10. März 2019

Stilllegung von Waldflächen für den Naturschutz

Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Ludwig Hartmann, Bündnis 90/Die Grünen vom 15.01.2019, mit den Antworten der Bayerischen Staatsministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Michaela Kaniber, vom 10.03.2019 (kursiv dargestellt)

Im Zuge der „Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt“ soll bis zum Jahr 2020 eine natürliche Waldentwicklung auf 5 Prozent der gesamten Waldfläche in Deutschland stattgefunden haben. Sogar 10 Prozent des öffentlichen Waldes sollen sich natürlich weiterentwickeln. Ergänzend sollen sich 2 Prozent der Landfläche zu Wildnisgebieten entwickeln.
Im Koalitionsvertrag der CSU mit den FREIEN WÄHLERN für die Legislaturperiode 2018 bis 2023 wird dieses Ziel aufgegriffen: „Der Schutz des Waldes hat für uns eine besondere Bedeutung. Wir nehmen dauerhaft rund 10 Prozent der staatlichen Waldflächen als nutzungsfreie Naturschutzflächen und Naturwaldflächen von der forstwirtschaftlichen Nutzung aus. Damit leisten wir einen erheblichen Beitrag zur Biodiversität und schaffen ein grünes Netzwerk von Naturwaldflächen.“
Ein totholzreicher Wald mit Urwaldcharakter stellt einen ökologisch hochwertigen und außerordentlich vielfältigen Lebensraum dar, auf den zahlreiche spezialisierte Tier-, Pflanzen- und Pilzarten angewiesen sind. Um ihre Lebensraumfunktion z.B. für sogenannte Urwaldreliktarten, insbesondere Käfer und Pilze, voll erfüllen zu können, müssen Waldschutzgebiete aber ausreichend groß ausgewiesen werden. Flächen mit natürlicher Waldentwicklung, die dauerhaft nicht forstlich genutzt werden, dienen auch als Referenzflächen für die Sicherung der Biodiversität inklusive einer wissenschaftlichen Dauerbeobachtung. Viele stark bedrohte Tier-, Pflanzen- und Pilzarten sind auf solche naturnahen Wälder, die nicht forstlich genutzt werden und sich ungestört natürlich entwickeln können, angewiesen.
Ich frage die Staatsregierung:
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
die o. g. Schriftliche Anfrage des Herrn Abgeordneten Ludwig Hartmann beantworte ich, nach Beteiligung der Bayerische Staatsforsten AöR (BaySF), wie folgt:

1. a) Aus welchen Gründen erachtet die Staatsregierung das Einrichten von „Wildnisgebieten“ als sinnvoll?
1. b) Auf welcher Grundlage erachtet die Staatsregierung dies als sinnvoll?
Zu den Fragen 1.a und 1.b: Laut Koalitionsvertrag sollen dauerhaft rund 10 % der staatlichen Waldflächen als nutzungsfreie Naturschutzflächen und Naturwaldflächen von der forstwirtschaftlichen Nutzung ausgenommen werden. Damit soll ein erheblicher Beitrag zur Biodiversität geleistet und ein grünes Netzwerk von Naturwaldflächen geschaffen werden. „Wildnisgebiete“ im Sinne der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt sind aber nicht Gegenstand des Koalitionsvertrags.

2. a) Nach welchen fachlichen Kriterien wurden die bereits bestehenden Flächen mit Natürlicher Waldentwicklung im Bayerischen Staatswald ausgewählt?
b) Wie wurden dabei die Aspekte landesweiter Kohärenz und Repräsentativität der verschiedenen Waldlebensraumtyen berücksichtigt?
Zu den Fragen 2.a und 2.b: Hierzu wird auf die Antwort des StMELF auf die Schriftlichen Anfragen von MdL Ganserer vom 16.05.2018, Drs. 17/23591, verwiesen.

3. Wie viele NSGs mit einem in der Schutzgebietsverordnung festgeschriebenen Ausschluss einer forstwirtschaftlichen Nutzung sind in den bislang schon stillgelegten Staatswaldflächen enthalten?
Zu Frage 3: Dazu liegt dem StMELF keine Auswertung vor.

4. Wie soll eine dauerhafte, rechtlich abgesicherte Nutzungsfreiheit gemäß Koalitionsvertrag der einschlägigen Flächen erfolgen, nachdem 800 ha (= 62,1% der nutzungsfreien Staatswälder) in dokumentierter Eigenbindung des Schutzstatus, davon 32.000 ha (39,1%) im Hochgebirge keinen dauerhaften Schutzstatus aufweisen und ohne größeren bürokratischen Aufwand wieder in Nutzung genommen werden könnten?
Zu Frage 4: Hierzu wird auf die Antwort des StMELF auf die Schriftlichen Anfragen von MdL Ganserer vom 16.05.2018, Drs. 17/23591, verwiesen. Zudem wurde die BaySF beauftragt, für den Staatswald im Bereich Forsten ein Konzept zur Umsetzung des 10 %-Ziels vorzulegen und dabei auch auf die Frage der Sicherung einzugehen.

5. a) Bedeutet die von den BaySF veröffentlichte Aufstellung der Fläche mit Natürlicher Waldentwicklung im Bayerischen Staatswald (Quelle), dass damit das im Koalitionsvertrag formulierte Ziel erreicht ist und keine weiteren Flächen aus der Nutzung genommen werden?
Zu Frage 5.a: Nein.

5. b) Sind in der Statistik aufgeführte Flächen, die mehrere Kriterien erfüllen (z.B. NWR und Klasse 1), jeweils nur einmal berücksichtigt?
Zu Frage 5.b: Ja.

6. a) Welche volkswirtschaftlichen Kosten entstehen für die zum Zwecke des Naturschutzes stillgelegten oder in der Nutzung eingeschränkten forstwirtschaftlichen Nutzflächen (bitte die Kalkulationsansätze und die monetäre Bewertung für die vergangenen und folgenden 30 Jahre darstellen)?
b) Wie bewertet die Staatsregierung den volkswirtschaftlichen Nutzen solcher Flächen mit Natürlicher Waldentwicklung, die aus forstwirtschaftlichen Nutzflächen entstanden sind (bitte die Kalkulationsansätze und die monetäre Bewertung für die vergangenen und folgenden 30 Jahre darstellen)?
Zu den Fragen 6.a und 6.b: Dazu liegen dem StMELF keine Informationen vor.

7. Welche Mindestgröße hält die Staatsregierung für Waldwildnisgebiete für erforderlich, um Mindestpopulationen von Wildnisarten (z.B. Dreizehenspecht) zu sichern?
Zu Frage 7: Für „Wildnisarten“ ist dem StMELF keine Definition bekannt. Das StMELF bezieht sich deshalb auf Naturnähezeiger wie etwa den Dreizehenspecht. Solche Arten lassen sich in der Regel durch einzeln eingestreute Strukturelemente (Biotopbäume, Totholz) in naturnah bewirtschafteten Wäldern erhalten. Die Habitate der Naturnähezeiger reichen meist von Einzelbäumen bis zu mittleren zweistelligen Hektarzahlen. Wichtig für den Erhalt der Populationen ist deren Verbund.

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Hier habe ich Ihnen meine Schriftliche Anfrage und die Antworten der Staatsregierung auch als pdf-Datei im Drucksachenlayout des Bayerischen Landtags hinterlegt.