Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz (Anlage 4e), des Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (Anlage 4f) sowie des Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration (Anlage 4g) vor.
8. Erachtet die Bayerische Staatsregierung das meines Erachtens staatlich subventionierte Beschneiungs-Wettrüsten mit Österreich, angesichts des fortschreitenden Klimawandels und vor dem Hintergrund, dass die österreichischen Skigebiete in wesentlich höheren Lagen eine ungleich bessere Ausgangslage in Bezug auf Schneesicherheit bieten, für haushalts-, wirtschafts- und umweltpolitisch sinnvoll und nachhaltig? Falls ja, warum?
Zunächst ist festzuhalten, dass der Anteil der geförderten Beschneiungsanlagen sich auf weniger als 1,5% der in den vergangenen 10 Jahren im Rahmen der Regionalförderung für Vorhaben des Tourismus bereitgestellten Fördermittel beläuft.
Die bayerischen Wintersportorte befinden sich in einem harten Wettbewerb. Insbesondere für den Gürtel entlang der Alpenkette ist der Tourismus ein überlebenswichtiger Wirtschaftszweig, an dem unzählige Arbeitsplätze und Existenzen hängen. In den letzten beiden Jahrzehnten erfolgten in den Nachbarländern – insbesondere in Österreich – umfassende Investitionen mit massiver staatlicher Unterstützung. In der Folge gerieten die bayerischen Wintersportorte ins Hintertreffen und erlitten einen Einbruch bei den Übernachtungs- und Besucherzahlen mit teilweise existenzbedrohenden Auswirkungen auf die dortigen Hotellerie- und Gastronomiebetriebe. Um Touristen dauerhaft anzuziehen, müssen Urlaubsdestinationen in ihren Kernleistungen wettbewerbsfähig sein.
Vor diesem Hintergrund verfolgt die Bayerische Staatsregierung mit der Förderung von Seilbahnanlagen und Beschneiungsanlagen eine doppelte Strategie: Zum einen soll der Skiliebhaber den Winterurlaub wieder in Bayern verbringen. Zum anderen sind komfortable Seilbahnen eine wesentliche Voraussetzung dafür, den Touristen auch außerhalb der Skisaison in die bayerischen Alpen oder in den bayerischen Wald zu bringen. Auch rechnen sich die hohen Investitionskosten für die Seilbahnbetreiber aus betriebs- wirtschaftlichen Gründen oftmals nur bei ganzjähriger Nutzung, d.h. die Anlage muss sowohl für den Sommer- als auch den Wintertourismus betrieben werden können. Im Rahmen der Seilbahnförderung können Beschneiungsanlagen deshalb als betriebsnotwendige Nebenanlagen berücksichtigt werden.
Der Natur- und Wintertourismus soll im Übrigen generationengerecht und diskriminierungsfrei ermöglicht werden. Angesichts des demographischen Wandels und des Rechts auf Teilhabe behinderter Menschen sind eher mehr als weniger Aufstiegshilfen erforderlich.
Zudem ist anzumerken, dass die Höhenlage allein nur eine geringe Aussagekraft in Bezug auf Schneesicherheit und Beschneiung hat. Entscheidend für die Beurteilung von Investitionen ist das regionale Mikroklima. Eine im Jahr 2014 veröffentlichte Studie des Instituts für Interdisziplinäre Gebirgsforschung (IGF) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften bestätigt, dass die Auswirkungen des Klimawandels auf die Schneesicherheit und Schneeproduktion in deutschen Skigebieten gering sind. Mit Unterstützung einer effizienten Beschneiungstechnologie ist auch in den nächsten Jahrzehnten von einer sehr hohen Schneesicherheit selbst in niedriger gelegenen Skigebieten auszugehen.
Dennoch verlangen die sich verändernden klimatischen Verhältnisse nach Lösungen, die die Schneeabhängigkeit der Wintersportorte verringern. Dies ist jedoch nicht kurzfristig erreichbar. Bei der Errichtung von Beschneiungsanlagen und Investitionen werden daher derzeit die voraussichtlichen klimatischen Verhältnisse der kommenden 20 – 30 Jahre zugrunde gelegt.
Dieser zeitliche Korridor entspricht in etwa auch der wirtschaftlichen und technologisch realistischen Betriebsdauer derartiger Einrichtungen. Einer Skiregion, die ihre gesamte Infrastruktur seit Jahrzehnten dem Wintertourismus gewidmet hat, kann nicht von heute auf morgen die Grundlage entzogen werden. Der Einsatz künstlicher Beschneiung ist insofern auch ein Instrument, um den Veränderungsprozess im Wintersport-Tourismus volkswirtschaftlich verträglich zu gestalten.
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